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Sven Schumann und Johannes Bonke
Sven Schumann und Johannes Bonke

Ob Meryl Streep, David Lynch oder Anthony Hopkins – The Talks sind bekannt für ihre Gespräche mit großen Berühmtheiten. Kulturschwarm hat sie getroffen und mit ihnen über die Kunst eines gelungenen Interviews gesprochen.

Während Modeschöpfer Raf Simons über die Grenzen des Internets philosophiert, schwört Architekt Antoine Predock auf die mystische Energie im Wüstenstaat Texas. Patti Smith sehnt sich nach einem kreativen New York zurück und Werner Herzog begründet seine Furchtlosigkeit anhand eines Luther-Zitats. Für ihr englischsprachiges Online-Interview-Magazin The Talks, bitten Sven Schumann (links) und Johannes Bonke (rechts) seit 2011 das Who’s Who aus Film, Mode, Kunst, Musik, Sport, Architektur und Gastronomie vor das Mikro. Dabei entstehen, unabhängig vom tagesaktuellen Geschehen, tiefschürfende Gespräche, die gefallen. Ihrer Facebook-Seite folgen knapp 1 Mio User, ihre Leserschaft stammt größtenteils aus den USA und England.
Wir trafen die beiden Interview-Routiniers und sprachen mit ihnen über die Kunst des Fragenstellens, welches Gespräch sie heute nicht mehr führen würden und weshalb Bill Clinton einer der wenigen Gründe wäre, in politisches Terrain vorzudringen.

Das Interview führten Katja Andreae und Benjamin Freund

Kulturschwarm: Hätten wir euch ein Geschenk mitbringen sollen?

Schumann: Eigentlich macht man das nicht. Uns hat noch nie jemand ein Geschenk mitgebracht und wir beschenken auch niemanden, der nicht mit uns befreundet ist.

Bonke: Unabhängig davon, wie gut man sein Gegenüber kennt, sollte immer eine gewisse Distanz gewahrt werden. Ein Geschenk würde die Position des Interviewers von vornherein schwächen.

Dann haben wir ja alles richtig gemacht.

Wir feilen noch an eurem Intro-Text. Die Interviews auf The Talks steigen dagegen unmittelbar mit der ersten Frage ein. Warum verzichtet ihr auf die Vorstellung eurer Gesprächspartner?

Bonke: Uns ist es wichtig zeitlose Interviews zu führen, die nicht zwangsläufig einen aktuellen PR-Ansatz verfolgen und dadurch auch in fünf Jahren noch Relevanz haben. Gleichzeitig wollen wir Leute portraitieren, die keiner Vorstellung bedürfen.

Angeblich hat Johannes vor der Gründung von The Talks bereits 1200 Gespräche für Magazine in über 50 Ländern geführt. Behaltet ihr den Überblick?

Bonke: Ich habe zeitweise sechzehn Filmfestivals pro Jahr bereist. Daraus hat sich eine sehr große Anzahl an Interviews ergeben. Pro Festival schaut man dann bis zu zwanzig Filme und muss neben dem Hauptdarsteller auch alle Nebendarsteller interviewen. Das war viel Arbeit, hat aber den Weg zu The Talks geebnet.

Das heißt, ihr nutzt die Plattform heute als Archiv zum Kuratieren eures Portfolios?

Schumann: Anfangs haben wir noch auf unser Portfolio zurückgegriffen. Wir mussten vor dem Launch natürlich gewisse Namen platzieren, um die Art von Hochkarätern zu bekommen. Dann ging es aber recht schnell. Nach einem Dreiviertel Jahr haben wir unsere Interviews fast ausschließlich für The Talks produziert.

„Es gibt ein Fenster, das öffnet sich und dann kann es gut sein, dass sich das Fenster wieder für viele Jahre schließt.“

 

Straffes Programm für zwei Personen. Habt ihr Autoren, die euch unterstützen?

Schumann: Wir haben vieles alleine gemacht. Mittlerweile unterstützen unser Team einige wenige Autoren. Uns ist wichtig, dass der Kreis nicht zu groß wird, um an gewissen Qualitätsstandards festhalten zu können.

Beinhalten diese Qualitätsstandards auch, sich als Interviewer zurückzunehmen? Über euch beide erfährt man nur sehr wenig.

Schumann: Uns geht es nicht darum, dass jemand sieht, wie spannend es sein kann, um die Welt zu reisen und Prominente zu treffen, mit denen man sich dann Arm in Arm fotografieren lässt. Unsere Arbeit steht ganz klar im Vordergrund. Wir haben beobachtet, welche Nachteile es haben kann, wenn die Öffentlichkeit zu viel über einen weiß.

In einem anderen Interview habt ihr gesagt, wie wichtig der Ort des Aufeinandertreffens ist. Finden die Begegnungen immer physisch statt?

Bonke: Im Idealfall immer persönlich. Körpergestik und Blicke helfen dabei, sein Gegenüber zu verstehen. Ansonsten müssen wir aber natürlich auch auf Skype-Interviews zurückgreifen. Die Stimme allein lässt nur selten intime Einblicke zu.

Eure Interviews wirken immer recht harmonisch. Warum gibt es auf The Talks nicht mehr Interviewpartner à la Klaus Kinski?

Bonke: Klaus Kinski hätten wir wahnsinnig gerne interviewed. Harmonie hängt immer auch vom Fragestellen ab. Wir sehen The Talks nicht als Medium, wo ihre Arbeit aufs Kritischste hinterfragt wird. Das kann schon mal passieren, dann aber mit einer gewissen Respekthaltung.

„Wir möchten schon, dass sich unser Interviewpartner auf uns konzentriert.“

 

Ist das der Grund, weshalb ihr Bob Dylan noch nicht interviewt habt?

Schumann: Den haben wir schonmal gefragt, allerdings gibt er so gut wie gar keine Interviews.

Bleibt man dann hartnäckig?

Schumann: Es gibt immer wieder Personen, an die man kaum herankommt. Bill Clinton ist auch so ein Fall. Oft haben wir aber auch Glück mit Personen, die sehr wenige Interviews geben, dazu gehört in erster Linie Vertrauen. Der richtige Zeitpunkt spielt aber auch eine Rolle. Es ist uns schonmal passiert, dass wir ein Interview erst viele Jahre nach dem ursprünglichen Termin geführt haben. Es gibt ein Fenster, das öffnet sich und dann kann es gut sein, dass sich das Fenster wieder für viele Jahre schließt.

Mit 50 Cent habt ihr über den Wert von Zeit und Geld gesprochen. Was macht den alten Showbizz-Hasen relevanter als Musiker wie Kendrick Lamar oder A$AP Rocky, die aktuell viel präsenter sind?

Schumann: Nichts. Ich würde sogar sagen, dass Kendrick Lamar und A$AP Rocky interessanter sind als 50 Cent. Ich habe 50 Cent am Anfang von The Talks interviewed, zu diesem Zeitpunkt war es einfach naheliegender ihn zu portraitieren. Mit Musikern und Filmstars ist das ohnehin so eine Sache. Beide sprechen nur dann mit jemandem, wenn sie etwas zu promoten haben. Bei einem Schauspieler passiert das im besten Falle, wenn ein neuer Film mit ihm herauskommt. Bei einem Musiker hingegen nur alle paar Jahre. Wenn jemand drei Jahre auf ein neues Album warten lässt, sprechen die in den drei Jahren eigentlich nicht mir dir. Es klappt aber mittlerweile ganz gut, sie zwischendurch für uns zu gewinnen.

Ihr versucht euer Magazin also antizyklisch, gegen die PR-Wellen, zu gestalten.

Schumann: Ja. Wenn du die Leute während des PR-Sturms interviewst, erzählen sie dir immer dieselben Geschichten. Aus diesem Grund halten wir uns auch von diesen Pressetagen fern. Wir möchten schon, dass sich unser Interviewpartner auf uns konzentriert.

„Es sollte nicht nur Politikern vorbehalten sein, über Politik zu sprechen.“

 

Seht ihr euch manchmal trotzdem unter Druck gesetzt, bestimmte Persönlichkeiten zu interviewen?

Bonke: Überhaupt nicht. Wir sind froh, dass sich die Leute mittlerweile sehr gerne von uns interviewen lassen. Außerdem ist der Druck ein bisschen abgeschwächt, weil wir schon große Interviewpartner hatten.

Schumann: Wir lassen uns zudem wenig davon beeinflussen, wer aktuell überall auftaucht. Wir portraitieren oft Personen, die in den letzten fünf Jahren nicht zwangsläufig aktiv waren.

Gab es Momente, in denen sich Kindheitshelden als Enttäuschung entpuppt haben?

Bonke: Er war nicht mein größter Kindheitsheld, aber ich hatte einmal Lou Reed im Interview. Ich wusste schon davor, dass er der Presse grundsätzlich sehr widerwärtig gegenüber tritt und deshalb schwer zu interviewen ist. Das hat sich dann auch in meinem Fall bewahrheitet. Ich dachte eigentlich ich könne ihn mit meiner jugendlichen Ausstrahlungskraft, damals mit Anfang zwanzig, bändigen – was mir aber nicht gelang.

Habt ihr schon einmal ein Interview abgebrochen?

Beide: Nein, zum Glück noch nicht.

Ihr interviewt ja oft Charakter-Schauspieler, die in besonders zwielichtige Rollen schlüpfen. Habt ihr ein Gespür dafür, wenn euch jemand Halbwahrheiten verkaufen möchte?

Bonke: Es gibt bestimmte PR Floskeln, die relativ oft an den Tag gelegt werden. Die werden aber am Ende in der Regel raus gekürzt.

Wohl wissend um Kevin Spacey’s Vergangenheit, würdet ihr ihn heute noch interviewen wollen?

Schumann: Nein.

Stand er ursprünglich auf eurer Liste?

Schumann: Er stand auf der Liste. Das Interview war sogar für die nächste Zeit geplant.

Ein glücklicher Zufall?

Schumann: Er wäre bestimmt ein spannender Gesprächspartner gewesen. Hätten wir ihn bereits interviewed, hätten wir das Gespräch aber von der Seite genommen.

Woraus besteht die Quintessenz beim Gesprächsaufbau?

Schumann: Das Wichtigste ist, dass man nicht zu häufig das Thema wechselt. Deshalb legen wir von vornherein Schwerpunkte fest, die eine Struktur reinbringen sollen. Unser Format weist in gewisser Weise Limitierungen auf, weil wir ein Online-Magazin sind und die Aufmerksamkeitsspanne dort sehr viel geringer ist. Insofern gilt es sich auf einzelne Bereiche zu konzentrieren.

Ihr sprecht von Aufmerksamkeit. Wer nimmt sich Zeit für The Talks?

Schumann: Unsere Leserschaft ist global. Die meisten kommen aus Amerika und England. Es müssen Leute sein, die sich für viele Themen parallel interessieren.

Ihr lebt und arbeitet in Berlin, trotzdem findet man wenige deutsche Persönlichkeiten in eurem Archiv. Ist die englischsprachige Leserschaft der Grund dafür?

Schumann: Das hat nichts mit fehlendem Respekt zutun, sondern mit den Genres an sich. In den Bereichen Kunst und Architektur featuren wir gerne deutsche Namen. Wir versuchen Persönlichkeiten zu finden, die internationale Relevanz haben. Da wird es bei deutschen Schauspielern schwieriger.

Die Präsentation der Inhalte auf The Talks besticht durch ihre Beständigkeit. Werdet ihr am Grundsatz „Never Change A Running System“ festhalten?

Schumann: Man weiß nie, wohin man sich entwickelt. Grundsätzlich geht es uns aber um das geschriebene Wort.

Woran merkt man, dass ein Interview erfolgreich war?

Bonke: Das merkt man schon während des Gesprächs. Am Redefluss und den Antworten und beim Redigieren. Man gewinnt mit der Zeit ein Feingefühl dafür. Am Ende des Tages ist es wie mit einem guten Interview, das man liest – es muss im Gedächtnis bleiben.

Sven Schumann (35) und Johannes Bonke (35) kennen sich seit ihren frühen Kindheitstagen in Bayern. Nach dem Abitur entschieden sie sich Richtung Hauptstadt abzuwandern, wo sie bis heute leben und arbeiten. Bevor sie 2011 gemeinsam das englischsprachige Interview-Online-Magazin The Talks gründeten, schrieb Bonke als freier Journalist für diverse Tageszeitungen und Magazine. Schumann modelte neben dem Studium für namhafte Modelabels, ehe es ihn zum Journalismus hinzog. Mit ihrem Online-Interview-Magazin, auf dem sie jede Woche ein Interview in englischer Sprache veröffentlichen, konnten sich Schumann und Bonke international einen Namen machen und portraitierten bereits Größen wie David Lynch, Anthony Hopkins, Meryl Streep und Georg Baselitz.
  The Talks wird vom Uhrenhersteller Rolex gesponsert. 

Foto: The Talks

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