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Das Ende der letzten Gleichheit

Der Ausdruck “Netz-Neutralität” erfreut sich nicht gerade großer Beliebtheit. Warum es sich jedoch lohnt, ihn zu kennen und für ihn zu kämpfen.

Vive la France! Black Power! Yes We Can! Das sind Slogans, die Revolutionen machen. Einprägsam, konkret und knackig – so müssen Schlachtrufe sein. Dann ziehen die Massen gerne mit geballten Fäusten durch die Straßen. Das Bindestrichwort „Netz-Neutralität“ lässt hingegen selten die Gemüter überkochen. Was für ein unhandlicher Ausdruck; abstrakt und juristisch. Wer hat schon Lust, „Netz-Neutralität!“ ins Visier eines Polizisten zu brüllen?

Ab ins zwei-Klassen-Internet

Und doch haben es diese fünf Silben in sich. Sie bedeuten nichts Geringeres als das alle Daten im Internet gleich behandelt werden. Die Internetpräsenz des Kleingartenvereins Paderborn funktioniert genauso gut wie die des Riesen Amazons. Bei fehlender Neutralität hingegen erhalten große Unternehmen gegen einen Aufpreis einen schnelleren Service als alle anderen. Also das Ende der „diskriminierungsfreie Datenübermittlung“ oder einfacher gesagt: Vorbei ist’s mit cleveren Startups und privaten Blogs. So wie der Einzelhandel in der analogen Welt durch Aldi und Lidl ersetzt wurde, ist auch das Internet nur noch den mächtigen Firmen vorbehalten. Google, Skype und Apple erhalten einen Premium Internetzugang. Der Beginn eines zwei-Klassen-Internet.

Und wer würde davon am meisten profitieren. Richtig, die Drachenbrut namens Telekom, Kabel Deutschland oder Vodafone. Haben sie ihre Kunden bisher nur mit nervtötenden Warteschleifen gequält und die Mozartsinfonie Nr.40 dabei vergewaltigt, sind sie nun drauf und dran das freie Netz zu erdrosseln. 2016 soll es mit den zwei verschiedenen Arten von Internet losgehen. George Forte, US-amerikanischer Anwalt für Telekommunikationsunternehmen nennt es jedoch lieber eine „Fast-Line“ für alle und einer „Hyper-Speed-Line“ für andere. Oder: Alle sind so schnell wie ein Gepard. Aber für manche sitzt der Gepard eben doch im Transrapid.

Staubiges Juristendeutsch

Wie kommt es also, dass Netz-Neutralität in Deutschland nicht gesetzlich vorgeschrieben ist? Und warum rührt sich kein Protest? Die Antwort führt uns wieder an den Anfang. Vielleicht liegt es gerade an den staubig, sperrigen Begriffen: Netz-Neutralität im Best-Effort-Prinzip nach § 41a Telekommunikationsgesetz inklusive Anwendungsschicht, Datagramm und Paketverlust. Wie bitte? Wer blickt da noch durch? Vielleicht sollte man besser vom Ende kostenfreier Pornoportale sprechen damit die sonst so datenhungrigen Menschen endlich ihre Ohren spitzen. Wer nicht im Schneckentempo durch die digitale Infrastruktur ruckeln und den Rädchen beim Drehen zuschauen will, sollte jetzt aktiv werden. Das Ende der Gleichheit ist absehbar.

© Hajj Flemings

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Kategorie: Medien

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und Universitetet i Oslo als auch einem Studium der Anglistik und Philosophie in Bonn und der Pariser Sorbonne Nouvelle ist Franziska Knupper derzeit Masterstudentin an der Universität der Künste Berlin. Sie arbeitet als freie Übersetzerin und Autorin für das Palestine Israel Journal, das Aesthetica Magazine sowie den Deutschlandfunk.

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