Kunst
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Ein Ort, der Geschichte(n) erzählt

Der Breitscheidplatz fotografiert von Annette Hauschild

13 Stelen. 13 Geschichten. Der überschaubare, quadratkilometergroße von Bäumen und Flutlichtern durchzogene Kieselsteinplatz vor dem Amerika Haus wird während dessen Sanierung zum Ausstellungsort unter freiem Himmel.

Das geschichtsträchtige Gebäude zwischen dem Bahnhof Zoo und einer deutschen Weinhandelskette ist in eine riesige Flagge mit der schwarzen Aufschrift „the place for photography“ gehüllt. Es ist kein Eingang zu sehen. Eigentlich nichts von dem Haus, außer das im Wind flatternde, weiße Tuch. Davor stehen 13 Stelen mit Plakaten auf denen 13 verschiedene Themen behandelt werden. Die rund 150 Fotografien ziehen immer wieder die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich.  Ob Straßenstrich oder Schickeria, Wohnungslose oder Hotelsuitebewohner – 13 Fotografen der renommierten Berliner Bildagentur Ostkreuz stellen hier die großen Kontraste innerhalb des kleinen Stadtteils Charlottenburg dar. Unter dem Motto Ostkreuz-Westwärts zeigen sie in unterschiedlichen Größen, Farbtönen und Schärfeebenen Familien beim Zoobesuch, Künstler im Schaffensprozess, Champagner-Gläser und Rolex-Uhren, sich schlagende Jugendliche oder Obdachlose auf der Straße.

Ein Ort der Gegensätze

Es ist passend, sich diese Gegensätze an einem Ort ansehen zu können, der für genau diese steht – das Amerika Haus. 1953 wurde die Informationsagentur der Vereinigten Staaten gegründet, dessen deutsche Niederlassung das Amerika Haus an der Hardenbergstraße in Berlin wurde, einer der Standorte von dem fortan amerikanische Werte in die Welt getragen werden sollten. Doch diese Werte waren in den Augen vieler Europäer nicht zwangsläufig richtig. Das Land stand in all den Jahrzehnten nicht nur für Demokratie und Meinungsfreiheit und die Geburt der Hippie- und Schwulenbewegung, sondern auch für Rassentrennung, wahnwitzige Kriege und wildgewordene Geheimdienste. Das Amerika Haus war außerdem Teil des von den Amerikanern angestoßenen Ausbildungsprogrammes, das das ihrer Meinung nach hauptsächlich durch die NS-Zeit entstandene Ausbildungsdefizit durch Lehrerveranstaltungen, Fortbildungen und amerikanisches Kulturprogramm ausgleichen sollte. Doch ungefähr zehn Jahre nach der Gründung der Institution fanden zahlreiche Berliner, dass auch die Vereinigten Staaten etwas zu lernen hatten. Vor den Türen des Gebäudes demonstrierten Studenten gegen den Imperialismus. Während des Vietnamkrieges floss Eidotter und Farbe seine Fassaden hinunter. Das Haus wurde zum Brennpunkt und musste regelmäßig von der Polizei abgeschirmt werden. In den folgenden fünf Jahren hatte kaum ein Berliner Demonstrationszug das Gebäude gemieden, bis es zur Zeit des Kalten Krieges zu einem weltmächtigen Symbol wurde.

Zurück in deutscher Hand

Die Amerikaner übergaben das Haus im September 2006 an die Stadt Berlin. Und die Kulturarbeit, die hier einst geleistet wurde, ist auf die amerikanische Botschaft am Brandenburger Tor übergegangen. Diese Institution prägt allerdings kaum die weltoffene Symbolsprache, für die das Haus einst stehen sollte. Sie ist mit ihren extremen Sicherheitsanforderungen wohl eher eine Festung, als ein Ort der Begegnung. Während der Diskussionen um die Verwendung des nun leerstehenden Gebäudes fanden einige Ausstellungen statt, die unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgerichtet wurden. Im Dezember 2012 wurde bekanntgegeben, dass die Fotogalerie C/O Berlin vom Postfuhramt in Mitte in das Amerika Haus umziehen wird, gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Schulleiterakademie.

Fortschreibung der Geschichte

Während der Fotograf Michael Disqué die Umbauarbeiten in den verschiedenen Bauphasen als Stillleben dokumentiert, organisiert die Galerie mehrere Foto-Workshops und -Wettbewerbe für Jung und Alt. So ist Dokumentation und Bildung noch immer allgegenwärtig. Eine erste Eröffnung vor dem Amerika Haus hat bereits im Juli stattgefunden. Etwa 900 Besucher betrachteten hier die historischen Bilder des Gebäudes.

Jetzt bricht für das Amerika Haus ein neuer Abschnitt in der Geschichte an. Im Frühjahr 2014 soll der Umbau abgeschlossen sein. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Mit der C/O Berlin wird es aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht langweilig werden. Und vor allem: international und kulturpolitisch aktiv bleiben. Und das hoffentlich auf hohem Niveau.

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