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Wir sind einfach Erdlinge

© C. Johnston

Das Erste, was Christiane Heinicke nach einem Jahr auf dem simulierten Mars isst, sind frische Himbeeren. Die Physikerin spricht über ständiges Drinnensein, Filme schauen auf dem Mars und ein Kissen, das nach Heimat riecht.

Dieser und andere Beiträge erschienen als Kurztexte in der taz im Rahmen des Mentorenprojekts „Printjournalismus“.

Stella Schalamon: Frau Heinicke, als Sie am 28. August 2015 mit den Worten „Willkommen zurück auf der Erde“ begrüßt wurden, warteten auf Sie und Ihre fünf Marsmitbewohner frische Himbeeren. Schmecken die Ihnen heute immer noch so gut wie nach einem Jahr auf dem simulierten Mars des NASA-Projekts?
Christiane Heinicke: Es ist nicht mehr wie am Anfang, als wir rausgekommen sind und ich alles, was frisch war, in mich hineingestopft habe. Aber ja, ich freue mich immer noch, wenn ich im Supermarkt bin und Obst und Gemüse in seiner ganzen Form und nicht in kleinen Würfelchen vor mir sehe. Wir hatten Himbeeren auf der Station, aber die schmeckten nicht so gut wie auf der Erde. Die waren dehydriert, wie Spaghetti, die man erstmal mit Wasser kochen muss.

Die HI-SEAS-Station, die simulierte Marsstation der NASA und der University of Hawaii liegt am Hang des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii. Bei dem bisher längsten Experiment dort, der einjährigen Mission HI-SEAS IV nahmen drei Frauen und drei Männer teil. Darunter die deutsche Physikerin Christiane Heinicke. Ziel der Mission war es zu erfahren, wie eine Crew auf dem Mars überleben könnte.

Während des NASA-Projekts haben Sie ein Jahr am Hang eines Vulkans auf Hawaii unter marsähnlichen Bedingungen gelebt. Das bedeutet kein Telefonieren, keine frischen Himbeeren, kein langes Duschen. Was war für Sie die größte Entbehrung?
Was wir vermisst haben, war, die Umgebung tatsächlich zu spüren. Man ist auf diesem fremden Planeten oder in unserem Fall auf dieser fremden Insel. Man ist vor Ort, aber gleichzeitig durch den Raumanzug immer von seiner Umgebung getrennt. Man kann die Sonne und den Wind nicht spüren, man kann auch das Gestein um sich herum nicht anfassen, man hört nicht, wie es klingt, wenn man darüber läuft. Man ist komplett abgeschnitten. Klar, man kann Gesteinsproben mit ins Habitat bringen und die dann befühlen, aber das ist nicht das Gleiche, weil es in einer völlig sterilen, abgekapselten Umgebung stattfindet.

 

Müsste man sich so auch ein Leben auf dem Mars vorstellen, ohne seine Umwelt jemals fühlen und spüren zu können außer in abgeschlossenen Räumen?
Genau, man müsste ständig irgendwo drin sein. Ob im Habitat, im Anzug oder wo auch immer. Dadurch, dass die Atmosphäre dort nicht so ganz lebensfreundlich ist, bleibt Menschen nichts anderes übrig als sich einzukapseln.

Damit unterschiede sich ein Leben auf dem Mars ziemlich von dem auf der Erde. Aber stimmt das? Sie haben während der einjährigen Marssimulation auch Filme geschaut, gebacken oder Sport gemacht.
Da dürfte es schon einige Unterschiede geben. Der Hauptgrund – zumindest wenn die Mission von einer Raumfahrtbehörde, wie der NASA, und mit Berufsastronauten durchgeführt würde – wäre, dass diese dort Wissenschaft betreiben. Sie werden einen vollen Arbeitstag haben und vor allem mit der großen Herausforderung umgehen müssen, mit einer begrenzten Anzahl von Menschen isoliert zu sein und nicht eben mal rausgehen zu können. Aber was die Freizeitgestaltung angeht, wird das ähnlich sein wie auf der Erde. Wir sind nun mal Erdlinge, wir wollen nicht alle unsere Gewohnheiten aufgeben. Mal einen Film schauen, das ist schon drin. Wir haben eine Zeitlang getanzt, wir haben viele Brettspiele gespielt. Ich glaube, so etwas würde auch eine reale Crew tun.

Was würden Sie mit auf den Mars nehmen?
Auf jeden Fall mein Kissen. Das hatte ich auch auf der Station dabei.  Zum einen, weil es bequem ist und ich damit gut schlafen kann, zum anderen, weil es nach Heimat riecht. Einige von uns hatten Duftöle dabei. Der Grund ist, dass man nur in diesem Habitat ist, es gibt nur wenig Abwechslung von Gerüchen. Um die Sinne ein wenig anzuregen, haben wir Sachen mitgenommen, die einen Eigengeruch haben, wie zum Beispiel das Kissen oder die Duftöle.

Und wenn die Sehnsucht nach der Erde einmal groß wird?
Wir hatten diese Virtual-Reality-Programme. Man konnte sich hinsetzen, die Brillen aufsetzen und hat dann Gegenden gesehen, die ganz eindeutig auf der Erde waren – irgendwo im Wald, am Strand oder in einer großen Stadt.

Das klingt, als wäre es gar nicht so abwegig, dass wir bald auf dem Mars leben könnten.
Alle zum Mars halte ich für unrealistisch und das ist auch nicht das Ziel. Die NASA peilt 2035 an, um eine relativ kleine Gruppe von Astronauten auf den Mars zu schicken, was ich auch für einigermaßen realistisch halte. Die ESA, die Europäische Raumfahrtagentur, ist zurückhaltender und sagt, dass es wahrscheinlich bis 2050 dauert. Und dann sind da Unternehmer wie Elon Musk mit seinem SpaceX, die sich zum Ziel gesetzt haben, die ersten Menschen in zehn Jahren zum Mars zu bringen. Und zwar nicht eine Handvoll, sondern gleich hundert Leute. Das halte ich ehrlich gesagt für fragwürdig. Ähnlich wie diese Initiative Mars One, die Leute zum Mars schicken möchte, ohne sie zurückzuholen.

Da würden Sie nicht mitfliegen?
Hauptgrund für diese Einwegmission ist, dass sie nur einen Bruchteil der Kosten verursachen würde, als wenn man die Leute wieder zurückholen müsste. Das halte ich aus moralischen Gründen für falsch. Man schickt die Leute dahin und weiß, die werden da sterben. Wir haben hier auf der Erde Krankenhäuser, Rehakliniken, und wenn man alt und gebrechlich wird, gibt es Ärzte, die sich um einen kümmern. Wenn man im Habitat körperlich eingeschränkt ist, kann man nicht viel machen und auf dem Mars wäre eine ernsthafte Verletzung ein Todesurteil.

Wie lange würde es dauern, um zum Mars und wieder zurück zur Erde zu kommen?
Ich denke, realistisch sind so gut zweieinhalb Jahre. Im Moment ist der Stand der Technik so, dass man, wenn man zu einer günstigen Zeit losfliegt, die Planeten gerade in einer günstigen Konstellation sind, bis zu acht Monate in die eine Richtung unterwegs ist. Es besteht entweder die Möglichkeit, dass man nur einen Monat auf dem Mars bleibt oder eineinhalb Jahre.

Sie haben in Ihrem Blog geschrieben, dass Sie nicht wissen, wie die Erde sein wird, wenn Sie zurückkommen. Fühlten Sie sich zurück auf der Ihnen bekannten Erde, als Sie die Station verließen?
Die erste Woche, nachdem wir rausgekommen sind, war ein bisschen wie auf Zwischenstation, weil wir noch auf Hawaii waren. Es war wie Urlaub. Zwei, drei Wochen später, als ich in Deutschland gelandet bin, hat es sich dann auch wirklich wieder wie auf der Erde angefühlt.

Und was nehmen Sie seitdem anders wahr?
Es sind vor allem die kleinen Dinge, die einem vorher nicht aufgefallen waren, an die man sich gewöhnt hatte und an die man sich jetzt neu gewöhnen musste. Wenn mich jemand fragt, ob ich heute Abend noch duschen will, dann ist es schon mehr als einmal vorgekommen, dass ich denjenigen angeschaut habe: „Hä, wieso Duschen? Ich hab doch gestern erst geduscht!“ Mein Wasserverbrauch hat sich also leicht geändert (lacht). Und ich denke, ich bin auch stressresistenter geworden. Wenn die Bahn zum Beispiel Verspätung hat, und sich die Leute darüber aufregen, zucke ich nur mit den Achseln.

Noch mehr von Christiane Heinickes Erfahrungen auf dem simulierten Mars auf ihrem Blog und in ihrem Buch „Leben auf dem Mars“, das am 1. März 2017 erscheint.

Fotos: Christiane Heinicke, Carmel Johnston

 

 

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