Kunst
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Im Westen nichts Neues

In Charlottenburg ist alles neu, auch die „Permanent Loan Collection“ in der Newton-Stiftung. Eine gründliche Erneuerung hätte aber auch dem Museum für Fotografie selbst gut getan.

Über die neue alte Mitte Berlins wurde in letzter Zeit viel diskutiert. Das Gebiet rund um den Berliner Zoo soll wieder zum Zentrum werden, gesäumt von Luxushotels und Shopping-Malls. Viele Alteingesessene mussten den neuen Konzepten weichen, ein alter Mieter ist geblieben: Seit 2004 besetzt das Museum für Fotografie seine Räumlichkeiten vis-à-vis dem Bahnhof Zoo. Als Hauptattraktion gilt die Sammlung der 2003 gegründeten Helmut-Newton-Stiftung.

Seit November letzten Jahres setzt die Stiftung dem in Berlin geborenen Fotografen einmal mehr ein kuratiertes Denkmal: Zum Jubiläum des Hauses werden unter dem Titel „Permanent Loan Selection“ knapp 200 Originale des 2004 verstorbenen Fotografen präsentiert. „Permanent“ ist ohnehin ein Wort, das gut zu Newton passt. Wie kaum ein Zweiter fokussierte er seine Karriere hindurch stets die gleichen Themen, formte früh einen signifikanten Stil. Das verdeutlicht auch die Ausstellung.

Erschlagen von Schygulla und Sade, Dunaway und Deneuve.

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Ein Promi nach dem anderen… Hier: Catherine Deneuve, 1983 in Paris fotografiert von Helmut Newton für einen Foto-Essay.

Vorwiegend in Schwarz-Weiß reihen sich im ersten Raum Portraits unterschiedlichster Berühmtheiten aneinander. Viele Modemacher sind darunter, von Ikonen der Gegenwart wie Lagerfeld und Valentino, bis zu fast vergessenen Figuren der jüngsten Modehistorie wie Claude Montana oder Loris Azzaro. Manolo Blahnik in selbst entworfenen Pumps, Donatella Versace liegt gefesselt auf dem kitschigen Perserteppich ihres Anwesens. Ein privater Charakter haftete Newtons Bildern oft an, die charmante Komposition mit witzreichen Details bildete meist den Inhalt seiner Arbeit ‒ nicht nur wenn sich die Modebranche vor seiner Linse inszenierte. Film und Fernsehen, Politik und Prominenz, Gegenwart und Geschichte erweitern sein Œuvre und das Repertoire der „Permanent Loan Selection“. Von Fernando Botero bis Catherine Deneuve, von Hanna Schygulla bis Sade. Und Paloma Picasso. Und Faye Dunaway. Leni Riefenstahl. Fassbinder. Thurn und Taxis. Jedes Bild für sich ist eine große Besonderheit, in der nicht fassbaren Masse der Ausstellung wirken sie erschlagend.

Mal mit, mal ohne Stoff: Der zweite Raum gehört Models und Nackten.

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Helmut Newton mochte Frauen – vor Allem nackte! Hier sein Bild “Arielle after a haircut”, 1982 in Paris aufgenommen.

Wer es trotzdem in den zweiten Raum schafft wird mit Nacktheit belohnt. Sie bildet einen weiteren, wichtigen Protagonisten in Newtons fotografischem Kammerspiel. Vor Allem hier verzichtete der Meister gern auf Nachbearbeitung. Die wäre ob der Neid erweckenden Körper seiner großformatigen „Big Nudes“ oder den berühmten „Walking Women“ auch kaum nötig gewesen. Da überrascht der Verzicht auf Retusche bei den vielen Modefotografien der Ausstellung schon mehr. Models mit kleinen Bäuchen und tiefen Achselfalten, mit glänzender Haut und mit Knien: Abgesehen von der Schnappschussästhetik eines Jürgen Teller oder Wolfgang Tillmans’ Ausflüge in die Modefotografie wäre das in Hochglanzmagazinen der Gegenwart kaum denkbar. Ansonsten verdeutlichen die Bilder vor Allem eines: In den letzten 50 Jahren der Modefotografie ist nicht viel passiert. Die Mimik und die Posen, die Hintergründe und die Perspektiven könnten so auch noch morgen in der Vogue erscheinen. Helmut Newtons Vision ist noch immer relevant, seine Bilder haben ihre Wirkung nicht verloren. Insofern ist die „Permanent Loan Selection“ ein Erfolg.

Schwachstellen sind eher im Museum selbst zu finden. Blickt man frontal auf die Bilder, sieht man auf Jedem von ihnen vor Allem erstmal eines: Sich selbst. Die viel zu starke Spiegelung wird zum wahren Ärgernis, genauso wie der unerträglich quietschende Holzboden. Oder der viel zu helle Videoraum, in dem ein recht heiterer Film über Helmut Newton und künstliche Brustwarzen aus Silikon läuft. Sein Werk ist überwältigend, die Räumlichkeiten werden dem nur oberflächlich gerecht. Schön ist das Museum für Fotografie immerhin. Vielleicht hätte es sich zum Zehnjährigen aber lieber von der „neuen City West“ inspirieren lassen und in eine gründliche Erneuerung investieren sollen. Das nahe gelegene „Bikini Haus“ oder eben eröffnete „C/O“ im gerade renovierten Amerikahaus haben es schließlich auch geschafft.

 

Alle Bilder © Helmut Newton Estate

Startbild: Sigourney Weaver fotografiert von Helmut Newton 1983 in Los Angeles.

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Kategorie: Kunst

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