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Esoterik macht einsam

München – Es ist heiß und stickig, der Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen beträgt mehr als 20 Grad. Langsam beginnen sich alle auszuziehen. Der Geruch von Schweiß, Bier und Vorfreude legt sich wie eine Decke über die Menschen – immer mehr strömen aus der Kälte durch die Tore der Zenith Halle. Die Vorband Spector, spielen gut verträglichen Indie-Rock, à la Mando Diao, abgeklärt und professionell. Sie präsentieren ihr Debut Album „Enjoy it While it Lasts“, das es sofort auf “Sound of 2012” Longlist der BBC schaffte. Die fünf Londoner liefern eine makellos inszenierte Show, mit braven Danksagungen an Hostesse Florence, man merkt gleich: der Konzertabend will perfekt, rund und glänzend sein.

Der Vorhang fällt, das Bühnenbild erstrahlt in gold-silbernen Jugendstil Formen, wie ein überdimensionaler Paravant aufgefaltet wirft er graphische Ornamente ins Publikum zurück. Als Schattenspiel beginnt die Show zu „Only If for a Night“, Florence Welch windet sich im Profil, ihre langen Finger zu Klauen gespreizt. Das Publikum lässt keine Zeit für’s Kennenlernen. Die Stimmung ist aufgeheizt, man wird das Gefühl nicht los, als hätte die Engländerin die Welle der Begeisterung überfordert. Ihre Haut strahlt wie Emaille, die roten Haare im Nacken zusammengeknüllt – mit dem wallenden  Kleid wirkt die 26-Jährige wie aus einer andern Zeit, einer anderen Welt.

„No light, no light“ – eine Ode an den Kompromiss in der Liebe: Florence hebt ab, gleitet in andere Sphären. Sie strahlt über die Köpfe der Menge hinweg, ihre Erscheinung fesselt. Die grünen Augen stechen im Magen, ihre Stimme holt das Publikum ab und nimmt es mit auf eine Reise, die sie dann aber urplötzlich beendet. Sie spielt. Das Publikum lässt es gewähren. Lange instrumentale Teile zerreißen die Songs und bauen die Spannung auf, die sich später in einem Feuerwerk der Emotionen entlädt – „What the Water gave me“ dauert so fast neun Minuten. Man soll sich nicht sicher fühlen, abrupte Stimmungswechsel, lassen einen verstören. Trotz alle dem wirkt die Sängerin weit weg vom Publikum, zu entfernt ist ihre Sphäre und zu schnell war sie dort. Die Zuschauer konnten nicht schnell genug folgen. Ihre Stimme, stark und zerbrechlich, gefühlvoll und klar, kann die Verbindung nur kurzzeitig herstellen, schnell schließt sie sich wieder ein, vergräbt das Gesicht in den Händen. Es gibt kaum Kommunikation mit dem Publikum, man fragt sich ob sie überhaupt weiß, dass sie in München ist? Florence spricht eben in ihrer eigenen Sprache, mit Augen, Händen und Stimme. „You’ve got the Love“ wird als willkommener Anlass genommen, zum kollektiven Küssen aufzurufen.

Florence + The Machine machen Esoterik salonfähig. Die Mischung aus Indie-Rock, Folk und Electro funktioniert, das Entscheidende ist: die Musik spricht aus dem Inneren heraus. Esoterisch eben. Spiritualität als Lösungsansatz. In Zeiten der Unsicherheit kommt diese Musik zum richtigen Moment: ihre Texte sind berührend und ehrlich, die Sängerin wie ein Stern, der weit weg leuchtet und den Weg weist. Dadurch sind Florence + The Machine mystisch, lassen Platz für Hoffnung und Fantasie, vor allem aber für ein Streben nach dem Unerreichbaren. Mit „Ceremonials“ (2011) setzt die Band da an wo sie mit „Lungs“ aufgehört hat. Der Klang ist selbstbewusster und elektronische Elemente setzen sich verstärkt durch, das Gefühl bleibt aber unverwechselbar. Besorgnis erregend rund – das Album perfekt abgestimmt, trifft jeder Song den Nerv der Zeit. Kein einziger Schönheitsfehler. Mitreissender als die Live-Performance, denn die ist ebenfalls perfekt, rund und stimmig. Zu makellos. Ein Schönheitsfehler.

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Kategorie: Musik

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