Kunst
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Frankensteins Museum

by B-like-Berlin, cc, wikimedia.org
Ob Fotoapparat oder Holzpuppe - im Panoptikum wird alles zweckentfremdet

Das Design-Panoptikum in Berlin ist eine surreale Zeitkapsel. Und es birgt ein Rätsel, das fast jeden Besucher in den Wahnsinn treibt.

Die Mantelkrägen sind hochgeklappt, der kalte Wind fegt durch die Torstraße in Berlin. Der mannsgroße, rote Schriftzug „Museum“ kündet zwar davon, dass es hier etwas zu sehen gibt. Doch im Erdgeschoss des unscheinbaren Eckhauses scheint sich das Design-Panoptikum eher zu verstecken. Und dabei wartet hinter der harmlosen Fassade ein Gruselkabinett, das zum Fürchten, Lachen und auch zum Nachdenken anregt.

Die meisten Besucher kommen auf Empfehlung von Bekannten hier her. Schlange stehen muss man selten. Und so bleibt dem Museumsleiter Vlad Korneev genug Zeit, um seine Gäste persönlich zu begrüßen.

„Jeder bekommt zuerst eine 20-minütige Einführung von mir,“ erklärt er. „Wir sind nämlich kein technisches Museum. Es geht nicht darum, dass man gebildet wird. Und bei allem weiß, was das ist. Wir sind ein surreales Museum.“

In vier Räumen hat der gebürtige Russe über 1.000 Objekte ausgestellt. Auf den ersten Blick wirken sie befremdlich, oft sogar furchteinflößend. Alte Beinprothesen aus Leder, ein Operationstisch aus den 60er Jahren, Friseurstühle, riesige Reproduktionskameras, alte Sportgeräte und Gasmasken. „Es sieht aus wie Frankensteins Museum,“ findet auch Korneev selbst. Und eigentlich trifft es das ganz gut.

Bevor man die Ausstellungsräume betritt, bekommt man noch ein Rätsel mit auf den Weg. Eine „Frage to go“, wie Korneev es nennt. Dabei hält er einen Gegenstand in der Hand, der aus zwei länglichen, silbernen Metallteilen besteht, die von Schrauben zusammengehalten werden. Seine einfache Frage lautet: „Was ist das?“.

Das alleine wäre noch nicht so schlimm. Was einen allerdings schier in den Wahnsinn treibt, sind Korneevs weitere Bemerkungen. „Weißt du, die Lösung ist so einfach, dass du nie draufkommen wirst. Aber keine Sorge, daran sind schon Ingenieure und Professoren verzweifelt. Und wir hatten kleine Kinder, die haben das sofort erraten“, sagt er mit einem breiten Grinsen. „Jetzt im Moment siehst du ungefähr zehn Stück davon hier im Raum. Nur in einer anderen Form. Jeden Tag benutzt du es – sicher zwanzig mal.“ Die Lösung verrät er am Ende des Besuchs.

Härter als jeder Fantasy-Film

In der Mitte des ersten Raumes steht gleich das Prachtstück der Ausstellung. Eine eiserne Lunge aus den 50er Jahren. Das Beatmungsgerät wirkt im ersten Moment wie ein kleines U-Boot. An dieser Stelle erzählt Vlad Korneev gerne die schockierende Geschichte einer an Polio erkrankten Frau, die über 60 Jahre lang in einer solchen Kammer liegen musste. Das Ziel seiner Gruselgeschichte: den Besuchern das Surreale unserer Realität vor Augen führen.

„Wir haben unsere Köpfe heute vollgestopft mit Dingen, die nie passiert sind,“ sagt er. „Harry Potter, Herr der Ringe, Men in Black, Inglorious Bastards, Star Wars, Avatar, Matrix. Aber hier merkt man, dass das reale Leben tausendmal interessanter und auch härter ist als jeder Fantasy-Film.“

Vlad Korneev ist in Moskau geboren und 1991 vor dem Militärdienst nach Deutschland geflohen. Eigentlich ist er surrealistischer Fotograf. Seit drei Jahren betreibt er nun das Museum im Alleingang. Seine Schätze entdeckt er auf alten Höfen oder Trödelmärkten zwischen Berlin und Hamburg.

Oft muss er selbst erst einmal recherchieren, was er da eigentlich gerade gekauft hat. Denn Kunst hängt in seinem Museum definitiv keine. „Jeder Gegenstand hier hat eine Funktion. Sie sind nur falsch zusammengeführt. In surrealistischer Tradition,“ erklärt er begeistert. „Die Logik muss dann herausfinden, was es ist. Das Museum besteht aus Form, Funktion und Interpretation. 50 Prozent macht der Besucher. Und nachher ist man garantiert doppelt so schlau wie vorher.“

Zugegeben, das hört sich nach einem anstrengenden Museumsbesuch an. Doch man muss hier nicht versuchen, alles zu entschlüsseln. „Es gibt die touristisch-entspannte Ferienversion. Wie in einer Kunstgalerie. Nur Fühlen und einfach ein kluges Gesicht machen“, sagt Korneev.

Wer sich also von einem leichten Grusel nicht abschrecken lässt und sich der Rätselfrage am Anfang der Tour stellt, den erwartet ein faszinierender Trip in die Realität – eine Realität, die vom Alltag fast so weit entfernt scheint wie Harry Potter oder Star Wars.

Es ist den Besuchern leider verboten, die Lösung des Rätsels weiter zu geben. Um sie herauszufinden, muss man das Gruselkabinett schon selbst besuchen.

Das „Designpanoptikum – surreales Museum für industrielle Objekte“ ist geöffnet Mo-Sa, 11-18 Uhr. Eintritt: 6,00 €

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