Gesellschaft
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Ein Stück Heimat in der Hasenheide

Die Hasenheide in Neukölln - Erholungsgebiet, Heimat, Drogenumschlagsplatz

Der Volkspark Hasenheide ist seit Jahren bekannt als einer der größten Drogenumschlagsplätze Berlins. Anwohner beschweren sich zunehmend, die Polizei bleibt nahezu erfolglos. Doch sind die Dealer dort wirklich die skrupellosen afrikanischen Bürgerkriegskinder, für die sie so oft gehalten werden?

Es ist grau. Nieselregen und kalter Wind machen diesen kalten Dezembersonntag ziemlich ungemütlich. In der Hasenheide laufen vereinzelt Jogger, einige andere sind mit ihren Hunden oder Kindern spazieren. Und dann sind da noch die, deren Spaziergang nicht der Entspannung oder dem Wohlbefinden, sondern nur einem Zweck dient: dem Drogenkauf.

Wenn die Büsche rascheln

Vereinzelte afrikanisch-stämmige Männer, jungen bis mittleren Alters stehen auf den gepflasterten Wegen, sitzen auf den Bänken. Eine größere Gruppe, vielleicht sechs oder acht, haben sich in die Büsche zurückgezogen. Sie lehnen eingepackt in dicke Jacken und Mützen an Baumstämmen. Geht man an ihnen vorbei, grüßen sie freundlich oder beachten einen nicht. Ein Hund versucht sich, an einer Plastiktüte mit Plätzchen zu schaffen zu machen, die vor ihnen auf einem Baumstamm liegt – sie lachen, keine Spur von Zorn oder Aggressivität.

„Die meisten von uns suchen Arbeit“

Ich gehe zu der Gruppe. Ein etwas kleinerer, farbiger Mann kommt langsam auf mich zu. Er hat ein freundliches Gesicht. Ob sie mir ein paar Dinge erklären könnten, frage ich, erkläre, wer ich bin und dass ich gerne etwas über sie schreiben wolle. Er hört aufmerksam zu, fängt dann an, den anderen etwas auf Swahili zu sagen. Ein anderer aus der Gruppe nähert sich uns jetzt, noch jünger, vielleicht 18 Jahre. „Sagen sie ihm das noch mal“, sagt der kleine Mann. Er hatte mich nicht ganz verstanden. Ich erkläre mein Anliegen noch mal. „Haben sie mit irgendwem Stress?“ fragt mich der Junge. „Nein“, sage ich, „mit wem sollte ich Stress haben? Ich möchte nur mal eure Seite der Geschichte hören.“

Der Rest der Gruppe ruft etwas in der Sprache, die ich nicht verstehe. „Können wir ein Stück spazieren gehen?“, fragt der Junge daraufhin. „Natürlich“, sage ich. Mit langsamen Schritten gehen wir im Kreis um das Gebüsch herum. Malik kommt aus Somalia, ist seit zwei Jahren in Deutschland und geht hier zur Schule. Er fragt mich Dinge wie „was ist eine Privatperson?“, da er solche Ausdrücke nicht kennt, spricht aber sonst sehr gutes Deutsch, jedenfalls dafür, dass er erst seit zwei Jahren in diesem Land lebt. „Wir kommen alle aus Krisenländern, von Ost- bis Westafrika“, sagt er, „alle hatten Bürgerprobleme“. Malik kommt nur am Wochenende in die „Heide“, um sich etwas Geld dazuzuverdienen. Er wohnt in einem Heim, von dem er nicht genau sagen kann, was für ein Heim das genau ist. Dort kann er essen und schlafen. Sein „Taschengeld“, das auch für Kleidung und Hygieneartikel reichen muss, ist ihm zu wenig. „Das sind 200 Euro und etwas. Davon kann man nicht gut leben“, sagt er und fügt ein fragendes „oder“ hinzu. „Die meisten von unseren Leuten hier suchen Arbeit“, beteuert er auf eine Weise, die mir sehr ehrlich erscheint. Die Leute seien außerdem nicht nur wegen des Geldes dort. Sie hätten auch einfach nichts anderes zu tun und wüssten nicht, wohin mit sich. Viele hätten Probleme mit der Sprache und würden vor allem deshalb weder Arbeit noch Anschluss finden.

Auf sich allein gestellt

Indem er kurz stehen bleibt, signalisiert er mir, dass er wieder zurückgehen möchte. Zuletzt frage ich ihn, wie es um den Streit mit den rivalisierenden Arabern stünde, der seit Jahren immer mal wieder entflammt. „Dazu habe ich keine Antworten“, sagt er ruhig aber bestimmt. Er könne aber sagen, dass sie alle etwas gegen Aggressivität und Brutalität hätten. „Wenn hier jemand mal aggressiv ist, zu den Menschen, die hier laufen oder kaufen, dann weisen wir den schon zurecht. Das wollen wir nicht, das ist auch unnötig.“ Malik und die anderen wollen „einfach nur etwas dazu verdienen und etwas zu tun haben“. Auf die Frage, ob er auch Geld zu seiner Familie nach Somalia schicken würde, oder Familie hier habe, die er unterstützen müsse, antwortet er abgeklärt, aber doch nicht ungerührt: „Ich habe keine Familie. Ich habe niemanden. So geht es den meisten hier. Und wie soll man auch eine Familie gründen, wenn man nichts hat und wahrscheinlich in der Zukunft auch nichts haben wird?“

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