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Das Mekka für Rapper ist am “Schlesi”

Immer wieder mittwochs: Bei Rap am Mittwoch im Bi Nuu reimen Rapper um Ruhm und Ehre – Deutschlands einzige Rap-Battle-Liga steht für Hip Hop Kultur in seiner Urform

Hip Hop Beats schallen durch den verqualmten Club. Es riecht nach Schweiß, Zigaretten und Gras, die Luft ist stickig. Videokunstprojektionen erwecken die grob verputzten Wände zum Leben. An den hohen Decken bahnen sich Lüftungsschächte ihren Weg, vorbei an bunten Lichtern, die auf die etwa 500 Leute scheinen, die an diesem Mittwoch ins Bi Nuu gekommen sind:

In der Ecke stehen ein paar finstere Typen, die ihre Arme verschränken. Ganz vorne tummeln sich aufgetakelte Mädels im Rampenlicht. Man sieht Caps und Kapuzen, Röhrenjeans und Ringelshirts, Dreadlocks, Goldketten und Bügelfalten – Hip Hop ist mehr als Pullover, Hosen und Haarschnitt.

Im U-Bahnhof „Schlesisches Tor“ in Kreuzberg wird Hip Hop an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat lebendig. Es ist nicht nur Sprechgesang sondern auch Unterhaltung und Comedy. Rap am Mittwoch ist eine Open-Mic-Session – jeder darf kommen und seine Reime dem Publikum präsentieren. Es ist Deutschlands einzige regelmäßige Rap-Battle-Liga.

Ben Salomo unterhält das Publikum mit einer umwerfenden Lässigkeit: „Rap am Mittwoch, kommt alle mit! Doch wenn ihr nichts mit Hip Hop am Hut habt, müsst ihr gehen!“ Hinter dem Pseudonym Ben Salomo verbirgt sich Jonni Kalmanovich, der aus Israel stammt. Er ist Moderator und Initiator von Rap am Mittwoch und lässt sich, während er den rappenden Showmaster gibt, durch nichts aus der Ruhe bringen. Außerdem ist er Ringrichter: Er hat die Rapper, die Regeln und die Zeit im Blick.

DJ Pete legt auf. 1999 hat Kalmanovich die Veranstaltung als Gegenentwurf zum „Royal Bunker“, wo sich seit 1997 Berliner Rapper zu Open-Mic-Sessions getroffen haben, ins Leben gerufen. Alles fing an in der alten UFA-Fabrik: Ein Plastikmikro und eine Handvoll Typen, die im Kreis stehen und zusammen auf einen Beat rappen. Im darauffolgenden Jahr dann das vorläufige Aus. Die UFA-Fabrik konnte die Besuchermassen nicht mehr bewältigen und es gab auch keinen Ausweichort für die Veranstaltung. Die Idee jedoch verankerte sich im kollektiven Gedächtnis der Berliner Hip Hop Szene. Ab dem Jahr 2010 kamen Rapper wieder mittwochs im Calabash Club zu einer Open-Mic-Session zusammen. Seit 2012 „cyphern“ sie im Bi Nuu.

„Die realste Cypher Deutschlands“ – Wortsport mit Würde

Im Hip-Hop-Jargon heißt so eine Session „Cypher“. Wenn man gegeneinander rappt, heißt das „Battle“. Dabei kommt es darauf an, sich zu verhöhnen und sich gegenseitig mit Worten auseinanderzunehmen. Dieses Mal sind sechs Rapper zum Battle angetreten. Das Publikum entscheidet, wer in die nächste Runde kommt. Freestyle auf den Beat und Acapella sind die Disziplinen, in denen sie sich messen und die Gunst des Publikums verdienen müssen.

Das Los entscheidet, ab dann herrscht Krieg auf der Bühne – verbaler Krieg. Das ist allerdings nur halb so brutal, wie es sich anhört: Rap ist Sport. Wortsport, bei dem sich die beiden Akteure am Ende ihren Respekt aussprechen und die Hand geben. Im Freestyle kommt es auf sprachliches Geschick und spontane Kreativität an. Klar, ab und zu beleidigen sich die Rapper im Eifer des Gefechts auch aufs Übelste: Mütter und Väter müssen herhalten, aber – und das betont Ben Salomo immer: natürlich nur die „Kunstfiguren“.

Für den Acapella-Rap, die Königsdisziplin, haben sich die Akteure meist schon einige Reime zurechtgelegt, wo spontaner Spott auf Eltern die Ausnahme ist. Vielmehr ist es dann Rap mit Wortwitz auf hohem Niveau und erinnert an einen Poetry Slam. Das Publikum johlt, lacht und applaudiert.

Bis vor kurzem war Rap am Mittwoch noch eine regionale Attraktion. Mittlerweile hat es sich zu einer großen Künstlerplattform entwickelt – auch auf Youtube. Schon Pioniere der Berliner Rapszene wie Sido haben hier ihre ersten Gehversuche auf der Bühne gestartet. Die Zeile „Rap am Mittwoch, kommt alle mit! Doch wenn ihr nichts mit Hip Hop am Hut habt, müsst ihr gehen!“ stammt sogar aus einem Freestyle von ihm.

Rapper, die sich bekennende Fans von Rap am Mittwoch nennen, lesen sich wie ein Who-Is-Who der deutschen Rapszene: Marteria liebt es, Afrob liebt es, Kool Savas liebt es. Rap am Mittwoch ist die Pilgerstätte für Rapper und Hip-Hop-Fans aus ganz Deutschland. Hier haben Newcomer eine einzigartige Repräsentationsmöglichkeit. Wer hier auf der Bühne steht, findet Beachtung in ganz Rap-Deutschland. Der „King of Rap“ Kool Savas war jedenfalls an diesem Mittwoch da.

 

Foto: By Arild Vågen (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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