Ostberlin hat schon immer einen wunderbaren Drehort abgegeben – zu DDR-Zeiten sowie nach der Wende. Wir haben 13 wichtige Filmbeispiele zusammengetragen und sie auf Handlung, Hintergrund und Stadtbezug geprüft. Auch vor einem persönlichen Fazit scheuen wir uns nicht. Diesmal: Angekommen in der Gegenwart.
Sommer vorm Balkon
Oh Boy
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Sommer vorm Balkon
2005, 106 Minuten

DVD von X-Verleih/Warner Bros.
Worum geht’s? Abends auf dem Balkon treffen sich Katrin (Inka Friedrich) und Nike (Nadja Uhl), beide in ihren Dreißigern, betrinken ihr Leben und teilen Leid und Freude. Eine Verbindung, die durch Veränderungen in beider Leben ins Wanken gerät und sich dann doch als das Wichtigste im Sommer hoch über Berlin herausstellt.
Was steckt dahinter? Der chronologisch gedrehte Film gibt, leicht verwackelt, fast dokumentarisch, Einblick in Alltag und Leben eines Berliner Kiezes. Die grandiose Besetzung wird von Schauspiel-Laien ergänzt, die dem Film zu seinem authentischen Ton verhelfen.
Wie viel Ostberlin ist drin? Nikes keckes Berlinerisch, die Platten der Bürgersteige, die Stammkneipe an der Ecke, die noch nicht totsanierten Häuser des Prenzlauer Berg und die gut akzentuierten deutschen Schlager verorten den Film im Osten der Hauptstadt.
Was bleibt? Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Andreas Dresen zeigen erschreckend passive Frauenbilder. Es ist eine Qual, den Protagonistinnen dabei zuzusehen, wie sie viel zu lang ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen. Kohlhaase versteht es Komödien zu schreiben, die die Stimmung killen. (Marie Hecht)
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Oh Boy
2012, 83 Minuten

DVD von Warner Home Video
Worum geht’s? Ein Tag im Leben von Niko (Tom Schilling), Endzwanziger, ziellos und rastlos. Während er sich durch die Hauptstadt treiben lässt, trifft er auf unterschiedliche Menschen, und selten nehmen diese Begegnungen ein gutes Ende. Dabei ist alles, was er will, eine Tasse guter Kaffee.
Was steckt dahinter? Jan-Ole Gersters in schwarz-weiß gefilmte Tragikomödie war ein großer Erfolg: Sechs Mal wurde sie mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, darunter als bester Spielfilm. „Oh Boy“ war Gersters Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.
Wieviel Ostberlin ist drin? Das Portrait einer Stadt, die zwischen Gentrifizierung und Identitätssuche – mit Englisch sprechenden Kellner*innen und absurd ausdifferenzierten Kaffeevarianten – genauso traumverloren ist wie der Protagonist Niko.
Was bleibt? „Oh Boy“ ist großartig, und eine einminütige Sequenz mit den Berlin-Bildern aus dem Film gibt es zum Glück auf YouTube – damit man sie sich immer und immer wieder anschauen kann. (Seyda Kurt)