Gesellschaft
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Wasser!

Sie wollte die Welt entdecken, den etwas besonderen Weg gehen, den lykischen Weg einschlagen. Nicht ganz ohne Probleme geht der Abenteuertrip los, skrupellose Abzocker säumen den Weg und zwischendurch kommt immer wieder die Angst hoch, nicht am Ziel anzukommen.

 

Dieser Weg ist nicht sonderlich geheim. Trotzdem tappen wir gerade einsam der türkischen Mittelmeerküste und dem Sonnenuntergang entgegen. Zumindest auf einer Straße, aber beleuchtet ist die nicht. Im Ort haben wir die Leute gefragt, wie wir am besten auf diese Anhöhe in Küstennähe kommen. Dort wollen wir übernachten und am nächsten Tag den lykischen Weg einschlagen. Etwas Besonderes, aber nicht so besonders, dass man nicht mit dem Bus hinkommt.

Dachten wir. Es fährt aber nichts. Uns wird nur ein “privates” Taxi für viel Geld angeboten. Wir müssen sparen und entscheiden uns fürs Trampen. Das war vor ungefähr zwei Stunden. Jetzt schleppen wir uns diese Straße entlang, an der ab und zu mal eine Schafsherde grast. Ein, zwei Wohnhäuser gab es auch mal, aber aus denen drangen eher skeptische Blicke anstatt aufmunterndes Lächeln. Unsere Zelte können wir hier nicht aufschlagen.

Wir müssen ganz schön lächerlich aussehen, wie wir mit unseren großen Rucksäcken da entlang laufen und versuchen, eines der drei, vier Autos anzuhalten, die in unsere Richtung fahren. Nichts klappt. Unser Ziel ist noch weit weg und die Straße liegt immer dunkler. Wir reden wenig, weil wir sonst ja darüber reden müssten, was hier gerade passiert. Ein Auto kommt – und fährt vorbei. Es wird ungemütlich.

Wir ärgern uns über den Typen im Dorf, der uns nur als europäische Geldscheine gesehen hat. Wir brauchen einen Bösen und das ist er. Das nächste Auto erscheint – und hält an. Der grummelige Dörfler von vor vier Stunden sitzt darin. Wir steigen ein. Er redet nicht mit uns, muss noch in einem anderen Ort ein paar gerupfte Hühner abgeben, dann mit uns die Steilküste hoch. Ich frage mich, ob wir eigentlich verrückt gewesen sind, bei ihm einzusteigen. Nett sieht er nicht aus. Wir sind da. Ein kleiner Schlafplatz im Nirgendwo.

50 Lira bitte. Wir starren ihn an. Unser Reisegeld ist abgezählt. Das ist genau genommen auch unser letztes Geld. Während wir drei nichts sagen und in Gedanken unser gesamtes Erspartes durchzählen, lacht dieser Typ das erste Mal und sagt: Hiçbir şey! Nichts sollen wir ihm geben – nur wenigstens einmal lächeln, weil er extra für uns den ganzen Weg gefahren ist. Wir trinken noch einen Tee zusammen und sehen im Dunkeln schon das Meer glitzern.

Katrin Gottschalk 1war Chefredakteurin für die taz-Beilage “Happy End” – eine Sonderbeilage des Masterstudiengangs Kulturjournalismus an der UdK und ist hier zu erreichen: katrin.gottschalk@udk-berlin.de

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Kategorie: Gesellschaft

Katrin Gottschalk, geb. 1985 in Dresden, hat Kulturwissenschaften studiert und ist Absolventin des 9. Jahrgangs des Studiengangs Kulturjournalismus. Inzwischen ist sie Mitglied der Chefredaktion des Missy Magazine und arbeitet als freie Journalistin für DRadio Wissen, Spiegel Online und die Frankfurter Rundschau.

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