Musik
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Zwischen zwei Kulturen

Die 24-jährige Musikstudentin und Hornistin Miho Hibino aus Japan macht Halt in Berlin. Hier strebt sie eine professionelle Karriere als Orchestermusikerin an. Mit Silva Schnurrenberger spricht sie über musikalische und kulturelle Herausforderungen.

Miho Hibino

Die Japanerin Miho Hibino hat sich die klassische Musik aus Europa zum Lebensinhalt gemacht.

Miho, seit eineinhalb Jahren studierst du hier in Berlin an der Universität der Künste. Wie bist du zu diesem Studienplatz gekommen?

Auf einem Festival in Japan habe ich mit europäischen Musikerinnen und Musikern zusammen gespielt. Ich war von ihrer Begabung total überrascht. Sie konnten so gut spielen, so etwas hatte ich nie zuvor gehört. Also dachte ich, ich könnte in Europa noch mehr Erfahrungen sammeln, weiter studieren.

Auf diesem Fest lernte ich einen UdK-Studenten kennen. Ich besuchte ihn in Berlin und durfte den Unterricht hier erleben. Drei Monate später habe ich die Aufnahmeprüfung für die Hornklasse der UdK geschafft.

 

Wie unterscheidet sich die klassische Musik in Japan und Europa?

Natürlich gibt es in Japan auch gute Musiker, aber das Niveau ist leider nicht so hoch wie in Europa. Ich habe mich oft mit europäischen Musikern verglichen. Die klassische Musik kommt ja aus Europa;  aus Deutschland, Frankreich, aus Russland. Deshalb wollte ich unbedingt Erfahrungen in Europa sammeln.

Außerdem gibt es in Japan nicht so viele Möglichkeiten zu spielen. Es gibt nur wenige Orchester und Opernhäuser, die klassische Musik ist nur etwas für die obere Gesellschaftsschicht. Hier in Berlin existieren acht professionelle Orchester mit einem hohen Niveau, es gibt zahlreiche Konzerte und Gemeinschaften, in denen musiziert wird. Ich glaube, die Kirchen machen den Unterschied (lächelt). In Japan haben wir keine Kirchen, in denen wir Orchestermusik spielen können. Somit sind weniger Berufschancen vorhanden.

Wie sind die Berufschancen hier in Berlin?

Es gibt sehr viele Musikstudenten, aber nicht alle können beim Orchester arbeiten, dazu gibt es zu wenig Stellen. Die meisten Stücke sind für nur vier Hörner komponiert. So steigt natürlich der Leistungsdruck.

Wenn zum Beispiel eine Stelle bei den Berliner Philharmonikern vakant ist, möchten natürlich alle Kollegen diesen Platz haben. Wir studieren zusammen, wir üben zusammen, aber wir sind gleichzeitig auch unsere größte Konkurrenz. Da kann es manchmal schon passieren, dass man eifersüchtig auf andere wird. Wir verstehen uns in der Klasse sehr gut, aber jeder kennt dieses komische Gefühl; man muss sich ständig mit anderen vergleichen und sollte die Beste sein.

Miho’s Lieblingskomponist ist Robert Schumann (1810-1856):

Habt ihr im Studium bereits die Möglichkeit, in großen Orchestern zu spielen?

Ja, wir können manchmal als Aushilfe in Orchestern spielen. Viele Studenten haben aber auch schon eine feste Stelle, etwa einen befristeten Zeitvertrag oder ein Praktikum. Vor den Probespielen für die Anstellungen werden wir natürlich nervös und sind aufgeregt, schließlich haben wir fleißig dafür geübt. In diesen Situationen will ich meine Bestleistung präsentieren und in guter Erscheinung auftreten.

Wie gehst du mit diesem Konkurrenzdruck um?

Das ist unterschiedlich. Bei Vorspielen spüre ich bereits davor, ob mein Auftritt gut oder schlecht wird. Das ist abhängig davon, wie gut ich das Stück kann und wie viel ich geübt habe.

Mein Lehrer sagt aber, ich müsse noch lernen, selbstbewusster aufzutreten und auch mal sagen „ich will dies oder jenes“ oder „das mag ich nicht“. In Japan habe ich gelernt: zurückhaltend zu sein ist schön. Hier in Deutschland ist das anders, da sind die Leute direkter. Ich muss lernen, aus mir herauszukommen, offensiver zu sein. Das hilft dann auch bei Auftritten.

Was fasziniert dich an deinem Musikinstrument, dem Horn?

Es hat mir einfach so gut gefallen und ich mag es, in einer Gemeinschaft zu spielen. Bei technischeren Instrumenten wie beim Klavier oder den Streichinstrumenten ist es schöner, wenn man ein Solostück spielen darf. Die anspruchsvollen Melodien erfordern eine hohe Spielkunst und technische Feinheit.

Aber beim Horn ist vor allem wichtig, daß man den richtigen Ton spielen kann. Dazu ist eine gute Zahnstellung erforderlich. Die Zahnlinie sollte möglichst gerade und geschlossen sein, die Lippen nicht zu dick. In den letzten zehn Jahren musste ich drei Mal große Umstellungen bei der Lippenform machen, in der ich das Horn spiele. Jetzt endlich habe ich einen guten Ansatz.

Wie viel übst du täglich?

Etwa vier bis fünf Stunden pro Tag, mehr sollte man wegen der Verspannung der Gesichtsmuskulatur nicht üben. Horn spielen ist wie Sport, man darf nicht zu viel üben, sonst verhärten sich die Muskeln. Um ein Blechblasinstrument zu beherrschen, braucht es viel Kraft, eine richtige Zahnstellung und einen erwachsenen Körper. Deshalb sollte man nicht zu früh mit diesem Instrument anfangen, ich habe auch erst mit 14 Jahren angefangen, Horn zu spielen.

Was sagen deine Eltern zu deiner musikalischen Karriere?

Als ich auf das Musikgymnasium in Tokio gehen wollte, waren sie erst nicht begeistert. Sie sagten, ich solle doch das normale Gymnasium besuchen, ich könne dann immer noch später Musik machen. Sie wussten ja nicht, ob ich gut genug bin und auch fleißig übe. Aber nun habe ich bereits drei Aufnahmeprüfungen geschafft, jetzt lassen sie mich machen. Mittlerweile hören sie auch gerne klassische Musik – weil ich spiele (lacht).

 

Beitragsbild: Claire Timm, Quelle: Flickr
Video: tophornmusic, Quelle: Youtube

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