Stimmen zum digitalen Wandel
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„Heute sind wir uns bewusst immer in der Öffentlichkeit zu stehen“

John Burgan kam 1962 in London zur Welt. Er ist ein unabhängiger Dokumentarfilmemacher und Dozent, der u.a. auch an der UdK Berlin Dokumentarfilm und Medienproduktion gelehrt hat. Viele seiner Filme setzen sich mit Fragen der Identität auseinander, mit Fragen des Hingehörens und der Migration.

Kulturschwarm: Wie oft schauen Sie täglich auf das Smartphone?
John Burgan: Das ist eine gute Frage. Eine unwissenschaftliche Antwort wäre wohl 20 bis 30 Mal. Ich weiß es nicht genau. Ich habe es sicher immer dabei, es kann also gut 20 Mal am Tag sein oder sogar mehr…

Was zeigt die Startseite Ihres Smartphones?
Als Bildschirmhintergrund habe ich das Phonetische Alphabet. Das sind die Buchstaben des Alphabets A-B-C-D-E – aber so, als würde man es jemandem buchstabieren. Also wenn man sagt, Alpha, Beta,
Charlie, Delta, Foxtrott, Golf und so weiter. Ein sehr informativer Bildschirmhintergrund.

Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Internet in Berührung gekommen?
Ich denke, das war als ich an der Hochschule der Künste gearbeitet habe. Ich habe dort 1995 zu arbeiten angefangen und habe, so wie ich mich erinnere, irgendwann im Jahr 1996 eine E-Mail
Adresse der Hochschule erhalten. Ich war mir des Internets schon vorher bewusst, es war aber damals, mit dieser E-MailAdresse, dass ich es wirklich zu nutzen begann.

Wie hat die Digitalisierung Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Meine Arbeit als Filmemacher, mit Hintergrund vor Allem im dokumentarischen Bereich, hat sich damit natürlich verändert. Die Entwicklung der Technologie, die Art und Weise wie ich recherchiere, wie ich mit anderen Filmemachern kommuniziere und mit den Leuten in unseren Filmen – all diese Bereiche haben sich natürlich verändert. Davor hatten wir Telefon und Fax gebraucht und Telefone natürlich nicht so, wie wir sie heute nutzen. Vor allem das Internet habe ich in professionellem Zusammenhang irgendwann viel zu nutzen begonnen, was natürlich viel verändert.

Aber auf die Arbeit – konkret als Dokumentarfilmemacher – hat die Veränderung keinen konkreten Einfluss gehabt?
Nun – ja und nein. Dokumentarisch zu arbeiten heißt, dass du das Internet und die Arbeit auf am Bildschirm verlassen musst. Du gehst raus in die Welt, redest mit Leuten und erlebst. Du beobachtest Dinge direkt, all das hat sich nicht groß verändert – ohne geht es nicht. Etwas was sich aber allmählich verändert hat, ist die Art und Weise wie Dokumentarfilme geschaut und konsumiert werden. Heute auf Netflix oder sonst wo, früher wurden Dokumentarfilme im Fernsehen geschaut.

Wohin führt uns das Digitale – in die absolute Freiheit oder die absolute Abhängigkeit?
Wieder eine komplizierte Frage (lacht). Ich habe dazu sehr gemischte Gefühle. Wir waren von diesen Veränderungen vor zwanzig Jahren natürlich wahnsinnig fasziniert, das Internet schien Leute auf einem neuen Level miteinander zu verbinden. Die Art und Weise wie wir Informationen plötzlich streuen konnten, schien fast nur positiv. Die Umkehrseite dieser Medaille ist aber – wie ich auch in meiner Tätigkeit als Lehrer miterlebe – dass die Art wie die junge Generation die Medien nutzt, ziemlich limitierend und problematisch sein kann. Das kann die Leute von der Welt abschotten. Ich bin nicht einfach pro oder contra Internet. Ich sehe es als etwas sehr Komplexes, nicht nur gut oder nur schlecht. Ich setze mich kritisch mit dem Internet auseinander und rate meinen Schülern das auch zu tun.

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