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Dienen ohne Zwang

Die Hundeleine als Symbol der Beherrschung im Kontext des Devotismus.

„Männlich 24, sucht Herrin, die mich bestraft, wenn ich nicht gehorche.“ So sieht eine der Internetanzeigen von Michalis Sagakis* aus, denn er ist devot.

1993 wurde Michalis in Syrien geboren und kam vor zwei Jahren nach Deutschland, weil er aus seiner Heimat flüchten musste. Frei sein ist für Michalis nicht selbstverständlich. Aus diesem Grund gestaltet er sich sein Leben, wie es ihm gefällt. Frei von religiösen Zwängen und gesellschaftlichen Vorurteilen. Doch seine Privatsphäre ist ihm wichtig. Seine Freunde und Mitbewohner wissen nichts von seiner Neigung. Claudia Auerbach hat Michalis in seiner Wohnung getroffen und mit ihm über den Reiz, Beziehungen und wie Hausputz plötzlich aufregend werden kann gesprochen:

Kulturschwarm: Wann hast du gemerkt, dass du devot bist?
Michalis:
Also eigentlich habe ich das gemerkt, als ich 12 Jahre alt war. Damals hatte ich das Gefühl, dass ich es mag, für Frauen ein Sklave zu sein. Ich finde es zum Beispiel gut von Frauen geschlagen zu werden. Aber damals dachte ich auch, dass ich krank bin oder so. Ich habe es noch nicht verstanden.

Wann hast du gemerkt, dass es etwas Normales ist und du nicht krank bist? Eigentlich mit 18 oder 19. Ich habe dazu was im Internet gesucht und habe erfahren, dass viele Frauen und Männer genauso sind wie ich. Ab dem Zeitpunkt verstand ich, dass ich nicht krank bin.

Was gefällt Dir daran, devot zu sein, beherrscht zu werden?
Ich fühle mich wie zu Hause, ich kann meine ganzen Probleme vergessen, ich fühle mich wie im Himmel.

Bist du gerade auf der Suche oder hast du derzeit eine Herrin?
Derzeit habe ich keine Herrin, ich suche noch eine Neue.

 Und wie lief es in deiner letzten Beziehung? Wie hast du sie kennengelernt?
Ich habe sie im Internet kennengelernt. Es waren sogar zwei Frauen – ein lesbisches Paar. Die beiden sind aus den USA gekommen und haben hier ein Semester studiert. Sie hatten noch keine Erfahrung in der Sache. Aber ich habe ihnen dann geschrieben und ihr Interesse geweckt. Wir haben es dann versucht und es hat ihnen gefallen. Wir haben uns ungefähr dreimal die Woche gesehen und ich bin dann immer zu ihnen gefahren. Ich habe dann für sie geputzt, eingekauft, die Schuhe geputzt und ihre Füße massiert. Ich habe beide angebetet wie Göttinnen. Nach 5 Monaten sind sie aber wieder in die USA zurückgegangen, um dort weiter zu studieren.

Und wenn du die Aufgaben nicht erfüllt hast, sah die Bestrafung wie aus?
Wenn ich meine Aufgaben nicht gut oder gar nicht erfüllt habe, dann musste ich zum Beispiel ihre Füße oder Schuhe lecken. Sie haben mich auch gepeitscht und geschlagen und mir Ohrfeigen gegeben. Manchmal lag ich auf dem Boden und sie sind mit ihren Füßen auf mein Gesicht gestiegen und ich musste ihre Füße dann küssen und sowas.

Was gefällt Dir mehr, die Aufgaben zu erfüllen oder ist die Bestrafung der eigentliche Reiz?
Ganz ehrlich: beides. Denn manchmal mache ich die Aufgaben nicht, damit ich die Bestrafung bekomme. Und umgekehrt. Ich mag beides. Ich mag es, wenn meine Herrin ihre Füße auf mich legt und ich an einer Leine bin, wie ihr Hund. Oder sie im Bett schläft und ich daneben auf dem Boden liegen muss. Es geht auch nicht zwingend um Sex. Ich möchte ihr Sklave sein, ihr dienen. Und wenn wir uns näher kennenlernen, kann es auch intim werden.

Hast du erst hier in Deutschland angefangen solche Beziehungen zu führen oder hast du auch schon in deiner Heimat deine Erfahrungen mit Devotion gemacht?
Nein, erst seit ich in Deutschland bin. In Syrien ist dieses Thema illegal und die Leute können das eigentlich nicht verstehen. Und davor hatte ich Angst. Es gibt in Syrien Leute, die homosexuell sind und wenn sie gesehen werden, gehen sie aufgrund der Regierung ins Gefängnis. In den Städten, die während des Krieges unter der Regierung sind, können die Leute homosexuell sein, ohne dass sich die Regierung dafür interessiert, weil sie nicht alles gleichzeitig kontrollieren und beobachten können. Aber in Städten unter ISIS werden die Homosexuellen getötet. Also die Leute, die devot sind, würden viele Probleme haben.

 Du sagst, dass du niemandem davon erzählst, weil es dein Privatleben ist. Hängt es nur damit zusammen gibt es noch andere Gründe?
Keiner meiner Freunde weiß das. Das ist für mich geheim, vielleicht ist es peinlich und nicht jeder kann das verstehen. Aber hier habe ich keine Angst und schäme mich dafür nicht. Jetzt akzeptiere ich mich, so wie ich bin. Es gibt ja viele Leute, die so sind, wie ich.

Könntest du Dir auch vorstellen, später mal zu heiraten?
Ich glaube, ich werde nicht heiraten. Ich glaube, man kann mittlerweile auch so glücklich sein! Meiner Meinung nach ist eine Hochzeit nur auf dem Papier. In meiner Heimat muss jeder heiraten, weil es etwas mit Religion zu tun hat. Ich finde, wenn man heiratet, ist man gefühlt wie im Gefängnis. Dann kann ich nicht mehr alles machen, wie in den Club gehen, Freunde treffen, Party machen und so was.

 Aber devot zu sein ist ja eine Form der Unterwerfung und deine Herrin hat somit die Kontrolle über dich. Warum gefällt Dir diese Kontrolle und Verpflichtung?
Wenn ich devot bin, bin ich nur für meine Herrin ein Sklave und kann so viele haben wie möglich. Aber wenn ich heiraten würde, kann ich das alles nicht mehr machen. Es gibt in meiner Heimat eben Traditionen. Dann trage ich Verantwortung für eine Familie.

Fühlst du dich denn in Berlin zu Hause? Oder brauchst du dafür eine Herrin?
Ich mag Berlin. Ich fühle mich in Berlin auch zu Hause. Allerdings habe ich bisher noch nicht meinen eigenen Frieden gefunden, was daran liegen mag, dass ich noch keine neue Herrin gefunden habe.

Text: Claudia Auerbach, Danny Mahlig

Foto: „Hundleine“ von Markus Jaschke/Flickr unter CC BY-NC 2.0

* Der Name des Protagonisten wurde geändert und ein lizenzfreies Foto gewählt, da der Protagonist um Anonymität bat.

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Kategorie: Audio, Gesellschaft

Claudia Auerbach

Claudia Auerbach hat in Hannover Journalistik studiert und als selbstgewählten Schwerpunkt das Fernsehen auserkoren. Wohl, um dem eingestaubten Medium einen neuen Look zu verleihen, denn sie liebt bildgewaltige und opulente Filme sowie intime Porträts inspirierender Menschen. Der perfekte Tag steht ganz im Zeichen des Genießens, beginnt mit einem ausgedehnten Frühstück, einer kulinarischen Reise kiezfeldein durch die Berliner Lokale und endet mit einem spritzigen Drink auf der Tanzfläche. Die Leidenschaft für Mode hat sie sich als kleines Mädchen mit tellergroßen Augen bei ihrer Mutter abgeguckt.

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