Musik
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Das Berghain

Club, Label und Galerie – Das Berliner Berghain sorgt nicht nur für technoide Nächte mit pulsierenden Bässen, sondern ebenso für musikalische und künstlerische Vielfalt.

Aus der Ferne ist bereits ein dumpfes Dröhnen zu hören. Durch die hohen Fenster des mächtigen Gebäudes sind bunte Lichter für einen kurzen Augenblick zu erkennen, bevor sie von der Dunkelheit wieder verschluckt werden. Es wirkt unheimlich und düster. Im zähen Fluss bewegt sich eine meterlange Menschenschlange, die von einem Metallzaun umschlossen ist, zu den Pforten des Betonblocks und dessen Hüter. Mit strenger Miene fällt er sein Urteil über jeden, der ihm vor die Augen tritt. Ein leichtes Nicken des „Eisenmannes“, dessen Gesicht von schweren Piercings und einem Dornenkranz-Tattoo geschmückt ist, gewährt Anhängern elektronischer Musik den erhofften Einlass in die heiligen Hallen des berühmtesten Techno-Clubs der Welt.

Die Realität bleibt vor den Türen

Obwohl sich die Nacht langsam dem Ende nähert, strömen um fünf Uhr immer mehr Menschen ins Berghain, um sich bei technoiden Klängen vom Alltag zu befreien. Seit zehn Jahren gehört der Club im Stadtteil Berlin-Friedrichshain zu den internationalen Anlaufstellen der elektronischen Szene. Trotz herrischer Türpolitik und langer Anstehzeiten zieht es scharenweise Techno-Liebhaber in die gigantischen Tiefen aus Stahl und Beton. Jedes Wochenende belagern rund 1.500 Gäste die Tanzflächen bis in die Mittagsstunden und verlieren sich in einen tranceartigen Zustand. Der Unterschied zu anderen Clubs in Berlin ist das geheimnisvolle und kompromisslose Image des Berghains. Wurde der Zutritt durch Chef-Türsteher Sven „Eisenmann“ Marquardt gewährt, erwartet den Gast eine ausführliche Taschen- und Körperkontrolle. Besonders Kameras sind im Berghain verboten. Die Philosophie der Betreiber ist schlicht und einfach: Die Realität bleibt vor den Türen und hat im Inneren des Gebäudes nichts zu suchen. Aus diesem Grund finden sich auch keine Spiegel in den Toiletten. Eine Nacht im Berghain soll ein undurchlässiges Erlebnis bleiben. Zudem spielen Kleidung, Geld oder ein prominenter Status gar keine Rolle. Wonach die Leute ausgewählt werden bleibt rätselhaft. Ein Kopfschütteln des Eisenmannes kann einen Menschen allerdings in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit stoßen.

Im Bereich der Garderobe ist das dumpfe Dröhnen intensiver geworden. Die gegenüberliegende Wand ist mit zahlreichen Aluminiumplatten bedeckt, an der das feiernde Volk entlanggeht, um nach oben zu gelangen. Die gewaltige, dunkle Halle erinnert an ein altes Kraftwerk: Hohe Decken aus kaltem Beton, deren Fenster von schwarzen Rahmen umgeben sind. Stählerne Treppen, düstere Korridore und verrostete Rohrleitungen sind durch umherschweifende Lichter wahrzunehmen. Als sich die Rauchschwaden langsam in Luft auflösen, lassen sich Silhouetten von Menschen erkennen. Ihre Körper bewegen sich euphorisch zum Takt der elektronischen Musik. Die harten Bässe peitschen mit einer ekstatischen Energie wie eine Druckwelle durch die große Halle. Ein dröhnendes „BUM BUM BUM BUM BUM“ knallt aus den gewaltigen Boxen der Anlage, deren Lautstärke bereits hartnäckig an der 100-Dezibel-Grenze kratzt. Die Musik ist elektrisierend. Trotz aggressiver Dynamik schmeicheln die kraftvollen Bässe den melancholischen Vocals.

Ein Club mit Label und Galerie

Neben dem Clubbetrieb gehört zum Berghain ebenso ein hauseigenes Label. Namhafte DJs sind bei „Ostgut Ton“ unter Vertrag und sorgen an den Plattenspielern für den einzigartigen Stil im Berghain. Die Collage aus Aluminiumplatten mit dem Titel „Rituale des Verschwindens“ stellt ein Kunstwerk des polnischen Künstlers Piotr Nathan dar, denn an ruhigeren Tagen finden im Berghain diverse Kunstausstellungen statt. Darunter zählen unter anderem auch zahlreiche Fotografien von Sven „Eisenmann“ Marquardt, der neben seiner Chef-Türsteher-Funktion als Fotograf tätig ist.

Es ist heiß im Berghain. Die Menschen schwitzen. Ein taktvolles „My beat will control, My beat will control, My beat will control…“ schleudert aus den vibrierenden Boxen. Im Licht der blitzenden, umherschweifenden Scheinwerfer strahlen die Gesichter Zufriedenheit aus. Es ist ein Ausdruck der Freiheit. Eine sorgenlose und friedliche Gesellschaft, die für ein paar Stunden oder auch Tage den Stress des Lebens vergessen lässt.

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Kategorie: Musik

Als gebürtige Serbin bin ich im idyllischen Konstanz am Bodensee aufgewachsen. Nachdem ich meinen Bachelor in Journalistik an der Hochschule Hannover absolviert habe, zog es mich nach Berlin. Die Hauptstadt begeistert mich bereits seit Jahren durch ihre vielfältige Musik- und Theaterszene. Neben dem Schreiben von Reportagen und Porträts, zählt außerdem die analoge Fotografie zu meinen Leidenschaften. Sympathien: Skurrile, abstrakte Geschichten und Techno, Techno und noch mehr Techno!

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