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„In der Ostsee bin ich wieder bei Opa“

Tod. Bestattung. Keine fröhlichen Themen. Aber was passiert eigentlich bei einer Seebestattung? Ein Gespräch mit dem Vertriebsleiter der Deutschen See-Bestattungs-Genossenschaft Christian Cornelius Methner lässt uns mehr erfahren. Bei Nebel und Nieselregen treffen wir C.C. Methner auf der Terrasse eines Restaurants im Hafen von Kiel-Strande.

Kulturen: Wie läuft eine Seebestattung ab?
Christian Cornelius Methner: Fangen wir mal da an, wo der Mensch verstirbt. Da suchen die Verwandten sich einen Bestatter und sagen: Er oder sie wollte schon immer eine Seebestattung haben. Dann sorgt der Bestatter dafür, dass der oder die Verstorbene ins Krematorium kommt. Und in dem Moment kommt der Seebestatter ins Spiel. Das bedeutet, dass in der Regel unser Auftraggeber nicht die Privatperson ist, sondern das Bestattungshaus. Und wir setzen die Wünsche der verstorbenen Person um. Wollte sie in der Nord- oder Ostsee beigesetzt zu werden? In welchem Hafen? Welche Seeurne, welcher Blumenschmuck soll es sein? Brauchen die Angehörigen eine Unterkunft? Das organisieren wir alles. Ja, und wir fordern die Aschenkapsel beim Krematorium an. Und die Aschenkapsel wird dann in die Seeurne umgebettet.

Woraus besteht so eine Seeurne?
Aus einer Mischung aus Gips und Salz. Das wird in Formen gepresst, ist auch relativ stabil, muss sich aber zwischen 24 und 48 Stunden am Meeresgrund vollständig zersetzen. Sobald es mit Wasser in Berührung kommt, beginnt dieser Zersetzungsprozess. Deswegen ist auch das Bild, das man häufig hat von einer Seebeisetzung hat – die Urne kommt ins Wasser, geht auf und die Asche verstreut sich im Meer – nicht ganz stimmig. Eigentlich ist es eher so, dass die Aschenkapsel auf den Meeresgrund sinkt, sich dort langsam zersetzt, auflöst und dann der relativ schwere Aschehaufen, der dann am Boden liegt, so langsam von den Sedimenten zugedeckt wird. Eigentlich ist das ein ganz schönes Bild, weil es letztlich bedeutet, dass man in dem Element beigesetzt wird, in das man gerne wollte, nämlich dem Wasser. Und dann aber quasi wie mit einer Decke von dem Meeresboden zugedeckt wird.

Können Sie uns den Unterschied zwischen einer begleiteten und einer stillen Beisetzung beschreiben?
Der Grundablauf ist immer gleich. Die Aschenkapsel kommt zu uns, sie wird in die Seeurne umgebettet, und geht dann auf’s Schiff. Der Unterschied zwischen stiller und begleiteter ist aber recht einfach. Bei der stillen Beisetzung fährt niemand mit. Der Bestatter, die Angehörigen kriegen vorher einen Termin genannt, wann das Schiff ausläuft. Dann werden mehrere Seeurnen mehr oder weniger gleichzeitig beigesetzt. Das heißt es wird ganz buchstäblich gesammelt über einen bestimmten Zeitraum und dann gehen schonmal sechs, sieben Urnen nacheinander ins Wasser. Und bei der begleiteten Seebestattung fahren eben Angehörige mit. Dann ist eben nur eine Familie, nur diese Angehörigen an Bord und niemand sonst. Das macht sich auch logischerweise im Preis bemerkbar.

Was sind die Gründe, sich für eine stille statt einer begleiteten Beisetzung zu entscheiden?
Gründe sind es so viele wie es Menschen sind. Es kann sein, dass die Leute schlicht zu alt sind um sie zu begleiten. Wir fotografieren das dann für die Angehörigen, dann kriegen sie ein Foto von der geschmückten Urne auf dem Schiff. Finanzielle Gründe können eine Rolle spielen. Ob das Geld ganz einfach nicht da ist oder – und das muss man auch mal ganz klar sagen – ob man schlicht nicht für Onkel Hermann, den man sowieso nicht so gerne mochte, nicht so viel Geld ausgeben möchte. Gibt’s auch. Keine Zeit ist traurigerweise durchaus auch ein Grund. Manche Angehörig werden richtig sauer wenn wir eine Fahrt absagen müssen. „Wissen sie, was sie mir damit antun, Herr Methner?!“ Ja, weiß ich. Ganz sicher ist aber, dass wir Windstärke 7 haben und nicht fahren. Wir bieten eine Naturbestattung an, wir sind auf Wind und Wetter angewiesen. Das ist aber nicht jedem immer verständlich.

Ist bei der Beisetzung ein Pfarrer anwesend? Kann man sich das wünschen?
Es ist fast alles möglich. Das Schiff steht den Angehörigen in den zwei Stunden, die sie es gebucht haben, vollständig zur Verfügung. Was dort an Bord geschieht, ist den Angehörigen letztlich selbst überlassen. Und wenn Christen einen Pfarrer dabei haben wollen, bekommen sie den. Aber grundsätzlich hält der Kapitän immer eine Rede nach seemännischem Brauch. Das ist eine sehr kurze Rede, sie nimmt nicht Bezug auf das persönliche Leben des Verstorbenen. Es ist Brauch, dass eine Persönlichkeit von Bord verabschiedet wird mit dem entsprechenden seemännischen Zeremoniell. Es ist vollkommen unerheblich, ob es jetzt ein Christ, Buddhist, Atheist oder was auch immer ist. Wir haben zum Beispiel einige Buddhisten, da die in fließenden Gewässern beigesetzt werden möchten. In Fließgewässern, sprich in Flüssen, beigesetzt zu werden ist in Deutschland nicht möglich. Dann muss man halt irgendeinen Kniff finden. In diesem Fall ist es dann zum Beispiel so, dass wir vor Travemünde beisetzen, weil die Beisetzposition außerhalb der Drei-Meilen-Zone genau etwa in der Mündung der Trave liegt. Die Trave mündet da in die Ostsee, sodass also der fließende Fluss in seinem Delta ins Meer hinausgeht.

Was raten Sie den Angehörigen in Bezug auf die Planung der Bestattung?
Sie setzen ihren wahrscheinlich geliebtesten Menschen bei mit dem sie Jahrzehnte zusammen gewesen sind. Machen Sie genau das, wo Sie glauben, der hätte Spaß daran. Und das passiert auch tatsächlich. Die Bandbreite ist einfach gewaltig. Von Leuten, die mit Klampfe an Bord kommen, die Akkordeon spielen, die unten sitzen ordentlich Skat dreschen, die weinend einfach nur draußen stehen, eine Zigarette nach der nächsten rauchen und ins Wasser gucken. Wir haben auch letztes Jahr – das war fast das Skurrilste – Leute gehabt, die sich einer germanischen Naturreligion angehörig fühlten und dann einen Lichtertanz an Bord gemacht haben. Die waren ein bisschen traurig, weil sie an Bord keine Kerzen anmachen durften, weil wir an Bord kein offenes Feuer haben dürfen. Mit LEDs war das irgendwie ein bisschen doof (lacht).

Kann jeder eine Seebestattung buchen? Man muss keine bestimmte Beziehung zum Meer haben?
Es ist so, dass bis vor etwa 40 Jahren tatsächlich nur Leute im Meer beigesetzt werden durften, die eine Beziehung zum Meer hatten. Häufig die klassischen Berufsbilder: jemand von der Werft, Fischer, Marine-Angehörige. Und dann wurden die Gesetze angepasst, um es jedem zu ermöglichen. Und das genau ist auch der Zeitpunkt, wo dann tatsächlich hauptberufliche Seebestatter in Erscheinung traten, unter anderem auch unsere Reederei.

Wird der Name der verstorbenen Person nach der Bestattung irgendwo an Land angeschrieben?
Bei uns nicht. Es gibt durchaus Gesellschaften, die haben an Land Stellen oder irgendeinen Raum, wo man Plaketten annageln kann. Wir möchten das gerne haben, ist aber immer nicht ganz so einfach, weil immer die Frage ist, ob die Kommune Platz dafür zur Verfügung stellt. Aber natürlich ist es richtig, bei einer Seebeisetzung ist es eben nicht so wie auf einem klassischen Friedhof, dass eben jemand hingehen kann um eine Blume hinzulegen und Zielsprache zu halten. Einmal im Jahr bieten wir Gedenkfahrten an, das heißt da wird ein richtig großes Schiff von uns gechartert und das fährt dann raus auf die Beisetzpositionen. Was die Familie abgesehen davon immer machen kann, sie kann das Schiff selber chartern. Das heißt sie würde genauso einen Termin ausmachen wie für eine Beisetzungsfahrt, würde genauso raufahren auf die Position, aber natürlich würde auch hier dann nur eine Familie mitfahren. Dem Verstorbenem zu gedenken, das ist den Leuten selbstverständlich wichtig. Wir hatten letztes Jahr zum Beispiel einmal den Fall, wo eine Dame zwei Stunden vor Abfahrt gesagt hat, sie möchte doch keine Seebeisetzung haben, weil sie plötzlich festgestellt hat, dass sie ihren Gatten dann ja nie wieder am Grab besuchen kann. Das passiert. Aber man kann es auch so sehen: Wenn ich jemanden in der Ostsee beisetze, sobald ich einen Fuß in die Ostsee setze, bin ich irgendwie auch wieder bei Opa.

Interview: Milena Bialas und Vanessa Jürcke

Foto: Steve Corey: The Two Fishermen, unter CC BY-NC-ND 2.0

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