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Künstler in der DDR: Nur Konformisten oder Dissidenten?

Kunst aus DDR-Zeiten gilt entweder als brav und bieder oder als besonders unartig und widersetzlich. Gab es tatsächlich nur Parteigänger oder Dissidenten? Kulturschwarm-Autor Jonas Kühlberg hat sich in der neuen Schau „Hinter der Maske – Künstler in der DDR“ im Potsdamer Museum Barberini auf Spurensuche begeben

Ein Ausblick durch das Fenster auf die Stadt. Daneben die eigene Staffelei. Die eine Fenster-Seite steht offen, die andere ist geschlossen. Eine Taube hat sich auf das Fensterbrett gesetzt. Die Taube weitet ihre Flügel. Sie scheint etwas zu rufen.

Dieses Bild ist von Wolfgang Mattheuer. Es zeigt das eigene Atelier als ein zur Welt hin geöffneter Raum. Mattheuer malte es 1969 in seiner Werkstatt – ein Jahr nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings. Die Hoffnungen auf einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wurden im Keim erstickt.

Das Gemälde hängt derzeit mit 117 anderen Werken im Museum Barberini. Das Potsdamer Museum rückt in der neuen Ausstellung „Hinter der Maske“ die Künstler der DDR in den Mittelpunkt.

“Die Kunst in der DDR ist nach 1989 häufig unter ideologischen Gesichtspunkten gesehen worden”, sagt Michael Philipp, einer der beiden Kuratoren der aktuellen Ausstellung. Häufig sei dabei lediglich die Frage nach der sogenannten Auftragskunst thematisiert worden. Hierbei wurde untersucht, wie staatsnah der ein oder andere Künstler war. Darüberhinaus habe es auch ganz pauschale Bezeichnungen der Künstler in der DDR als “Staatskünstler” gegeben. “Das ist eine pauschale Sichtweise, die wir mit dieser Ausstellung so nicht teilen möchten”, macht Philipp gegenüber dem Onlinemagazin Kulturschwarm deutlich.

Gab es in der DDR nur Staatskünstler?

Anders als die bisherigen Ausstellungen über DDR-Kunst verfolgt das Museum Barberini einen neuen Ansatz. Es will den Künstler und sein Werk ins Zentrum rücken. Michael Philipp: “Ich denke, dass in den meisten Lebensläufen nicht von schwarz oder weiß zu sprechen ist, sondern dass es sehr viele Schattierungen gab und dass die Kunstwerke, die in der DDR entstanden sind, sich nicht in der Frage erschöpfen, wie systemnah sie sind oder wie oppositionell.”

Doch die Frage nach der Selbstpositionierung des Künstlers im sozialistischen System wirft gleichzeitig die Frage nach den Arbeitsbedingungen auf. Christoph Tannert ist Kunsthistoriker und Leiter des Künstlerhaus Bethanien. Er hat sich mit der Frage beschäftigt, wie frei Künstler in der DDR arbeiten konnten.

“Nur wer Mitglied war, erhielt Malmaterialien”

“Es gab den Verband der Bildenden Künstler der DDR und nur wer dort offizielles Mitglied oder Kandidat war, war in der Lage, über die staatlichen Künstlerbedarfsgeschäfte auch entsprechende Malmaterialien zu kaufen”, so Tannert. Darüberhinaus habe es aber auch nicht-akademisch praktizierende Künstler gegeben, die dann als “Amateure” in sogenannten Volkszirkeln tätig wurden. Hier konnten sie sich über das staatliche Ministerium für Kultur sich eine Steuernummer als Freiberufler besorgen.

Als Professor der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig war Wolfgang Mattheuer einer der Gründungs-Väter der Leipziger Schule. 1974 legte er jedoch sein Amt nieder. Zwei Jahre später protestierte er gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann.

Christoph Tannert: Das was produziert wurde, musste, sollte immer sozialistischer Realismus sein. Insofern waren die Künstlerverbände nicht nur Berufsorganisation, sondern auch so ein bisschen ideologisches Kontrollinstrument.

Vorsitzender dieses ideologischen Kontrollinstruments wurde ab 1974 Willi Sitte. Später war er sogar Mitglied im Zentralkomitee der SED. Im Museum Barberini ist er mit seinem „Selbst-Bildnis mit Tube und Schutzhelm“ zu sehen.

Nach der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann verließen viele Künstler die DDR

In der aktuellen Schau posiert Sitte mit entblößtem Oberkörper vor seiner Staffelei. Stolz trägt er einen Arbeiterhelm auf seinem Kopf. Mit breiter Brust wendet er seinen Blick dem Betrachter zu. Hier steht also einer, der körperlich schwer arbeitet. Er verhandelt die eigene Rolle im System und seinen Glauben an die sozialistische Idee.

Sitte malte das Bild 1984 – in jenem Jahr, in dem zahlreiche Bildende Künstler aus Protest die DDR verließen. Auch Cornelia Schleime, die mit einer Fotoserie von Selbstporträts hier in der Potsdamer Schau zu sehen ist.

Für ihre Performance „Ich halt doch nicht die Luft anstülpte sie sich Plastikbeutel über den Kopf. Hier wird offensichtlich, wie sie die damalige Zeit in der DDR empfunden haben muss.
Schleime gehörte zur vierten Künstlergeneration, die sich nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns immer stärker von den kulturpolitischen Vorstellung der SED emanzipierte.

Christoph Tannert: “Deutlich wurde jedenfalls seit Anfang der Achtziger Jahre, dass eine junge Künstlergeneration gar nicht mehr offiziell angefragt hat, ob man ihre Position im offiziellen Rahmen auch präsentieren will. Sie haben von vornherein sich einfach mit dem Arsch zur Fahne gestellt und haben ihre eigenen Dinge durchgezogen, in alternativen Räumen, bei alternativen Auftritten, beim Zeigen von Super8-Filmen in Zusammenarbeit mit Rockmusikern, in Kirchen, in Privatwohnungen.”

Auch Cornelia Schleime schloss sich noch während ihres Studiums der alternativen Szene an. Sie malte, zeichnete, dichtete und entdeckte die Aktionskunst für sich – ebenso gründete sie eine Punkband.

“Es gab eine blühende Alternative Szene”

Die DDR sei eben ein Gewahrsamsstaat gewesen, der sehr schnell reagierte, wenn Abweichungen von der Norm sichtbar wurden, macht Kunsthistoriker Christoph Tannert in diesem Zusammenhang deutlich. “In den Achtziger Jahren wurden in erster Linie ganz junge Punks durch die Stasi geheimdienstlich behandelt, steckbriefartig fotografiert, zur Ausreise genötigt und natürlich auch ausreisekritische Künstler mit der Macht des Staates in die Ecke getrieben.”

Doch für Cornelia Schleime verlief es anders: Bereits ein Jahr nach Abschluss ihres Studiums in Dresden erhielt sie Ausstellungsverbot. 1984 emigrierte sie in den Westen. Die Gängelungen des Systems nahmen ihr letztlich dann doch die Luft zum Atmen. DDR-Künstler seien eben nicht nur deshalb in den Westen gegangen, weil lediglich die Staatsaufträge ausblieben.

Christoph Tannert: “In der DDR etablierten sich die Lebensbedingungen auf einem so niedrigen Niveau und Miete und Grundnahrungsmittel waren so billig, dass man eigentlich kein Geld brauchte. Geld spielte wirklich keine Rolle. Viele Leute hatten volle Sparkonten und konnten das nicht ausgeben, weil man gar nicht genügend Waren kaufen konnte.”

Die Kunstszene der DDR scheint bunter und vielfältiger, als auf den ersten Blick erkennbar. Sie war kein gleichgeschaltetes Lager, wie Viele auf den ersten Blick denken mögen. Darüberhinaus es gab eine blühende Alternative Szene, die sich in den Achtziger Jahren immer stärker emanzipierte. Die aber nicht alle kritischen Künstler mit einbinden konnte, auch deshalb, weil die DDR sie zur Ausreise drängte. Gerade diese Aspekte hätte man aber in der Ausstellung durchaus noch stärker herausarbeiten können.

Hinter der Maske – Künstler in der DDR
Die Schau ist noch bis 4. Februar 2018 im Museum Barberini in Potsdam zu sehen.
Eintritt 14, Studenten 10 Euro.

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Kategorie: Audio, Kunst

Jonas Kühlberg

Sich selbst beschreibt Jonas als „normal und lieb“, doch spätestens seit Nikolaus ist klar: Wer seinem gesamten Studiengang zur Feier des Tages Schokolade in den Spind legt, ist weit mehr als nur lieb. Als Erkennungs-merkmal dienen dem (fast) waschechten Berliner sein Hut und sein stetes Engagement für alles und jeden. Ähnlich unbefangen sieht Jonas seine Aufgabe: über Kunst und Kultur für alle schreiben, weitab von Elitarismus und Boulevard. Du findest Jonas bei Twitter & Instagram (@jns_khlbrg).

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