Gesellschaft
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An die Glosse

Wie lange dauert es, eine Glosse zu schreiben? Also schon lang, wenn man als allererstes mit der Glosse Frieden schließen muss.

Ah, da bist du wieder. Du weißes Blatt Papier. Du fiktives, weißes Blatt Papier. Bis du gedruckt wirst, existierst du nicht. Ohne Papiere ist man ein Niemand, auch wenn man theoretisch selbst ein Blatt Papier ist. Seit einer Stunde beobachte ich dich, schmucke dein Weiß mit kleinen Buchstäbchen aus, mit rhythmischen tac tac tac tac tac tac lösche ich die Ergebnisse meines Bewusst- oder Nichtbewusstseinsstroms. Und wieder von neuem das Gleiche.

Du Glosse, dieses Blatt fiktives Papiers ist nicht groß genug für uns beide. Und du sagst jetzt dass mein Wortschatz nicht groß genug ist um dich zu duellieren. Ich reibe die Augen. Ich bin schon müde. Eine kleine Pause für das Horoskop. „Lieber Steinbock, dein Intellekt ist heute nicht scharf.“ Danke schön, habe ich schon gemerkt. Die Musen sind nicht da, die Inspiration kommt nicht, sind die Sterne auch gegen mich…?

Zurück zu dir, Glosse, du Ursache meiner Frustration. Ja, du bist keine einfache Gegnerin, das weiß ich schon. Du wirfst mir den Fehdehandschuh hin. Ha! Du schlägst dich aber mit deinen eigenen Waffen. Jetzt wirst du selbst zur Sache dieser Glosse, du Glosse. Jetzt schreibe ich nicht mehr gegen dich, sonder an dich und dank dir. Jeder Zweifel, den ich von dir bekomme, wandelt sich und wird ein Impuls. Jetzt tauche ich in die Artikel, in die Synonyme, in die Bedeutungen und Wendungen. Hier ist Papier, hier ist meine Aussprache nicht wichtig, hier habe ich die Möglichkeit, einen Fehler zu machen und nur wir werden das wissen, du und ich, Glosse. Und plötzlich, langsam aber sicher, fließen die Wörter, ein Wort nach dem anderen, der, die, das, wieder die, Nominativ, Akkusativ, Dativ, egal, ich weiß was ich nicht weiß und ich weiß ganz bestimmt, dass du mich verstehst. Du willst mich doch verstehen.

Du sagst, dass ich die Schlacht gewonnen habe? Oh, du Glosse, es ist nie eine Schlacht gewesen. Eine schwierige, aber interessante Aufgabe, würde ich eher sagen. Und was für ein schönes Wort – eine Herausforderung.

Was? Du sagst, dass ich viel zu viel Zeit gebraucht habe, um zu dieser Konklusion zu kommen?  Die Entwicklung braucht doch Zeit und Geduld, Glosse.

Guck mal, dieses Blatt ist nicht mehr leer und weiß.

Foto: Daria / epicantus: Epicantus unter CC BY 2.0

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