Gesellschaft
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Schluss mit Worten

Psychologin Johanna Müller-Ebert erklärt, warum sich das Gespräch mit dem oder der Ex lohnt.

Frau Müller-Ebert, was ist schlimmer, verlassen zu werden oder Schluss zu machen?
Der Schmerz ist meist genauso groß. Es ist für denjenigen, der sich trennt, nicht grundsätzlich einfacher. Wenn mir jemand sagt, dass er immer verlassen wird, dann frage ich, wie er oder sie seine Partner vertreibt. Wenn eine Person sagt, dass sie es ist, die immer Schluss gemacht hat, kommuniziert sie vielleicht nicht früh genug, dass sie etwas an der Beziehung verändern will.

Sie haben den Begriff „Trennungskompetenz” geprägt. Was ist damit gemeint?
Sie kennen das vielleicht von einer Party. Es gibt Leute, die bleiben bis zum letzten Moment und sind häufig doch frustriert. Und es gibt Leute, die im richtigen Moment gehen und die Party in guter Stimmung verlassen. Ein Trennungskompetenter erlaubt sich, gehen zu dürfen, wenn er genug hat. Er entwickelt Neugierde auf Neues und weiß, dass er dafür etwas Altes hergeben muss. Ich will mit dem Begriff ausdrücken, dass man Trennen lernen kann. Es ist egal, ob man die Trennung aktiv betreibt oder erleidet, man ist dabei immer mit Gefühlen konfrontiert, die bewältigt werden müssen. Wenn man das weiß, dann ist es nicht ganz so schwierig.

Die Trennung als Therapieziel

Es gibt Paare, die sich über mehrere Jahre ständig trennen und wieder zusammenkommen. Woher kommt so eine Unentschlossenheit?
Ich würde das eher Fixierung nennen. Sie glauben, dass es doch irgendwie zu schaffen sein muss. Einen solchen Anspruch kann man auch in anderen Lebensbereichen haben – zum Beispiel, dass man Dinge, die man eigentlich sein lassen sollte, immer wieder zu Ende führen will. Dieses Verhalten folgt dem psychologischen Gesetz zur geschlossenen Gestalt: Der Versuch, etwas Unvollendetes zu vollenden. Das kann natürlich neurotisch entarten, indem ich immer wieder versuche, das, was da schief gegangen ist, zu verändern.

Sie arbeiten als Paartherapeutin. Ist es das Ziel der Paartherapie, die Trennung zu verhindern?
Nein, nicht unbedingt. Das Ziel bestimmen meine Klienten. Ich frage, möchten Sie, dass ich Ihnen helfe zusammen zu bleiben oder auseinander zu gehen? Dadurch kommt schon viel in Gang, weil sich beide überlegen müssen, was sie wollen.

Nur wer sich bindet, kann sich auch trennen

Erkennen Sie, wenn ein Paar sich trennen sollte?
Nein, ich würde den Teufel tun, mich da einzumischen. Das weiß nur das Paar. Ich unterstütze die beiden dabei, sich ihrer eigenen Vorstellungen bewusst zu werden. Und sich zu erinnern, wofür sie ihren Partner früher geliebt haben. Da kommen zum Teil sehr berührende Dinge zum Ausdruck, und wenn da noch Respekt voreinander da ist, dann findet man einen guten Weg auseinander oder einen mühsamen Weg wieder zusammen.

Sind Seitensprünge ein häufiger Trennungsgrund?
Ich finde, wegen eines Seitensprungs braucht man nicht auseinander zu rennen, wenn man sonst eine gute Zeit miteinander hatte. Es lohnt sich, die Kränkung zu verarbeiten, die entstanden ist, um zu schauen, was gefehlt hat. Das ist oft nicht nur der Sex. Häufig versäumen Menschen, die zusammen leben, sich gegenseitig zu würdigen. Als wertvolle Menschen, auch wenn er den Müll stehen lässt und sie ständig mit Freundinnen telefoniert.

Trennen sich Scheidungskinder häufiger?
Wenn die Scheidung anständig über die Bühne gelaufen ist, sehnen sich Scheidungskinder oft nach einer lang andauernden Beziehung. Kinder, die in der Scheidungszeit großen Wirrungen ausgesetzt waren, haben oft kein Vertrauen in eine Beziehung und wagen nicht, sich richtig zu binden. Das ist ein altes Muster aus der Kindheit. Das Kind von früher fürchtet sich vor der Trennung. Wer sagt „ich habe kein Problem mit Trennungen”, hat eher Probleme, sich zu binden. Wer sich nicht wirklich bindet, der kann sich auch nicht richtig trennen.

Per SMS Schluss machen, ist das in Ordnung?
Wenn sich jemand feige davonschleicht, wird das als ungerecht empfunden. Dem anderen wird die Möglichkeit genommen, etwas dazu zu sagen. Sich mit einer Trennung auseinander zu setzen, gehört auch zum Prozess der Loslösung. Das ist für einen Neuanfang wichtig, andernfalls laufen Sie Gefahr, frühere Probleme mit in die neue Beziehung zu schleppen.

Was sollten sich Trennende beachten?
Eine Trennung ist ein Übergang. Entweder zu einer neuen Beziehung oder dazu, die Dinge neu auszuhandeln. Es ist wichtig, verzeihen zu können – das heißt nicht, zu vergessen, was passiert ist. Wenn Sie sich von jemandem trennen, brauchen Sie sich nicht davon zu trennen, dass Sie diesen Menschen einmal geliebt haben. Das ist eine Wertschätzung für sich selbst und für den anderen. Ansonsten schneiden Sie sich selbst einen Teil Leben ab.

Das Gespräch führte Lena Abushi

Foto: Lena Abushi

 

Info: Johanna Müller-Ebert ist als Psychotherapeutin tätig. In ihren Büchern, wie „Wie Neues gelingt – Die vier Schritte zur Veränderungskompetenz“ (Verlag Kösel, 2014) oder „Trennungskompetenz in allen Lebenslagen“ (Kösel 5. Aufl. 2014), beschäftigt sie sich mit der Verarbeitung von Trennungen und Veränderungen.

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