Musik
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How to sleep well mit Liebeskummer

Tom Krell alias „How to dress well“ hat ein neues Album rausgebracht. Ein Geheimtipp für Leute, die Probleme beim Einschlafen haben. Oder in der Liebe.

„What is this heart“ lautet der Titel von Tom Krells neuem Album. „What is this at all?!“ fragt man sich beim Zuhören. Die Songs sind aber nicht schlecht. Als natürliches Schlafmittel. Krell hat eine äußerst sanfte Stimme. Die ist viel gesünder als Baldrian oder Bachblütentrunk. Die melodische Untermalung erinnert teils an Aufziehtiere, die Eltern ihren Kleinkindern zum Schlafen ans Bett legen. Für guten Schlaf ist also gesorgt. Krell selbst erwacht im Verlauf seines Albums aus dem Tiefschlaf. Anscheinend mit schweren Schlafstörungen und Albträumen, aber immerhin.

Nach und nach werden die Songs lauter und lebhafter. Damit keine Langeweile beim Hören aufkommt, hat man sich einen Geheimtipp aus der Geisterbahn abgeguckt: Stimmen verzerren. Gruselig. Wenn auch nur halb so gruselig wie Krells Texte. Krell alias „How to dress well“ (das geht anscheinend als Name durch) ist studierter Philosoph. Daher also die tiefgründigen Sätze. „Ya know I love ya, Baaaaby.“

Krell ist so schrecklich intim und ehrlich gefühlvoll in seinen Songs, dass es schwer ist, hinzuhören. „I don´t have the power“ stöhnt er. Stimmt leider. Als powerful kann seine Stimme nicht gerade bezeichnet werden. Singen kann er zwar, das steht außer Frage. Aber dieses Album hat zu viel von allem. Paukenschläge. Dramatische Geigenklänge. Bleibt nur zu hoffen, dass Krell gerade nicht auf einer Brücke steht. Die Dynamik seiner Stimme klingt beruhigenderweise eher so, als würde er mit einem Hagebuttentee, einem Jane Austen Roman und einer Vorteilspackung Taschentücher im Bett liegen. Gerade mal 29 Jahre alt ist Krell. Und schon so viel Weltschmerz in der Stimme. Die immer wieder klingt, als würde sie den hohen Tonlagen nicht standhalten, als würde sie brechen. Man möchte ihn trösten. Ihm ein Kinderpflaster mit fröhlichem Dinomotiv für die leidende Stimme geben und dann pusten, bis der Schmerz davon fliegt.

Wolfsrudelgeheul als Leitmotiv

Teilweise wird Krell aber auch richtig wild. Da geht’s richtig zur Sache. Da wird mit den Fingern geschnipst. „You don´t have to call me“ singt Krell. War auch nicht vorgesehen. Besonders schön: der Song „Words I don´t remember.“ „You know there´s only one thing on my mind“, haucht Krell. Hätte er nicht erwähnen brauchen. Das ist offensichtlich. Vielleicht sollte er sich mal das Dschungelbuch ansehen. Eine Runde mit Balu singen anstatt Frauen nachzuweinen. Bevor seine Lieder zum Standard – Repertoire auf Beerdigungen werden. Eventuell müsste Krell auch nicht so viel Liebeskummer in seiner Musik verarbeiten, wenn er sein Baby mal beim richtigen Namen nennt. Dieses immer wieder kehrende „Babe“ und „My precious love“ in seinen Songs. Das erträgt niemand auf Dauer. Genau so wenig wie das Leitmotiv seiner Musik: Wolfsrudelgeheul.

Und dennoch: Krell wegen seines emotionsgeladenen Albums böse zu sein, ist schwer. Er ist einfach ein sehr emotionaler Mensch. Mit sehr viel Liebeskummer. Es ist wie mit der Freundin, die jeden Tag anruft und sich über den Freund ausheult. Es tut einem Leid. Und irgendwie ist es auch verständlich. Und tragisch. Aber schön anzuhören ist es nicht.

Foto: Flickr.com

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Kategorie: Musik

Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Hildesheim in einem Dorf, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Offen für andere Kulturen habe ich mein Studium der Medien und Kommunikation im Freistaat Bayern (Augsburg) und dann ein Semester in den Vereinigten Staaten von Amerika (Washington DC) verbracht. Währenddessen Praktika bei allem, was mir Spaß macht: in Print-, Fernseh-, Online- Redaktionen und bei einer Produktionsfirma. Meinen Berufswünschen aus einem Freundschaftsbuch der dritten Klasse kann ich nur zustimmen. Weise vorausschauend hatte ich auch damals schon einen Plan C für eventuelle Medienkrisen: „Schriftstellerin, Reporterin oder Schweinezüchterin.“

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