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Tatort Kunst

Es ist eines der lukrativsten Verbrechen der Welt: der Kunst-Diebstahl. Doch während uns Hollywood-Filme suggerieren, dass am Ende die Gerechtigkeit siegt, sieht die Realität anders aus: Manchmal darf der Täter seine Beute einfach behalten

Lächelnd zeigt René Allonge auf das riesige Gemälde von Martin Kippenberger über seinem Schreibtisch. Kinder spielen darauf vor einem alten VW-Käfer. „Das Motiv fand ich nicht ganz so schlimm.“ Das Werk von Kippenberger zeigt, dass René Allonge seinen Job gut macht. Der 39-Jährige ist Leiter der Kommission für Kunstkriminalität im Berliner LKA. Und der Kippenberger an der Wand ist eine Fälschung, die Allonge aus dem Verkehr gezogen hat.

Laut der Kriminalstatistik des BKA wurden 2011 in Deutschland 2363 Kunstgegenstände als gestohlen gemeldet, davon 100 in Berlin. Nach Schätzungen von Interpol gehört der Diebstahl von Kunst zu den lukrativsten Verbrechen – neben Drogen- und Menschenhandel. Durch solche Diebstähle entstehen weltweit jährliche Schäden im geschätzten Wert von rund fünf Millarden US-Dollar. „Es gibt mehr zu tun, als man in der Öffentlichkeit wahrnimmt“, sagt Allonge.

Seit 2008 bildet sein neunköpfiges Team ein eigenes Kommissariat. Abgesehen von der Suche nach gestohlen Kunstwerken beschäftigt es sich auch mit Kunstfälschungen, Sachbeschädigung an Kunst oder Kunsthehlerei.

Villengegenden besonders gefährdet

Auch Ulrike Erben, Leiterin der Fasanengalerie in Berlin-Charlottenburg, wurde Opfer einer professionellen Bande. In der Silvesternacht 2008 brachen Diebe  in die Galerie ein und entwendeten über 30 Werke im Gesamtwert von rund 200.000 Euro, darunter Werke von Matisse, Picasso und Georges Braque. Bis heute ist nicht eines der Werke wieder aufgetaucht, die Ermittlungen wurden bereits ein Jahr nach der Tat eingestellt.

Aber nicht nur Galerien und Museen werden Opfer von Einbrüchen. Vor allem Privatpersonen sind von Kunstdiebstählen betroffen. Grunewald, Zehlendorf und andere Berliner Villengegenden sind bei kriminellen Banden besonders beliebt. Häufig werden dort schlechte Sicherheitsvorkehrungen getroffen. „Viele können sich nicht vorstellen, dass sie Opfer so einer Straftat werden“, sagt Allonge.

Gerade sehr wertvolle Bilder werden nach einem Diebstahl über Jahre versteckt, weil sie keine Abnehmer auf dem Markt finden. René Allonge erklärt, wie die meisten Täter vorgehen: „Die greifen einfach, was sie kriegen können. Und dann wundern sie sich, dass sie keine Käufer finden. Die Werke stehen auf alle Ewigkeit in den Fahndungslisten ganz oben, die kriegen sie nicht so einfach los.“ So werden Kunstwerke in feuchten Kellern gelagert, eingeschmolzen oder einfach zerstört – ein immenser kulturhistorischer Verlust.

Was aus ihren Werken geworden ist, weiß Ulrike Erben aus der Fasanengalerie nicht. Und es kam noch schlimmer: Schon kurz nach dem Diebstahl erhielt Erben massive Einbruchsdrohungen. Zu viel für die junge Frau. 2011 schloss sie ihre Galerie; jetzt verkauft sie nur noch online: „Ich hatte da einfach keinen Bock mehr drauf. Ständig Angst vor einem Einbruch zu haben – das war mir zu viel.“

Suche nach den rechtmäßigen Besitzern

Laut Statistik liegt die Aufklärungsquote von Kunstdiebstählen in Berlin bei etwa 21 Prozent. Das ist deutlich höher als beim gewöhnlichen Diebstahl; dort werden in Berlin nur sieben Prozent aufgeklärt. Das Londoner Art Loss Register vernetzt internationale Ermittler, Kunstsammler und Auktionshäuser im Kampf gegen den Kunstdiebstahl. Mit ihren mehr als 300.000 registrierten Objekten ist es die größte Datenbank ihrer Art. Jede künstlerische Einrichtung oder Privatperson kann hier den Diebstahl eines Kunstwerks melden. Kunstfreunde sind angehalten, sich vor dem Kauf eines Werkes im Art Loss Register über mögliche Diebstahlmeldungen zu informieren. So konnten schon rund 6.000 Kunstwerke wiederbeschafft werden.

Haben die Ermittler bei ihrer Suche Erfolg, werden die Kunstwerke zunächst in einem besonders gesicherten Raum im LKA aufbewahrt, während nach dem rechtmäßigen Besitzer gesucht wird. Wenn der Diebstahl nicht in einer öffentlichen Einrichtung stattfand, kann das sehr lange dauern: „Wenn wir nicht wissen, woher die Kunst kommt, gehen wir an die Öffentlichkeit. Oder wir machen hier Ausstellungen, wo Menschen schauen können, ob ihre Kunst dabei ist.“ Doch häufig finden auch die besten Ermittler nicht den rechtmäßigen Besitzer. Dann kann eine Regel eintreten, die den Glauben an den Rechtsstaat ein bisschen erschüttert: Das Werk geht zurück an den Dieb. Denn laut Gesetz muss der Kunstgegenstand an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden, sollte sich der eigentliche Besitzer nicht melden.

Trotz seiner täglichen Erfahrungen rät René Allonge jedem, seiner Kunstleidenschaft nachzugehen: „Ich würde jedem empfehlen, Kunst zu kaufen, weil es etwas wahnsinnig Schönes ist. Jeder muss selbst entscheiden, welchen Sicherungsaufwand er betreiben möchte. Nach oben gibt es da keine Grenzen. Aber vor allem sollte man seine Kunst genießen können.“

Foto:  Sharon Drummond/ flickr.com

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