Medien, Stimmen zum digitalen Wandel
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“An den Strand würde ich kein Handy mitnehmen”

Peter von Becker, Credit: Kai-Uwe Heinrich
Peter von Becker, Redakteur beim Berliner Tagesspiegel (Foto: Kai-Uwe Heinrich)

Peter von Becker, Jahrgang 1947, ist Redakteur beim Berliner Tagesspiegel und leitete acht Jahre lang das Kulturressort. Als ausgewiesener Publizist verhandelt er in seinen Texten auch aktuelle Fragen aus Politik, Zeitgeschichte, Sport und Gesellschaft. An der UdK lehrt von Becker am Studiengang Kulturjournalismus.

Kulturschwarm: Wie häufig schauen Sie täglich auf Ihr Smartphone?
Peter von Becker: Das ist ganz unterschiedlich, ob ich eine dringende E-Mail erwarte, es lässt sich nur schwer quantifizieren. Es kommt drauf an, ob es „bingt“. Das heißt, es kommt eine E-Mail in mein Postfach oder ich bekomme eine sonstige Rückmeldung. Wenn ich dringend eine Nachricht erwarte, kann es vorkommen, dass ich sehr häufig auf mein Smartphone schaue. Sonst lasse ich es ein paar Mal „bingen“ und lese erst dann, wenn es mir gerade passt.

Wieso?
Der Hauptvorgang ist ja das Löschen und das geht auf dem Smartphone besonders schnell. Ich bekomme täglich unendlich viele E-Mails, so dass ich gar nicht alle lesen kann. Zum Beispiel von irgendeiner Galerie in Peking, in der ich einmal war und der ich dann wahrscheinlich dummerweise meine Visitenkarte hinterlassen habe. Hier ist die Technik ausgesprochen nützlich, aber ich lass mich von ihr nicht abhängig machen. Also an den Strand würde ich kein Handy mitnehmen.

Sind Sie kein Suchtmensch?
(denkt nach) Schauen Sie, ich bin ein reiner Genussraucher. Ich rauche nie während der Arbeit, fast nie in geschlossenen Räumen, gehe aber deswegen auch nicht im Winter vor die Tür. Ich bin da hormonell unabhängig. Das ist ein Glücksfall. Wenn ich eine Bergwanderung mache und in der schönen Natur laufe, würde ich niemals eine Zigarette rauchen. Ich mag das auch nicht bei anderen, anstatt endlich mal die Lungen zu erholen. Und ich finde, man könnte auch seine Sinne erholen, indem man in solchen Momenten nicht dauernd auf das Handy schaut.

Was zeigt die Startseite Ihres Smartphones?
Mein Smartphone zeigt einen schlichten einfarbigen Hintergrund. Meine Frau hat zum Beispiel unseren frisch geborenen Enkel auf ihrem Smartphone. Das könnte ich auch machen, aber er verändert sich so schnell. Er ist jetzt ein Jahr alt und da müsste man eigentlich alle 14 Tage das Foto auswechseln. (lacht) Sie müssen wissen, ich nutze das Smartphone vor allem als berufliches Arbeitsmittel und deswegen finde ich es gut, wenn alles übersichtlich gehalten ist.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Internet in Berührung gekommen?
Schon lange bevor das Internet massentauglich wurde, bin ich mit elektronischer Kommunikation in Berührung gekommen. Das muss Mitte bis Ende der 80er Jahre gewesen sein – so genau kann ich das gar nicht datieren. Amerikanische Freunde erzählten mir damals: Da gebe es so ein schnelles Verfahren zu mailen und zeigten mir, wie das funktioniert.

Wie hat die Digitalisierung Ihre Arbeit geprägt?
Über Aktuelles bin ich schon online mit meinem Smartphone oder dem PC, Tablet usw. informiert. Ich muss auch seltener ein Archiv aufsuchen. Die Information kommt zu mir. Insofern fühle ich mich schneller informiert als je zuvor. Ob auch immer besser informiert – das steht auf einem anderen Blatt. Die Informationsgesellschaft ist noch nicht unbedingt eine Wissensgesellschaft.

Haben Sie sich schon einmal gegoogelt?
Ja sicher. Manchmal ist es hilfreich, ältere eigene Texte zu googeln. Aber meistens google ich natürlich eher die Menschen und Themen, die ich nicht so gut kenne.

Gibt es etwas, dass Ihnen in der analogen Zeit fehlt?
Ich bin in der analogen Zeit aufgewachsen, lese Zeitungen und Bücher immer am liebsten auf Papier. Bei Recherchen im Internet drucke ich mir wichtige Texte gerne aus, weil ich mir Markierungen und Notizen an den Rändern mache. Das Ausdrucken ist unter ökologischen Gesichtspunkten sicherlich nicht immer günstig. Aber im Gegenzug verbrauche ich dann weniger Strom. (lacht)

Wohin führt uns das Digitale? In die absolute Freiheit oder die absolute Abhängigkeit?
Wenn Sie jetzt richtige Nerds fragen würden, gäbe es hier sicher Absolutheitswerte. Ich glaube nicht an Absolutes. Jede Freiheit hat auf der Kehrseite eine Unfreiheit zur Folge. Alles, was zu Abhängigkeit und zu Sucht führt, ist ohnehin gefährlich. Der souveräne Umgang mit einem Medium setzt immer auch eine Reflexion voraus, also die Möglichkeit der Selbstdistanz. Im Übrigen stellen uns das Internet und die Computerisierung in der persönlichen Kommunikation, in den Medien, in den sozialen Netzwerken, in der Medizin, der Arbeitswelt oder im Verkehrswesen – Stichwort ‚Künstliche Intelligenz’ – derzeit vor eine Vielzahl ethischer, rechtlicher, technologisch-ökonomischer und politischer Probleme, die noch nicht einmal im Ansatz gelöst sind. Das ist ziemlich spannend.

Foto: Kai-Uwe Heinrich/Der Tagesspiegel

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Kategorie: Medien, Stimmen zum digitalen Wandel

Jonas Kühlberg

Sich selbst beschreibt Jonas als „normal und lieb“, doch spätestens seit Nikolaus ist klar: Wer seinem gesamten Studiengang zur Feier des Tages Schokolade in den Spind legt, ist weit mehr als nur lieb. Als Erkennungs-merkmal dienen dem (fast) waschechten Berliner sein Hut und sein stetes Engagement für alles und jeden. Ähnlich unbefangen sieht Jonas seine Aufgabe: über Kunst und Kultur für alle schreiben, weitab von Elitarismus und Boulevard. Du findest Jonas bei Twitter & Instagram (@jns_khlbrg).

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