Literatur
Schreibe einen Kommentar

Die Glücksritterin

Für ihr neues Buch “Gück to go” hat die Schriftstellerin Christiane Hagn 20 Versuche unternommen, um das Glück aufzuspüren – von Lach-Yoga bis Zumba-Tanzen. Wie geht es ihr heute?

Bist du glücklich heute Abend?

Ja sehr.

Also war es ein guter Tag.

Ne, gar nicht. Aber ich bin trotzdem glücklich. Vor einem Jahr war ich nicht besonders zufrieden und habe deshalb angefangen, ein Buch über Glück zu schreiben. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun. Außerdem habe ich nach 15 Jahren die Pille abgesetzt. Ich habe das Gefühl, die haben mich alle verarscht. Ich bin nicht mehr so melancholisch. Darüber freue ich mich jeden Tag. Leider ist es zu spät, das noch in meinem Buch zu erwähnen.

Interview mit Schriftstellerin Christiane Hagn - Credits: Moritz Thau

 

Gilt ein Buch nur dann als gute Literatur, wenn jemand scheitert und es mit einer Katastrophe endet?

Darüber lässt sich streiten. Also Romeo und Julia wäre nicht Romeo und Julia, wenn die ein Happy End gehabt hätten. Wenn ich an einem schwierigen Punkt ein-  oder aussteige, fühlt es sich echter an. Was ich aber noch schlimmer finde als das Happy End, sind offene Enden. Das ist oft ’ne Mogelpackung von Autoren. Das ist nur gut, wenn die Geschichte noch Möglichkeiten anbietet.

Entsteht mit dem Happy End im Kino ein Gemeinschaftsgefühl?

Das Ende schafft allgemein ein Gemeinschaftsgefühl. Es schafft kollektive Freude oder kollektive Trauer. Das war schon im alten Rom mit Brot und Spiele so.

In deinem letzten Buch Auf Männerfang. 33 verrückte, halsbrecherische und ambitionierte Versuche, den Mann fürs Leben zu finden begibst du dich in einen SM-Schuppen, triffst dich mit Internetbekanntschaften und besuchst einen Tangokurs, um die wahre Liebe zu finden. Sind Traummann, Liebe, Hochzeit überhaupt wahre Happy Ends?

In meinem Fall ist es das, was mir anerzogen wurde. Nicht nur im Rahmen meiner bayerisch-katholischen Erziehung, sondern das, was die Gesellschaft vorgibt. Die Kino-Momente haben wir übernommen. In Auf Männerfang war der Ansatz, dass ich genau darauf aus bin. Ob ich das wirklich will, habe ich da gar nicht hinterfragt. Das hat mich jedoch zu meinem nächsten Buch Glück to go geführt. Da habe ich auch gemerkt, dass viele Menschen, die nach Glückskriterien leben und eigentlich zutiefst glücklich sein müssten, es gar nicht sind. In der Liebe gibt es keine Garantie für gar nichts. Solange man ’ne gute Zeit hat und den Moment genießt, kann das viel nachhaltiger sein, als zu heiraten.

Du schreibst auch: „Die männliche Personifizierung der Stadt Berlin wäre mein Mann fürs Leben. Tolerant, vielseitig und schön.“ Welchen Einfluss hat die Großstadt auf Hoffnungen und Möglichkeiten?

Ich glaube hier entstehen Hoffnungen, die man vorher vielleicht gar nicht hatte, weil man die Möglichkeiten nicht kannte. Wenn ich in meinem Dorf geblieben wäre, hätte ich vielleicht den Peter von gegenüber geheiratet und wir hätten ein Café im Dorf aufgemacht. Das ist wie das Höhlengleichnis von Platon. Ich könnte nicht mehr zurück.

Also das Happy End als Möglichkeitsbeschränkung?

Also ob ich als Frau von Huber Peter glücklicher geworden wäre, als in einem unsteten Leben weiß ich nicht. Aber ein Happy End hat auf jeden Fall sehr viel damit zu tun, was man von der Gesellschaft als Happy End verkauft bekommt. Das sollte man kritisch prüfen.

Würdest du deine Bücher als deine persönliche Suche nach dem Happy End bezeichnen?

Ja. Meine Bücher sind immer ein Traum, den ich realisieren will.

Welche Rolle spielt Humor dabei?

Die größte. Man darf das Glück auf keinen Fall zu ernst nehmen. Man darf auch die Liebe nicht so ernst nehmen, man muss alles ein bisschen selbstironisch sehen.

Du durchlebst für deine Bücher auch heftige Rückschläge. Kann Leiden auch glücklich machen?

Leiden ist ganz wichtig. Woody Allen hat mal gesagt, Tragik plus Zeit ist Komik. Ich habe mich am weitesten entwickelt, wenn ich ’nen richtigen Rückschlag hatte. Dann bin ich auch am kreativsten.

Ein latentes Happy End?

Ja das stimmt. Also ich bin auch auf der Suche nach dem Nicht-Happy End, um kreativ arbeiten zu können, was mich wiederum glücklich macht. Sich im Unglück zu suhlen, finde ich zwischendurch ganz in Ordnung, wenn man es nicht übertreibt.

Kostet es weniger Überwindung, sich in ungewöhnliche Situationen zu begeben, wenn man ein Buch darüber schreibt?

Ja auf jeden Fall. Das habe ich mir als kleine Lebenshilfe eingebaut. Wenn ich jetzt zu Events oder Ereignissen gehe, die mir unangenehm sind, stelle ich mir einfach vor, ich würde recherchieren. Eigentlich muss man das ganze Leben so angehen. Ich war zum Beispiel letzte Woche auf einer Queer-Porn-Party in Kreuzberg, um Flyer für eine Freundin zu verteilen, die einen veganen Sexshop eröffnet hat. Ich hatte keine Ahnung, was mich da erwartet, ob die alle vögeln oder nur den anderen beim vögeln zugucken, da war ich am Ende total enttäuscht, dass keiner gevögelt hat (lacht).

Verändert der Prozess des Schreibens die Wahrnehmung von Erlebnissen?

Bevor man etwas schreibt, muss Zeit vergehen. Also ich würde niemandem mit Liebeskummer empfehlen, sofort los zu legen. Man kann andere Leute zu Tode langweilen, wenn man über 20 Seiten seinen Kummer beschreibt. Mit Abstand gewinnen die Dramaturgie und die Details. Durch Distanz werden Zusammenhänge klar, die mir vorher noch nicht bewusst waren. Die schönsten Geschichten sind immer die geworden, wo ich gedacht habe, das wird gar nix.

Das Happy End – Kitsch oder Kunst?

Weder noch. Also um das Happy End als Kitsch zu bezeichnen, bin ich zu romantisch veranlagt. Und es als Kunst zu bezeichnen, gefällt mir nicht, weil man es dann abstrahiert und nicht mehr greifbar macht. Deswegen würde ich sagen, Happy End ist, sich das Leben so zu schaffen, wie es einem selbst gefällt und dies immer wieder zu hinterfragen.

FacebooktwitterFacebooktwitter
Kategorie: Literatur

Xymna Engel ist in Wuppertal geboren und in Bern (CH) aufgewachsen. Sie hat dort Kunstgeschichte und in Fribourg Medienwissenschaften und Germanistik studiert. Sie war Chefredakteurin des Schweizer Kultur- und Ausgehmagazins Bewegungsmelder und hat ein Praktikum bei der Werbeagentur Contexta absolviert. Sie arbeitet als freie Texterin für verschiedene Magazine und Auftraggeber. Ihr Schwerpunkt liegt auf Kunst, Musik und Subkultur. Ihr Traum wäre, einen eigenen Verlag zu gründen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert