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Völlig losgelöst


Ein Album, das klingt wie ein akustischer Weltraumtrip. Ein Produzent, der sich um nichts weniger schert, als Genregrenzen und Konventionen. Ein Zuhörer, der das alles erstmal verkraften muss. The Emperor Machine und sein viertes Album sind eine Herausforderung.

Ein Raumschiff landet. Synthies hängen in der Luft wie dichte Rauchschwaden, ein staubtrockener Beat bahnt sich seinen Weg durch die Nacht, eine betörende Frauenstimme erklingt aus dem Off und die Ladeluke öffnet sich. The Emperor Machine stapft in seinem silbrigen Retro-Raumanzug aus seinem Gefährt und überreicht der Welt seine neue Platte.

So oder so ähnlich muss es sich zugetragen haben als der Brite Andy Meecham Ende Mai sein Album „Like a machine“ veröffentlichte. Herausgekommen ist eine verschrobene Platte, die sich irgendwo zwischen Future Funk, Disco Dub und minimalistischem HipHop bewegt. Mastermind Meecham ist seit Anfang der Neunziger in Sachen Beatbastelei unterwegs. Grenzen kennt der Mann keine. Remix-Arbeiten für Daft Punk, Moby oder Röyskopp gehen in seiner Biografie einher mit völlig irrwitzigen Funkexperimenten, die niemals ihren Weg in den Mainstream finden würden.


Schraubt gerne an alten Maschinen rum: The Emperor Machine

Auf „Like a machine“ kann das dann sowohl nach digitalen Disconummern, träumerischem Frauengesang oder athmosphärischen Soundteppichen klingen. „So.Ma.So“ beginnt wie Billie Jean, nimmt auf dem Weg eine stoische Bassline mit, um in futuristisch-überschnappenden Synthiespielereien zu enden. „Voices“ lässt das Raumschiff zunächst im Afro-Beat landen um dann mit schrägen Funkgitarrenlicks und der geheimnisvollen Stimme von Michelle Bee in allerschönster Hipstermanier wieder abzuheben. Überhaupt dieser Gesang: Die wohl poppigste Nummer „Hey!“ überzeugt mit astreinem House und einer eingängigen Hookline. Ohne Frage der größte Hit auf „Like a machine“. In einer gerechten Welt findet so etwas den direkten Weg in die Sets der Plattendreher dieser Erde. Und dann wäre da noch „RMI is all I want“, das auch schon von Produzentenlegende Erol Alkan neu aufgelegt wurde. Eine etwas schnellere HipHopnummer, bei der Meecham auf intelligente, sehr progressive Art und Weise Beatschicht um Beatschicht auf- und wieder abträgt und dabei aber nie die sture Bassline vergisst. Die hält, nicht nur bei diesem Song, alles zusammen und gibt das Rückgrat für dieses Discobiest.

„Like a machine“ ist verschroben und eingängig zu gleich. The Emperor Machine schenkt der Welt ein Album, das sie fordern wird. Doch am Ende wird alles gut werden. Dank Glitzer-Raumanzügen, einer Menge Pop-Appeal und der Gewissheit, dass die Imperatorenmaschine einen exakten Plan vefolgt: Ein buntes, surreales Imperium zu erschaffen, das mächtiger wird, je weiter man an den Rand kommt.

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Kategorie: Musik

Julian Zwingel

Neuköllner mit fränkischem Migrationshintergrund. Geboren Mitte der 80er in Nürnberg. Kulturell sozialisiert durch Montessori-Schule, die elterliche Plattensammlung und den 1.FC Nürnberg. Mit 15 beim Jugendradio Free Spirit, mit 18 bei Radio Z, mit 22 Flucht nach Berlin . Vernunftsstudium der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin und Werkstudent bei ZEIT Online, danach Leidenschaftsstudium an der UDK. Seitdem: Keine Kompromisse mehr. Nebenberuflich Teil des DJ-Projekts The Carlson Two und Autor bei electro-swing.com

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