Kunst
Schreibe einen Kommentar

“Wir wollen kein Nischenprogramm”

Foto: Lisa Ducret

Was soll ein Museum zeigen? Was bleibt im Keller? Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, weiß, wie aus Ideen Ausstellungen werden

Lisa Ducret: Was macht eine gute Ausstellung aus?

Thomas Köhler: Die besten Ausstellungen werden vom Künstler selbst installiert. Er kennt seine Werke am besten und hat daher einen Blick für die richtige Inszenierung. Zum anderen finde ich es wichtig, dass man sich genau überlegt, wie viele Werke man den Besuchern zumutet.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Themen und Künstler, die Sie ausstellen möchten?

Wir wollen kein Nischenprogramm machen, das nur eine kleine Gruppe interessant findet. Es darf nie nur zeitgenössisch, aber auch nie nur klassische Moderne sein. Natürlich spielt bei jedem Projekt auch die Finanzierung eine große Rolle.

Was für ein Budget haben Sie pro Ausstellung?

Unsere Ausstellungsbudgets liegen zwischen 80.000 und 250.000 Euro, das ist nicht viel. Der Hauptstadtkulturfonds, die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, die Bundeskulturstiftung oder die Kulturstiftung der Länder sind unsere Ansprechpartner. Es gibt auch Firmenpartner, aber die legen sich meist nur auf einen kurzen Zeitraum fest.

Falls Sie keine externe Finanzierung bekommen: Gibt es interne Alternativen?

Ganz wichtig ist auch der Förderverein der Berlinischen Galerie, der immer ein Ausstellungsprojekt pro Jahr finanziert. Wenn unsere Besucherzahlen steigen, haben wir Einnahmen, die wir in Ausstellungsprojekte investieren können. Wir finanzieren alles mit dieser Back-Up Option.

Wie planen Sie eine Ausstellung?

Zweimal im Jahr setzen wir uns zusammen und blicken zurück, wie unser letztes Jahr und die Ausstellungen waren. Dann bringen die Kollegen Vorschläge. Wann wäre eine Ausstellung zum Thema oder zum Künstler passend? Wie ist die Publikationslage? Was sollen wir für eine Zielgruppe ansprechen? Wer hat eventuelle Leihgaben?

Wer nimmt an diesem Entscheidungsprozess teil?

Im Wesentlichen diejenigen, die das inhaltlich vorbereiten und natürlich diskutieren können. Alle anderen, die mit in der Gruppe sitzen, sind zwar wichtige Leute für die Ausstellungsplanung, können aber nicht unbedingt beurteilen, was richtig und wichtig ist.

Museen zeigen auch Kunst aus ihren Depots. Reicht ein eigenes Werk, um eine Ausstellung zu machen?

Ja. Bei meiner ersten Ausstellung hatten wir nur ein Bild von Nan Goldin in der Sammlung. Das hat mir als Legitimation gereicht, um die Künstlerin zu kontaktieren. Sie ist in ihr Archiv gegangen und hat noch unveröffentlichte Werke herausgesucht. Danach hat sie uns noch sechs ihrer Werke geschenkt. Jetzt haben wir sieben davon.

Wie lange kann man ein Original ausstellen?

Man achtet bei Arbeiten auf Papier darauf, dass sie dem normalen Ausstellungslicht nicht länger als drei bis vier Monate ausgesetzt sind. Dann ruhen sie für drei Jahre, bevor sie wieder raus dürfen. Für bestimmte, besonders empfindliche Arbeiten haben wir ein Tabu gebrochen: Von einigen Werken haben wir Faksimile angefertigt. Ein Faksimile zu zeigen ist besser als nichts.

Wie erklären Sie den Besuchern eine Ausstellung?

Es muss eine Hierarchie an Erklärungsangeboten geben. Man sollte es nicht übertreiben. Die Besucher sollen sich die Ausstellung selbst erarbeiten. Ich mag diese Audioguides nicht. Sie bringen die Menschen dazu, wie Roboter an den Bildern vorbeizugehen.

Wen würden Sie gern als nächstes ausstellen?

Mich interessiert die holländische Fotografiekünstlerin Rineke Dijkstra. Sie hat einige Zeit in Berlin verbracht und hier auch ein spezifisches Projekt gemacht, das in Berliner Museen nicht vorliegt. Die würde ich sofort ausstellen, wenn sie es wollte, wenn ich es könnte und wenn wir das Geld hätten.

ThomasKöhler-1-2

Thomas Köhler, Foto: Lisa Ducret

 

Thomas Köhler, geboren 1966, ist seit 2010 Direktor der Berlini- schen Galerie. Zwischen 2008 und 2010 war er dort stellvertretender Direktor sowie Ausstellungs- und Sammlungsleiter. Er arbeitete am Frankfurter Museum für Moderne Kunst, im MoMA in New York und zehn Jahre im Kunstmuseum Wolfsburg.

FacebooktwitterFacebooktwitter
Kategorie: Kunst

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert