Kunst
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Frau mit tausend Gesichtern

Man könnte meinen, sich langsam an Kate Moss satt gesehen zu haben. Die Berliner Galerie Hiltawsky belehrt uns mit der Ausstellung „The Icon“ eines Besseren.

Als David Ross 1988 ein kleines, unscheinbares Mädchen vor dem Eingang seines Studios herumschleichen sieht, glaubt er zunächst, es wäre auf der Suche nach seiner Mutter. Wie sich aber herausstellt, hat Katherine Ann Moss einen Termin bei dem Londoner Porträtfotografen: David Ross soll die ersten Testaufnahmen des wenige Wochen zuvor entdeckten Models schießen. Ross zeigt sich zunächst unbeeindruckt von der gerade erst 14-Jährigen. Er setzt sie in denselben Klamotten vor die Kamera, mit denen sie in sein Studio gekommen war. Das lange Haar bindet er ihr lose im Nacken zusammen, um den schlechten Schnitt zu verbergen.

An diesem Nachmittag entstehen die ersten professionellen Aufnahmen von Kate Moss. Schwarzweiß, aber dennoch scheinen sie in sanftes Licht getaucht. David Ross gelingt es, Porträts zwischen Zartheit und Stärke, Unsicherheit und Trotz zu schaffen. Er zeigt uns eine Kate Moss auf dem Sprung: Einerseits noch Schulmädchen, andererseits bald ein Weltstar. Steht man heute vor der später berühmt gewordenen Aufnahme „Kate – Film“ und begegnet dem Blick des jungen Mädchens, versteht man, warum auf dieses erste Shooting unzählige weitere folgen sollten.

Zeitreise durch einen Mythos

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Albert Watson, Kate Moss – Veil, Marocco 1993 © Albert Watson courtesy galerie hiltawsky and ONO arte

Eben jene Aufnahme bildet den Abschluss der Ausstellung „Kate Moss – The Icon“, die noch bis zum 21. Februar in den Räumen der Berliner Galerie Hiltawsky zu sehen ist. Am Ende eines engen Ganges wartet sie auf die Besucher und führt sie zurück an den Ursprung eines Mythos. Auf gleicher Höhe, ein Stockwerk tiefer, bietet sich hingegen ein ganz anderer Eindruck: „Kate Moss – Veil“ lautet der Titel der dort hängenden Fotografie von Albert Watson. Erneut eine Schwarzweiß-Aufnahme, dieses Mal jedoch geprägt von harten Kontrasten. Hell heben sich Kate’s Züge vor dem dunkel-rauchigen Hintergrund ab und besitzen eine geradezu madonnenhafte Anmut. Wäre da nicht der schwarze Netzschleier, der sich geheimnisvoll über das milde lächelnde Gesicht legt. Watson, der „Meister des Lichts“, zeigt das Abbild einer selbstbewussten Frau, die um ihre Verführungskraft weiß. Er zeigt uns Kate Moss, wie wir sie heute kennen. Eine lange Entwicklung scheint zwischen den beiden Fotografien zu liegen. Tatsächlich aber trennen sie nur fünf Jahre. „The Icon“ ermöglicht es dem Besucher, diesen rasanten Reifeprozess anhand stilprägender Werke mitzuverfolgen. In den Ausstellungsräumen der Galerie tun sich die verschiedenen Facetten des Supermodels auf: Die unbedarfte Anfängerin, das ungehemmte Rock’n’Roll Girl und die erhabene Schönheit.

Leinwand der Fotografen

Darüber hinaus beweist die Ausstellung aber vor allem eines: Kate Moss war und ist die Projektionsfläche unterschiedlichster fotografischer Ansätze. Ihre Begabung liegt darin, kommerziell und im selben Atemzug Avantgarde zu sein. So verfolgen einige der ausgestellten Fotografien einen rein künstlerischen Ansatz, andere wiederum sind als Auftragsarbeiten für Magazine entstanden. Satoshi Saikusa zeigt Kate Moss für das W Magazine in kostbaren Haute Couture Roben und mit streng gescheiteltem Haar. Es sind Fotos wie Stilleben. Aufgenommen, um die kunstvollen Schnitte der Kleider zu betonen. Die dänische Fotografin Dana Lixenberg hingegen lichtet Kate Moss ganz unprätentiös im Alltagslook auf den regennassen Straßen New Yorks ab. Ihre Fotos wirken wie spontane Schnappschüsse, als könnten sie ebenso gut einem privaten Fotoalbum entstammen. Pamela Hanson schließlich inszeniert in der Serie „The merry widow“ theatergleiche Szenen mit einer Kate Moss, ausstaffiert im Stile einer modernen Madame Pompadour.

Welches dieser Fotos der wahren Kate Moss nun am nächsten kommt – diese Frage bleibt auch nach „The Icon“ ungeklärt. Gut so! Denn nur auf diese Weise können auch weiterhin Fotografen unterschiedlichster Stile ihre Visionen auf das Gesicht von Kate Moss projizieren. Dieses sei schließlich „wie ein weißes, unbeschriebenes Blatt Papier“, stellte David Ross vor vielen Jahren am Ende ihres ersten Shootings fest.

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