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Auf zu neuen Medienufern – Bürgerjournalismus im Netz

Welche neuen Formate ermöglicht der Onlinejournalismus? Citizen Journalism ist eines davon.

Dass der Printjournalismus in einer handfesten Krise steckt, haben diverse Medien über die letzten Jahre immer wieder aufs Neue betont. Viel interessanter als den Untergang des bedruckten Papiers zu besingen, ist es jedoch, einen Blick in die Welt des Onlinejournalismus mit seinen steten Veränderungen zu blicken. Dieser sieht heute radikal anders aus als noch vor zehn Jahren: Er präsentiert sich nicht als Format, das Inhalte von einer Plattform auf die nächste transferiert und online verfügbar macht, sondern integriert verschiedenste Medien in interaktive Formate. Nebst Multimedia Reportagen, Serious Games und Augmented Reality Trends entwickelt sich Onlinejournalismus hin zu partizipativer Arbeit anhand frei zugänglicher Quellen.

Bellingcat’s Informationen sind alles andere als geheim

Interessant wird dieser Journalismus vor allem, wo er sich den großen Medien entzieht: Viele der genannten Formate sind einer journalistischen Elite vorgesehen und Amateuren aufgrund hoher Kosten und technischem Aufwand schlicht nicht möglich. Eliot Higgins, arbeitslos und durch den arabischen Frühling, die „Live-Stream Revolution“, sensibilisiert für den Überfuss von zugänglichen Medien im Internet, bloggt ab 2012 auf seinem Blog Brown Moses vor allem über den Waffengebrauch in Syrien anhand von Open Source Daten. Der Autodidakt und selbsternannte Waffenexperte für Syrien, erweitert auf seiner 2014 gegründeten und aus privaten Spenden fnanzierten Website www.bellingcat.com mit einem Netzwerk an rund fünfzig freischaffenden und investigativ arbeitenden Journalisten aus aller Welt das Konzept des Multimedia Journalismus in Richtung citizen journalism: Für Artikel auf der Website werden niemals Inhalte hergestellt, alle Arbeiten basieren auf im Internet vorhandenen Bildern, Videos, Daten. Higgins hat keinen Bezug zur arabischen Welt, spricht die Sprache nicht und war nie vor Ort. Trotzdem haben er und seine Mitstreiter, geografsch entfernte Außenseiter, ein mindestens ebenso umfangreiches, wenn nicht sogar übersichtlicheres Bild des Kriegs in Syrien als eine sich am Schauplatz befndliche Person.

„Geht auf Google Earth, schaut es euch selbst an.“

Bellingcats Recherchen zum Waffengebrauch in Syrien – anhand von Satellitenbildern, Google Maps, Foren, sozialen Netzwerken, Lokalisierungsnetzwerken, staatlichen Websites – wiesen durch Verbindung und Vergleich einer Masse an Daten die geleugnete Nutzung von Streu- und Fassbomben durch die syrische Regierung und Waffentransporte von Kroatien aus in die Hände der syrischen Opposition nach. Higgins und sein Team erforschten den Absturz des Passagierfugzeugs MH-17 über der Ostukraine, vor allem die kontroverse Manipulation von Beweisfotos des russischen Militärs. Bellingcats Netzwerk hat sich internationalisiert, weshalb auch ihre Recherchen weitaus mehr Regionen betreffen als zuvor. Außerdem veröffentlicht bellingcat regelmäßig Anleitungen zur Arbeit mit Open Source Daten. Mit Spekulationen und Verschwörungstheorien hat, so Higgins, seine Arbeit regelmäßig zu tun. Seine Quellen sind jedoch alles andere als geheim: „Wir sagen nicht: Wir haben geheime Informationen, die uns dies oder das zeigen. Wir sagen: Geht auf Google Earth, schaut es euch selbst an.“

2015 erhielt Eliot Higgins für seine Recherchen den Sonderpreis Hanns-Joachim- Friedrichs-Preis für Journalisten. Er wird regelmäßig von Experten von The New York Times und The Guardian zu Rat gezogen, da seine Recherchen schneller und effektiver sind als die vieler Korrespondenten.

Man mag die Druckerschwärze und ihre Ergüsse noch so sehr schätzen, die neuen Formate des Onlinejournalismus überzeugen dadurch, dass sie Journalismus für ein umfassenderes Publikum öffnen und Informationen zu Tage bringen, die offline gar nicht erst ersichtlich wären.

Foto: Screenshot GoogleMaps

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Kategorie: Medien

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