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Vom Bloggertreffen zum Großevent

Die re:publica hat sich seit ihrer Gründung vor neun Jahren zur wichtigsten europäischen Internetkonferenz gemausert. Vieles hat sich geändert, die gemütlich-lockere, aber auch kritische Atmosphäre ist geblieben. Insbesondere Star-Redner Edward Snowden ließ es sich nicht nehmen über Google, Facebook und Co herzuziehen.

Es war einmal im Frühjahr des Jahres 2007. In einer aus heutiger Sicht vollkommen rückständigen, um nicht zu sagen verrückten Zeit. Facebook gab es in Deutschland damals noch nicht, Twitter steckte noch in den Kinderschuhen, auch das iPhone befand sich gerade erst in der Entwicklungsphase. Und während Steve Jobs und Co am künftigen Statussymbol unter den Mobiltelefonen tüftelten, trafen sich in der Berliner Kalkscheune 700 internetaffine Menschen und diskutierten über Netzpolitik und Technik. Einiges ging damals noch drunter und drüber, Improvisation war an der Tagesordnung. Daran erinnert sich auch Mitbegründer Markus Beckedahl noch gut: „Noch nicht mal Internet gab es damals“, erzählte er während seiner diesjährigen Eröffnungsrede. Dennoch war dieses Event etwas besonderes. Und schnell waren sich alle Beteiligten einig: Das muss wiederholt werden. Die re:publica war geboren.

Neun Jahre später, vom 2. bis 4. Mai 2016, fand die re:publica bereits zum zehnten Mal statt. Von der gemütlichen Kalkscheune ist man schon vor Jahren in die riesige Station Berlin am Gleisdreieck gezogen, statt 700 waren nun knapp 8,000 Besucher dabei. Auf 17 Bühnen traten 770 Speaker aus aller Welt auf. Unter anderem konnten die Besucher Szenegrößen wie dem Whistleblower Edward Snowden, dem Soziologen Richard Sennett oder – traditionell – dem Blogger und Autor Sascha Lobo zuhören. Selbst ranghohe Politiker wie Arbeitsministerin Andrea Nahles oder EU-Kommissar Günther Oettinger stellten sich den Diskussionen.

Snowden

Bei all diesen Fakten wird deutlich: Die re:publica ist erwachsen geworden. Ein kleines, improvisiertes Bloggertreffen ist sie längst nicht mehr. Doch schon bei der Begrüßung durch das Gründerteam Markus Beckedahl, Tanja Haeusler, Johnny Haeusler und Andreas Gebhard zeigte sich, dass es nach wie vor familiär und locker zugeht. Und auch Kritik wird nicht ausgespart. Nicht umsonst gestand Arbeitsministerin Nahles vor ihrem Auftritt, dass sie „Schiss“ habe. Zwar kommt auch die re:publica nicht mehr ohne hochkarätige Sponsoren wie Daimler, IBM oder die erklärten Todfeinde Microsoft und Google aus. Doch ihre Unabhängigkeit und den kritischen Blick hat sich die inzwischen größte europäische Internetkonferenz bewahrt. Das zeigte allein schon der Auftritt Edward Snowdens, der per Video live zugeschaltet wurde. In einer unverblümten, launigen Diskussion mit Oxford-Professor Luciano Floridi machte er die Wichtigkeit von Datensicherheit deutlich, kritisierte offen die Praktiken von Facebook und Google und appellierte für mehr Engagement im Kampf um ein freies Netz. Die zahlreichen Zuhörer in dem aus allen Nähten platzenden Saal 5 waren begeistert – während so mancher Google-Verantwortliche vermutlich die Faust in der Tasche ballte.

Dank solcher besonderer Momente wird auch die Kritik an der re:publica zunehmend leiser. Während noch vor gar nicht langer Zeit so mancher Politiker oder Journalist abschätzig von einem „Treffen von Nerds“ sprach, sehen inzwischen selbst die größten Kritiker ein, dass die re:publica mehr ist. Viel mehr ist sie nämlich ein international geachtetes Großevent, das nicht nur für die Zukunft des Internets, sondern auch für das zukünftige Zusammenleben einer durchdigitalisierten Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Denn sie öffnet Menschen die Augen und legt schonungslos offen, wie wichtig Datenschutz und Privatsphäre im Netz sind. Wird die Wichtigkeit dessen missachtet, sei im Endeffekt das offene Internet bedroht, wie Markus Beckedahl auf der diesjährigen re:publica unmissverständlich klarmachte. Nur durch solche klaren Aussagen erkennt hoffentlich auch der letzte Facebook-Jünger, dass ein Wandel im Umgang mit dem Netz dringend notwendig ist, um eine freie digitale Gesellschaft bewahren zu können. Diese Erkenntnis mag spät, aber vielleicht gerade noch rechtzeitig kommen.

Foto: “#rpTEN Design & Architektur” von re:publica unter CC BY 2.0

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