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Das Buch der Hetze

Noch immer wird auf Facebook härter gegen Nippel vorgegangen als gegen rechte Hetze. Doch wer muss handeln – Justiz oder Dienstleister?

Wäre der Hasskommentar ein Nippel, dann wäre er binnen weniger Stunden von Facebook verschwunden. Rechte Hetze hingegen sprießt in dem Sozialen Netzwerk nur so vor sich hin. Wer das nicht glaubt, muss nur mal unter einem Artikel über Geflüchtete nachschauen. Dabei gibt es die Forderung, Facebook solle etwas gegen die Hasskommentare tun, schon lange. Doch das ist nicht so einfach.

Nutzer*innen mokierten sich mit dem Hashtag #NippelstattHetze im Oktober letzten Jahres über das strenge Vorgehen gegen Nacktheit und die lasche Reaktion bei krassen Kommentaren. Und die Politik macht sich Gedanken, was man tun kann, um den Hass einzudämmen. Im August 2015 forderte Justizminister Heiko Maas Facebook auf, gegen Hass-Postings vorzugehen. Im September unterstütze Angela Merkel diese Forderung: “Wenn Menschen unter ihrem Namen in den sozialen Netzwerken Volksverhetzung betreiben, muss nicht nur der Staat agieren, sondern auch das Unternehmen Facebook sollte gegen diese Parolen vorgehen”, sagte sie. Im November reagierte das Netzwerk. Es gab bekannt, in Deutschland von nun an ernst zu nehmende Androhungen von Gewalt als glaubhafte Drohungen einzuschätzen und zu löschen.

Wäre alles doch nur so schön, wie in den Gemeinschaftsstandards beschrieben

Was erstmal toll klingt, ist letztlich nichts, was nicht eh schon in den Gemeinschaftsstandards des Netzwerkes gestanden hätte. In denen wird eine Zuckerwatten-Welt der Kommunikation vorgesehen, die so schön klingt, wie sie jenseits jeder Realität ist: „Unser Ziel ist es, den Menschen das Teilen von Inhalten zu ermöglichen und die Welt zu vernetzen. Jeden Tag treten Menschen Facebook bei, um ihre Geschichten zu teilen, die Welt mit den Augen anderer zu sehen und sich mit Freunden und Themen zu verbinden, die ihnen wichtig sind. Die Unterhaltungen, die auf Facebook stattfinden, spiegeln die Vielfalt einer Gemeinschaft mit mehr als einer Milliarde Menschen wider.“

Zur Nacktheit steht da: „Facebook schränkt die Darstellung von Nacktheit ein, da einige Zielgruppen innerhalb unserer globalen Gemeinschaft auf diese Arten von Inhalten unter Umständen sensibel reagieren können, insbesondere aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds oder Alters.“ Gleich darunter folgt der Absatz zu Hassbotschaften: „Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, d.h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, Nationale Herkunft, Religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten“. Geflüchtete werden nicht aufgezählt.

Bewerten und entfernen der Kommentare ist schwer

Das umzusetzen ist schwierig. Denn die Anzahl der Nutzer*innen von Facebook ist sehr hoch und es ist nicht klar, wie viele Mitarbeiter*innen überhaupt daran arbeiten, gemeldete Beiträge zu bewerten und zu löschen.

Das Bewerten und Löschen ist ein weiteres Problem. Zum einen empfinden Kritiker*innen dieses Vorgehen als Zensur. Zum anderen ist es kaum möglich, einen Algorithmus dafür zu entwickeln. Denn zu bewerten, ob eine Aussage im Rahmen der Meinungsfreiheit, Beleidigung oder gar Volksverhetzung ist, ist eine hoheitliche Aufgabe der Justiz – nicht eine des privaten Dienstleisters. Natürlich muss Facebook für ein angemessenes Klima sorgen. Aber den Dienstleister allein für etwas verantwortlich zu machen, das Sache der Justiz ist, kann nicht die richtige Lösung sein.

Anfang Juni hat eine EU-Kommission große Konzerne wie Facebook, Twitter, Microsoft und Google dennoch auf einen Verhaltenskodex verpflichtet. Demnach müssen sie „stichhaltige Anträge auf Entfernung illegaler Hasskommentare in weniger als 24 Stunden prüfen und solche Inhalte entfernen“. Außerdem sollen sie Teams, die sich nur um diese Beschwerden kümmern, zusammenstellen. Im Prinzip also kaum anders, als das, was auf die Forderung von Maas bekanntgegeben wurde. Und auch nur eine oberflächliche Lösung.

 

Was können wir gegen Hass im Netz tun?

  • nicht ignorieren, sondern reagieren.
  • dabei aber nicht dem ersten Impuls folgen, und auch beleidigend werden. Sachliche Diskussion ist zwar schwerer, aber machbar.
  • Facebook Kommentare, die gegen die Richtlinien verstoßen, melden.
  • Wer sie an www.hasshilft.de weitergibt, sorgt dafür, dass der*die Kommentierende unfreiwillig an Geflüchtete spendet – und sich wahrscheinlich sehr darüber ärgert.
  • auch http://www.hass-im-netz.info oder jugendschutz.net kann man Postings anonym melden. Sie prüfen die Meldungen und lassen es entfernen. Das geht manchmal schneller, als auf Facebooks Reaktion zu warten.
  • oder sie bei No-nazi.net anzeigen. Die kümmern sich um Radikalisierungsprävention und schreiben die Leute direkt an.
  • Freund*innen, die Inhalte von zweifelhaften Seiten teilen (wie zum Beispiel der mittlerweile gelöschten Seite von Anonymous), über deren Hintergrund aufklären

Foto: Flickr, “Love or Hate” von Johannes Ko unter CC BY-ND 2.0

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