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Panzerkreuzer Protzki

c alexander h. schulz

Die Ausstellung “Nachkriegsmoderne” in der Villa Oppenheim widmet sich einer als unattraktiv geschmähten Architektur. Deren Fassaden aber bezeugen den Aufschwung der Berliner City West.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Mila Hacke, Architektin und Fotografin, versteht es, den Blick auf überraschende Details zu lenken, auf die Ornamentik eines Treppenlaufs oder die Leuchtkraft einer glitzernden Glasfassade in der Dämmerung. 
Die Fotoausstellung in der Villa Oppenheim zeigt Gebäude der Nachkriegsmoderne in Charlottenburg-Wilmersdorf, entstanden zwischen 1949 und 1979.

Viele dieser Bauten gelten heute noch als hässlich und sind im öffentlichen Bewusstsein oft nur als heruntergekommene Betonklötze verankert. Diesem Eindruck versucht die Kuratorin entgegenzuwirken. In nur zwei Räumen dokumentieren über 100 Abzüge „die vielen Geschenke der Amerikaner“, wie Hacke die zahlreichen Baudenkmäler des Bezirks nennt, die symbolhaft für den amerikanisch geförderten Wiederaufbau stehen.

Gleich im Eingangsbereich trifft der Besucher auf ein Gebäude der allerersten Stunde  – das Marshall – Haus. Errichtet unmittelbar nach der Blockade 1950. Ein schlichter rechteckiger Skelettbau, niedrigschwellig, mit transparenter Rasterfassade, dessen Besonderheiten sich erst auf den zweiten Blick offenbaren:  elegant geschwungene Treppenläufe und die Großzügigkeit der Innengalerie.

Direkt daneben ein detailgenaues Modell des ICC – die Ikone der High-Tech-Architektur. Die mit Aluminium überzogene Haus-in-Haus Verschachtelung hat seit ihrer Eröffnung 1973 viele Nachahmer gefunden. Lange galt sie als teuerstes und fortschrittlichstes Gebäude Europas. Aufnahmen zeigen die technischen Finessen in kühlem Licht, so die vielseitig verschiebbaren Tischmodule für Dolmetscher in Saal sechs. Dabei habe sich das Architektenpaar Schüler-Witte einer bewussten “Raumschiffassoziation” immer verwehrt, betont Mila Hacke. Die Ästhetik sei sozusagen das Nebenprodukt einer strengen Funktionalitätsplanung. Dem zum Trotz tauften die Berliner das pompöse Messezentrum schon kurz nach seiner Eröffnung liebevoll  “Panzerkreuzer Protzki”. Das Martialische des ICCs inspirierte auch  Ausstatter von Science-Fiction Filmen.

Die Ausstellung unterstreicht die Handschriften einzelner Architekten, die die enorme Vielfalt einer relativ kurzen Bauperiode beschreiben. Ob die Vaterunser-Kirche von Werner March, deren sechseckiger, von Betonstreben einfgefasster Grundriß sie als bizarres Schmuckstück erscheinen läßt oder das Schuhhaus Stiller von Hans Simon, das wegen seines kurios durchlöcherten Vordachs auch Schirmständer genannt wird. – Immer beleuchten die Fotografien markante Eigenarten und suchen nach der Verbindung von Zweck und Ästhetik.

Auf diese Weise fokussiert die Ausstellung die Fortschrittlichkeit und den Ideenreichtum einer Architektur, deren Bedeutung als demokratischer Neubeginn erst langsam wieder ins öffentliche Bewusstsein rückt. Sie zeigt aber auch die architektonischen Gemeinsamkeiten – in der Konzentration auf Materialien wie Beton, Stahl und Glas.

Es finden sich Beispiele für Wohnungsbau, Infrastruktur, öffentliche und kulturelle Einrichtungen, Büro – und Sakralbauten. Dazwischen bekommt der Besucher einen Eindruck ganzer Planungsabschnitte, wie zum Beispiel Zoo, Ku’damm und Ernst Reuter Platz.

Das Herz der Ausstellung bildet eine Fotoserie mit Gebäuden der Technischen Universität. Sie stehen hier nicht nur als Beispiele herrausragender Architektur, sondern exemplarisch als Schule bedeutender Architekten der Nachkriegsmoderne.

Etwas überengagiert, mit zu vielen Beispielen auf sehr wenig Raum, zeigt die Ausstellung ein wichtiges Stück Stadt- und Architekturgeschichte.

Schönheit liegt eben nicht nur im Auge des Betrachters, sondern in den vielen Besonderheiten einer Architektur, die unseren Blick herausfordern.

Kuratorin: Mila Hacke
Fotografien: Mila Hacke und Alfred Englert
weitere Fotos: Landesarchiv Berlin und ehemalige Landesbildstelle
Ort: Villa Oppenheim/ Museum Charlottenburg Wilmersdorf, Schloßstraße 55, 14059 Berlin
Die Ausstellung ist bis zum 31.8.2014 zu sehen. Geöffnet Di-Fr 10-17 Uhr, Sa u. So 11-17 Uhr. Eintritt frei.

www.villa-oppenheim-berlin.de

 

Bild: (c) alexander h. schulz/flickr.com

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