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Des Westens neue Kleider

Lizenzieren NamensnennungKeine kommerzielle NutzungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von: reenoreluv / flickr.com

Das Bikini-Haus eröffnet nach dreijährigen Umbaumaßnahmen seine Türen – doch leider nicht zur Vergangenheit.

Seit ich hier wohne, stand dort immer ein Gerüst und darüber hing eine Plane, die keinen Blick gewähren ließ. Jetzt ist also beides weg, das Bikini Berlin ist offiziell eröffnet und soll den Westen wieder so richtig hip machen. „Du wirst sehen, der Westen kommt wieder“, höre ich meinen Vater sagen, und in seiner Stimmt liegt sie, diese hoffnungsvolle Sehnsucht.

Als junger Student vom Dorf in die Stadt, eine damals noch günstige Wohnung inmitten von Charlottenburg angemietet, und täglich über den Kudamm gebummelt, als wärs die Champs-Élysées. Leben, als könnte man es sich leisten. Wenn mein Vater von den schönen Zeiten des Westens erzählt, während wir am S-Bahnhof Zoo aussteigen, kann ich nicht anders als mit dem Kopf zu schütteln. Denn wenn man ehrlich ist: Sobald man den Bahnhof verlassen hat, ist „schön“ erstmal die letzte Assoziation, die man ausspricht.

Weiter mit dem kastigen Bauen

Alles scheint grau und dreckig und viel zu groß und kastig gebaut, dazwischen schieben sich die Touristen an Kirmes-ähnlichen Ständen vorbei und machen Fotos, weil man das eben so macht, wenn man schonmal hier ist. Schöne Motive aber, gibt’s hier nur wenige. Und was macht man mit so einer Gegend, die einmal so beliebt und belebt war?

Man macht einfach weiter mit dem großen und kastigen Bauen. Zuerst stand da das Waldorf Astoria Hotel, dann wurde der Zoopalast wieder eröffnet und jetzt ist es also wieder da, das Bikini-Haus – einst beliebtes Einkaufs-und Kulturzentrum, bevor es dank 90er-Trash-Charme zerfallen ist. Ich erinnere mich an diese Zeit und diese kleinen, dunklen Läden, als ich Berlin zum ersten Mal besucht habe.

Doch mit all dem ist jetzt Schluss. Neu-Eröffnung, neues Glück. Das Bikini Berlin soll jetzt eine sogenannte „Concept Mall“ sein und damit alles andere als ein gewöhnliches Einkaufszentrum, denn davon hat die Stadt nun wirklich genug. Und tatsächlich ist hier alles ein bisschen anders. Kein billig quietschender Boden, kein Pommes-Geruch und kein „Dänisches Bettenlager“ im Obergeschoss.

Und wo bleibt der Charme?

Stattdessen ist das Bikini ein Querschnitt des Berliner Stils. Im oberen Geschoss hat sich Modemogul Andreas Murkudis eingemietet, darunter reihen sich größere Labels und kleinere Namen und im Erdgeschoss gibt es dann die sogenannten (und so gebauten) „Boxes“, in die sich Jungdesigner und andere Visionäre für eine zeitlang einmieten können.

Und weil auch eine moderne „Concept Mall“ wohl doch nicht ohne Supermarkt und Technik-Riese auskommt, durften auch diese noch mit rein. Guckt man sich die Etagenpläne an, so muss man zugeben: Die Mischung funktioniert. Wäre da nicht das Interieur. Denn das, was das Haus von außen ausstrahlt, ist drinnen gänzlich verloren gegangen: Charme. Betondecken und -böden, übergroße Stahlträger in grün, Scheinwerferlicht.

Alles wirkt ein bisschen zu gewollt und eigentlich noch nicht fertig. Einzig die Panoramafenster und die Dachterrasse mit freiem Blick auf den Affenkäfig, während man seinen Kaffee genießt, lassen einen das Innere ein bisschen vergessen. Vielleicht ist das Bikini Berlin aber auch einfach noch nicht angekommen. Es wirkt ein bisschen verloren. Und überhaupt, für wen ist es eigentlich da? Während man auf der Terrasse verweilt, sichtet man überwiegend Touristen, die sich „dieses neue Ding“ mal angucken wollen. Und ab und an findet man dann die „Mitte Hipster“, die „sich mal in den Westen wagen“, um dann Fotos an ihre Freunde zu schicken, die dem Ganzen noch nicht trauen.

Wie und ob sich das Bikini entwickelt und etabliert, bleibt spannend. Momentan verkündet Center-Manager Ted Walle stolze Zahlen: Bis zu 20.000 Besucher könne man täglich verzeichnen. Zahlen, die den Nostalgikern des Westens gefallen werden. So auch meinem Vater, der die hoffnungsvolle Sehnsucht noch nicht aufgegeben hat.

Foto: reenoreluv | CC

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