Musik

Liebeseinheitsbrei ohne Geschmack

Beyoncé Knowles ist mit ihrem neuen Studioalbum „4“ wieder zurück aus der Schaffenspause, leider nur mit mäßig guten Titeln.

Was waren das für Zeiten, als Beyoncé noch Mitglied und Grande Madame von „Destiny’s Child“ war. Powerfrau und freche Göre auf Mission, die Frauen dieser Welt zum Kampf gegen die Männer anzustacheln. Mit „Independent Women“, „Survivor“ und nicht zuletzt als Solistin mit „Single Ladies“ von 2008 zeigte die geborene US-Amerikanerin Beyoncé Giselle Knowles Stärke und bewies ihre Bedeutung in der glitzernden Plastikwelt des Pop-Business, die Vorbild für so viele Pubertierende ist.

Seit dem 24. Juli ist nun Beyoncés neues Album heraus, das wenig kreativ einfach nach der Anzahl ihrer Studioalben benannt ist: 4. Das Cover ziert eine wie immer wenig bekleidete Sängerin, die sich als wildes Hippiegirlie stilisiert, mit durchzausten Haaren, dunklem Make Up und einem schwarzen Pelz auf den nackten Brüsten. Einfallslos und mit nur wenigen Lichtpunkten präsentiert sich auch die Musik auf der Platte.

Das allumfassende Thema Liebe

In zwölf Liedern trällert, kreischt und flüstert die 29-Jährige über das allseits beliebte und in der Musik bis aufs Äußerste ausgequetschte und breit getrampelte Thema Liebe. Man könnte argumentieren, dass sei ja etwas, womit sich jeder identifizieren könnte, da jeder schon einmal geliebt und verlassen hat oder verlassen wurde. Es hat aber auch jeder schon einmal einen Hund gestreichelt, eine Banane gegessen, einen Reißverschluss hochgezogen. Diese Dinge werden auch nicht hundertmal wiederholt, neu interpretiert und bis zur Absurdität besungen. Also nächstes Argument: Beyoncé kann an gar nichts anderes mehr denken als an Liebe. Könnte stimmen, ist sie doch seit 2008 mit dem Rapper Jay-Z verheiratet. Andererseits schreiben ihre Lieder sowieso andere. Beyoncé ist schließlich viel beschäftigt – Sängerin, Ehefrau (Mutter möchte sie laut Zeitungsberichten noch nicht werden, obwohl die böse Zahl 30 schon vor der Tür steht), Schauspielerin, Modell, Parfümeurin.

Unterschiedliche Geschmackssorten

Dann kann diese Monothematik nur daran liegen, dass es so beliebig und einfach zu besingen ist. Eine Prise Romantik, einen Spritzer Kummer und fertig ist die Liebessuppe, in der leider die Buchstaben fehlen. Von dieser Suppe gibt es zwar unterschiedliche Geschmackssorten wie das erste Lied des Albums „1+1“, in dem ein Gitarrensolo der faden Brühe einen rockigen Beigeschmack verleihen will, sozusagen ein Süppchen mit Croutons oder die kräftige Kartoffelsuppe „Best Thing I never had“ oder das ruhigere „I miss you“, die wie eine schlichte Tomatensuppe schmeckt: eintönig, aber solide; der Liebeseinheitsbrei ohne Geschmack aber bleibt.

Frech und kämpferisch

Zum Ende des Albums hin verschwinden diese Lieder zum Glück. In „Countdown“, zwar noch immer vom Sujet ein Liebeslied, doch viel spielerischer und frecher, adressiert sie ihre weiblichen Zuhörer. Geht es in diesem Lied noch um die richtige Verführung eines Angebeteten, sollen in „Run the World (Girls)“ die Männer nun den Erfolg ihrer Frauen anerkennen und respektieren. Es hat lange gedauert, geschlagene elf Lieder, bis Beyoncé wieder ihren Kampfanzug unter all dem Glitter und Pailietten hervorgekramt hat und a la Missy Elliott zu verzerrten Klängen, Buschtrommeln und kräftigen Beats über die Vorherrschaft des weiblichen Geschlechts singt. Kein Wunder, dass sie das Lied als erste Single-Auskoppelung gewählt hat. Jedoch wird der enttäuscht, der weitere solcher schnellen Nummern auf dem Album „4“ erwartet. Eine freche und kämpferische Beyoncé gefällt allemal besser als die verheulte und tragische Version vom Anfang des Albums.

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Kategorie: Musik

Julia Wießner wurde am 22.09.1986 in Cottbus geboren. An den Mauerfall kann sie sich nicht erinnern. Trotzdem war sie gleich vor Ort und befragte die Menschen in der Schlange fürs Begrüßungsgeld. Da war klar: Sie wird Journalistin. Nach Abitur und neun Monaten Australien entschied sie sich, gen Westen zu ziehen. Sie studierte drei Jahre für einen B.A. an der Universität Siegen „Literary, Cultural and Media Studies“ mit den Schwerpunkten Deutsch und Englisch. Nebenbei arbeitete sie bei einem Uni-Magazin und drei Monate in Potugal. Sie machte Praktika bei Radio Cottbus, dem RBB, der Medienagentur Fulmidas, der Berliner Zeitung und dem TV-Kulturmagazin Aspekte. Neben dem Studium arbeitet sie in der Online-Redaktion der Berliner Morgenpost. Außerdem unterstützt sie das Produktmanagement von Berlin1.de. Sie merkte, dass sie gut unter Zeitdruck arbeiten kann und es freute sie, am Ende des Tages ein fertiges Produkt zu sehen oder zu hören. Ihre Spezialitäten sind die Medien selbst, Kulturpolitik, Filme jeglichen Genres, klassische und zeitgenössische Literatur. Kultur ist für sie ein offener Begriff, der alles vereint, was nicht Natur ist. Und so interessiert sie sich vor allem für gesellschaftliche Phänomene. Sie würde gern das ZDF „Morgenmagazin“ moderieren oder als Redakteurin bei einer Berliner Tageszeitung arbeiten.