Kunst
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Die Menschen müssen die Stadt erobern

Ein Bericht über die Urban Spree Galerie in Berlin

Über der Eingangstür prangt das Bild eines feuerroten Fuchs. Seine Augen sind weit aufgerissen, die Zähne gebleckt. Er erstreckt sich über die gesamte Hausfassade. Über seinen spitzen Ohren explodieren Blumen, Sterne und Gesichter in Neonfarben.

Bereits die Außenwand der Urban Spree Galerie ist ein Kunstwerk. Die Ausstellungshalle an der Warschauer Straße in Berlin empfängt die Besucher mit einem Feuerwerk aus Farben, Formen und Figuren. Auf 1700 Quadratmetern wird hier die Kunst der Stadt gefeiert. Das Spektrum reicht von Photographie, Druck und Streetart bis hin zu Performance Kunst.

Die Streetart Künstler aus Israel

Im Moment stellt hier das Kollektiv „Broken Fingaz“ aus. Es handelt sich um vier Graffiti Künstler aus Haifa, die mittlerweile so bekannt sind, dass sie ganz legal Gebäude in Tokyo, Paris und London bemalen dürfen. An den unverputzten, grauen Wänden der Urban Spree Galerie hängen nun ihre farbenfrohen Zeichnungen, Comics und Holzschnitte.

Es riecht nach Zement. In einer Ecke des Raumes stapeln sich silberne Spraydosen und Bildbände des britischen Straßenkünstlers Banksy. Nackte Glühbirnen hängen von der Decke. Hier und da lugt noch ein rotes oder blaues Kabel hervor und von irgendwoher dringt das Geräusch eines gluckernden Wasserrohres. Das Gebäude erinnert an eine Fabrik aus vergangenen Zeiten.

In Berlin gibt es Platz für die Kunst

„Ursprünglich wurden hier Züge hergestellt“, verrät der Inhaber Pascal Feuchner und sieht sich in der Halle um. Feuchner ist Pariser und hat die letzten 20 Jahre in der Finanzwelt gearbeitet. „Mir wurde dann aber irgendwann klar, dass dieses Leben völlig bedeutungslos für mich ist“, erklärt er. Da habe er sich nach etwas intimeren und persönlicherem gesehnt und sei auf die Idee des Urban Spree Projekts gekommen. „In Berlin hat man eben noch Platz für solche Initiativen. In Paris kann man das vergessen. Da ist alles so eng und teuer. Hier jedoch kann man der Kunst noch den angemessenen Raum bieten“, sagt Feuchner und fährt sich dabei durch das graugesträhnte Haar.

Hinter der Galerie habe er sogar Platz für Ateliers und Wohnräume. Hier ließen Künstler aus allen Ecken der Welt ihrer Kreativität bereits freien Lauf. Auch Broken Fingaz durften dort in den letzten Wochen an ihrer ersten Solo Ausstellung „Bottleneck“ arbeiten. Die Werke reichen von Holzschnitten, Drucken und Comics bis hin zu Wandbemalungen und Skulpturen aus Pappe und Schaumstoff. Alle ihre Materialien fanden die Künstler auf Straßen und an verlassenen Orten. Im Urban Spree ist man umweltfreundlich und sparsam.

Der Tod und die Politik sind in allen Werken der Broken Fingaz sehr dominante Themen. Auf einem Bild wird ein schreiend roter Hitler von einem Skelett stürmisch umarmt. Ein grüner Theodor Herzl hält einen Totenkopf in der Hand. Ein junges Mädchen tanzt lachend in einem roten Kleid. Ihre hoch erhobenen Arme sind nur noch bloß Knochen. Die Farben kreischen; die Kompositionen erinnern an Cartoons und amerikanische Pop Art. Sie passen in die skurrile Umgebung der Urban Spree Galerie.

Käse, Fett und brennende Blechtonnen

Während die letzten Besucher noch an den Bildern vorbeischlendern, bauen in der anderen Ecke der Halle schwarzgekleidete Musiker ihre Instrumente auf. Ohne Rücksicht proben sie bereits lautstark auf dem Schlagzeug und dem schwarzlackierte Klavier. Eine Sängerin mit blauen Haaren und Plateauschuhen spricht auf Französisch ins Mikro. Ihre Stimme hallt von den nackten Wänden wider. Später fände noch ein Jazz Konzert statt, sagt Feuchner. Auf dem Vorplatz der Galerie hat er mittlerweile ein Feuer in einer Blechtonne entfacht und wirft nun Papierreste in die Flammen. Es knistert und Rauch steigt in die kühle Nacht. Neben der Eingangstür steht jetzt ein gelber Bus; dort werden Hamburger zubereitet. Der Geruch von Zwiebeln, Käse und Fett liegt in der Luft. Feuchner lächelt; er ist zufrieden: „Meine Vision für die Urban Spree ist, dass die Menschen die Stadt wieder erobern. Der urbane Lebensraum soll wieder individualisiert werden“. Die Galerie existiere erst seit ungefähr einem Jahr und er sei stolz, in dieser kurzen Zeit schon so viel erreicht zu haben. Nachdenklich neigt er den Kopf zur Seite, wedelt mit der Hand unschlüssig in der Luft: „Aber es gibt noch viel zu tun, wir sind erst bei 50 Prozent. Mir schwebt noch viel mehr vor!“

 

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Kategorie: Kunst

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und Universitetet i Oslo als auch einem Studium der Anglistik und Philosophie in Bonn und der Pariser Sorbonne Nouvelle ist Franziska Knupper derzeit Masterstudentin an der Universität der Künste Berlin. Sie arbeitet als freie Übersetzerin und Autorin für das Palestine Israel Journal, das Aesthetica Magazine sowie den Deutschlandfunk.

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