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Wir müssen endlich aufhören zu jammern!

Fast einen Monat nach Trumps Wahlsieg: Die Freiheitsstatue weint, die westliche Welt jammert und die Medien gehen mit dem Trend. Wo bleiben die kritischen Meinungen und differenzierten Ansichten? Ein Kommentar

Der 9. November ist nicht mehr das, was er mal war. Einst weckte er freudige Erinnerungen an den Fall der Berliner Mauer, heute verbinden wir mit diesem Datum einen grauen Mittwochmorgen an dem bekannt wurde, dass bald „das Grauen“ über die USA – und der Welt – regieren würde. Wie konnte Donald Trump, als Clown und Witzfigur inszeniert, zum mächtigsten Mann der Welt gewählt werden?  Schließlich wäre das doch die perfekte Gelegenheit gewesen, mit einer Frau an der Spitze der USA ein Zeichen für unsere freie westliche Welt zu setzen. Stattdessen haben sich die Wähler für einen schreienden Rassisten entschieden und wieder scheitert eine Frau an der gläsernen Decke – das zumindest vermitteln uns die Medien. Der einzige Grund für ihre Niederlage ist ihr Geschlecht. Untergangsstimmung und Trauer auf der ganzen Welt. Nur Putin freut sich.

Seit diesem besagten Mittwochmorgen ist fast ein Monat vergangen. Und noch immer muss ich Facebook-Posts wie „Es ist vorbei, die Welt wird untergehen“ und „Traurige Zeiten für alle Frauen dieser Erde“ lesen. Sehr beliebt sind auch Bilder der weinenden Freiheitsstatue, gerne als Profilbild. Enttäuscht von der modernen Meinungs­mache in den sozialen Netzwerken, wende ich mich den klassischen Medien zu – auf der Suche nach mehr Vielfalt und Objektivität. Die Atmosphäre ist jedoch kaum kritischer. Während vor dem Wahltag noch wenige Medien es gewagt haben, Clintons Leichen aus dem Keller zu holen, suggerieren Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge und Radiosendungen nach der Wahl fast aus­schließlich, dass Trump eine Bedrohung für unsere ach so tolerante Welt ist. Dabei erwarte ich in der Medienlandschaft sicherlich keine Pro-Trump Parolen rechtsextremer Parteien oder frauenfeindliche Äußerungen sabbernder Journalisten. Dass Trump ein sehr „spezieller“ Kandidat ist, braucht mir nie­mand zu erzählen. Ich sehne mich lediglich nach kritischen Meinungen. Denn ich frage mich: „Wie würden die Schlagzeilen lauten, wenn Clinton gewonnen hätte?“ Die einseitige Bericht­erstattung lässt mich darauf schließen, dass im Falle von Clintons Sieg alle gejubelt hätten. Das ist die logische Konsequenz der aktuellen Lage. Ganz nach dem Motto „Ist ja nochmal gut gegangen“. Aber wäre es dann wirklich gut gegangen?

Hillary Clinton hat bereits eine lange politische Karriere hinter sich und die verlief nicht immer ganz sauber. Die E-Mail-Affäre wurde von ihrem Konkurrenten natürlich immer wieder gerne hervor­gebracht. Frau Clinton hat als Außenministerin E-Mails von einem privaten Server verschickt. So soll sie ihren Posten als Ministerin zugunsten der wohltätigen Stiftung ihres Mannes ausgenutzt haben. Die ganze Affäre wirft einige Fragen auf. Die (deutschen) Medien schweigen. Im Wahlkampf hat sich Hillary Clinton für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen – Pluspunkt. Seltsam nur, dass sie im Jahr 2004 (und auch später) noch ausdrücklich versichert hat: “I believe marriage is not just a bond, but a sacred bond between a man and a woman”. Will sie nun die Interes­sen ihrer Wähler unterstützen oder mit x-beliebigen Äußerungen Wähler gewinnen und ihre eigenen Interessen verfolgen? Die erste Frau im Weißen Haus ist sicherlich ein traumhafter Titel. Aber das gibt niemandem das Recht, alle schmutzigen Mittel einzusetzen, um diesen Titel zu bekommen. Außerdem erschließt sich mir das Argument der Frauen-Solidarität überhaupt nicht. Wenn ich eine Frau nur wähle, weil sie eine Frau ist und ihre Fehler komplett ignoriere, dann muss ich mich fragen, was mit unserer Idee der Gleichberechtigung schiefgelaufen ist.

Im Zweifel für den Krieg

Und Fehler gibt es noch so einige, denn auch zum Thema Außenpolitik hatte Frau Clinton große Pläne. Das kündigte ihr außenpolitischer Berater Michael Morell so an: “Unsere Freunde im Nahen Osten sollten wissen: Wir sind zurück und wir werden wieder die Führung übernehmen.” Dass Clinton im Zweifel zum Militär greift, wissen wir alle aus Erfahrung – daran denken tun aber die Wenigsten. Es wäre wohl einfacher gewesen, dem Westen einen weiteren blutigen Krieg schön zu reden. Aber die Konfrontation mit Trumps rassistischen Stammtisch­parolen geht vielen dann doch zu weit. Wenigstens wäre der Krieg weit weg gewe­sen. Warum also sich darüber Sorgen machen? Wir sind ja nicht betroffen und unsere schöne westli­che Welt bleibt heil. Diese Welt hat sich Clinton gerne mit Geldern aus Saudi-Arabien finanzieren lassen. Ganze 20 % des Wahlkampfs soll das Königreich – sicherlich ganz ohne Gegenleistung – finanziert haben. Eine Information, die in unseren Medien nicht wirklich auftaucht. Dabei muss ich betonen: Es reicht nicht, einige wenige kritischere Fernsehbeiträg zu zeigen oder Artikel zu schreiben und dann weiter mit dem Meinungsstrom zu schwimmen. Sich beschweren und selbst bemitleiden ist ja so schön einfach. Aufwachen!

Gegen Sexismus und Rassismus können wir tagtäglich vorgehen – mit unserem Handeln zeigen, dass wir das nicht gutheißen. Gegen Clintons Machtspiele und korrupte Beziehungen hätten wir nichts machen können. Immer noch der Meinung, dass Trump den Weltuntergang bedeutet? Liebe Medien, Meinungsmacher und Trendsetter, Twitter- und Facebook-User, bitte zuerst darüber nachdenken, ob ihr Clinton bejubelt hättet. Wenn nicht (und das will ich stark hoffen), dann braucht ihr Trumps Wahlsieg auch nicht zu be­jammern. Zeigt stattdessen in eurem Handeln, wie es richtig geht.

Bild: DC People and Places von Ted  Eytan unter CC BY-SA 2.0

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Kategorie: Medien

Monica Camposeo

Monica Camposeo ist eine Grenzgängerin zwischen den Welten: In Luxemburg geboren und aufgewachsen - dazu kommen italienische Wurzeln. Das ist das perfekte Rüstzeug für’s Studium in einer der buntesten Städte Europas, dachte sich Monica, und landete in Berlin. Hier findet sie die Stoffe, über die sie so gerne berichtet: Interessante Menschen in vielfältigen Kulturen. Ein bisschen so, wie sie selbst.

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