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Ein Hippie wird zum Techno-King

Foto: Marie Staggat

Ein König braucht einen Palast: In einem gigantischen, alten Kraftwerk in Berlin-Mitte regiert Dimitri Hegemann als Musikproduzent und Leiter des Technoklub Tresor. Ein Porträt.

An einem Tag im Jahr 1978: Dimitri Hegemann, 24 Jahre alt, ist soeben in Westberlin angekommen und hat Hunger. Er geht in ein Geschäft, über dem in großen Buchstaben „BÄCKEREI“ steht. Es gibt jedoch kein Brot, sondern selbstgeschneiderte Kleidung zu kaufen. Eine junge Frau hat den ehemaligen Backwarenladen in eine Boutique verwandelt. Dimitri ist entzückt.

„Westberlin war ein Paradies für aufgeschlossene Leute“, sagt Dimitri, der in einer kleinen, traditionellen Stadt in Westfalen groß geworden ist. Er wollte nach Berlin, um sich auszuprobieren. „Der Spirit vom Woodstock-Festival und die Hippie-Bewegung haben mich in meinem Denken sehr beeinflusst“, erklärt er. In Westberlin schien alles möglich zu sein.

Ein Keller in Kreuzberg

Heute ist Dimitri 66 Jahre alt. In einem ehemaligen Kraftwerk in der Köpernicker Straße in Mitte befindet sich seit 2007 der Sitz seines Klubs und Musiklabels „Tresor“. Die Betonwände des großen Gebäudes sind nicht verputzt, viele Schreibtische stehen herum, überall liegen Flyer und Plakate. Dimitri braucht lange für den Weg vom Eingang bis zu seinem Büro: Er plaudert mit jedem seiner Angestellten, die meist viel jünger sind als er. Die Atmosphäre ist entspannt und lässig und erinnert an Andy Warhols Studio „The Factory“.

Dimitri hat Musikwissenschaften in Münster und Westberlin studiert. Von 1982 bis 1985 spielte er Bass in der New-Wave-Band Leningrad Sandwich, mit der er drei Alben veröffentlichte. Zudem organisierte er Berlin Atonal, ein Festival für alternative Musik. Von einer Reise in Chicago brachte er die elektronische Musik mit nach Berlin und schaffte es 1988 an die Spitze der aufkommenden Technobewegung: Er gründete in einem Keller in Kreuzberg den ersten Technoklub in Berlin – Das Ufo. Jeden Samstag kletterten partyhungrige junge Westberliner durch ein Kellerfenster und stiegen die Leiter zum Partyraum hinunter, um zu den neuen Technobeats zu tanzen. Nach der Wende hatte sich das Gerücht bis nach Ostberlin herumgesprochen. Die Ostberliner feierten mit.

Wir können uns bei Gorbatschow für die Technobewegung bedanken

„Als die Mauer fiel, entstand ein Gefühl, dass alles möglich war – Irgendwie können wir uns bei Gorbatschow für die Technobewegung bedanken“, lächelt Dimitri, der wie viele andere junge Berliner den juristischen Ausnahmezustand der Stadt ausnutzte: 1992 besetzte er mit zwei Freunden eine alte Kaserne aus dem Kalten Krieg, das ehemalige Wertheim-Kaufhaus nahe dem Leipziger Platz, und verwandelte sie in einen riesigen Technoklub. Der Tresor wurde zu einem der erfolgreichsten Clubs in Berlin. Im Jahr 2005 wurde er nach vielen kurzfristigen Verträgen vom Staat geschlossen und es sollte zwei Jahre dauern bis Dimitri ein neues Zuhause für sein Baby fand: Das Kraftwerk in der Köpenickerstraße. Das Publikum des Tresors ist loyal geblieben. Die Veranstaltungen finden im Klub vier Male die Woche statt.

„Heute ist der Tresor immer noch ein Symbol der elektronischen Musikbewegung“, betont Dimitri. „Früher kamen sie aus Ost- und Westberlin. Heute kommen sie aus der ganzen Welt und zahlen 15 Euro, um im Berghain zu tanzen. Im Tresor hat man nur drei D-Mark Eintritt gezahlt.“ Er lacht. „Aber ich bin ja auch ein alter Hippie.“

Foto: Marie Staggat

 

 

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