Kunst
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Zum Sehen gemacht

Seit 1987 zeigt Das Verborgene Museum in Berlin-Charlottenburg die Werke vergessener Künstlerinnen. Marion Beckers, Geschäftsführerin, und Elisabeth Moortgat, Vorstandsmitglied, kämpfen gegen das Verdrängen

Sie wollen Kunst zeigen. Warum nennen Sie Ihr Haus Das Verborgene Museum?

Marion Beckers: Wir wollen die vergessenen Künstlerinnen zeigen, die um 1900 oder davor geboren sind. Sie sind in Vergessenheit geraten und waren über Jahrzehnte verborgen. Deshalb ist es Das Verborgene Museum geworden.

Wer oder was verbirgt Kunst?

Beckers: Gesellschaftliche Konventionen zum Beispiel. Bis zu Beginn der zwanziger Jahre war das Künstlerdasein für Frauen schwierig. Sie hatten keinen Zugang zu staatlichen Kunstakademien und konnten nur auf teure, private Kunstschulen gehen. Einige Frauen haben sich Männerkleidung angezogen, um abends in den Bars zu zeichnen. Das war richtig verrucht. In den zwanziger Jahren haben sich die Verhältnisse geändert, die Künstlerinnen durften an öffentliche Schulen gehen, ihre Werke wurden erstmals ausgestellt. Danach haben der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg dazu geführt, dass die Arbeiten so vieler Künstler und Künstlerinnen zerstört wurden.

Welche Rolle hat die Wissenschaft beim Vergessen gespielt?

Elisabeth Moortgat: Eine große. Es gibt Kunsthistoriker, bei denen man lange suchen muss, bis man mal ein Wort zu einer Künstlerin findet. Wir sprechen da gerne von einer tiefsitzenden Amnesie.

Was nimmt man Künstlern und Künstlerinnen, deren Arbeit man nicht zeigt?

Moortgat: Ihr Leben. Die Verbindung zwischen einem Künstler und seiner Profession ist wahrscheinlich in keinem anderen Beruf so eng, sowohl mental als auch physisch. Ja, man macht ihn oder sie tot, wenn man das nimmt.

Wie suchen Sie nach verborgener Kunst?

Beckers: Häufig stoßen wir in alten Kunstjournalen durch Zufall auf ein Bild. Manchmal hören wir irgendwo einen Namen oder sehen bei einer Auktion oder in einem Antiquariat eine spannende Arbeit. Natürlich gibt es auch Einzelwerke von Künstlerinnen in Museumsdepots. Wichtig sind auch Nachlassverwalter, die auf uns zukommen. Der Nachlass der Malerin Ilse Heller-Lazard etwa stand 80 Jahre auf dem Dachboden im Staub, bis sich einer der Erben bei uns meldete. Er sagte, dass man mit den Werken etwas machen müsse. Wir haben ihre Arbeiten hier ausgestellt.

Moortgat: Es geht uns aber auch um die Rekonstruktion der Lebensgeschichten der Künstlerinnen. Wenn wir da auf neue Informationen stoßen, ist das besonders schön. So war das bei Frieda Riess, über die wir ein Buch gemacht haben. Die Fotografin hatte ein großes Atelier am Kurfürstendamm, Ecke Joachimstaler Straße, in dem bekannte Künstler und Politiker verkehrten. In den dreißiger Jahren emigrierte sie, ihre Spuren verloren sich in Paris. Ihren Nachlass konnten wir leider nicht finden, aber jetzt nach fünf Jahren hat uns einer ihrer Verwandten aus London geschrieben. Er ist 102 Jahre alt und hat uns auf wichtige biografische Details hingewiesen.

Was passiert, wenn verborgene Kunst sichtbar gemacht wird?

Moortgat: Im Idealfall verändert es die Rezeption von Kunst in den Köpfen der Menschen. Neben vielen bekannten Namen gibt es eben auch andere, die man vermutlich noch nie gehört hat – und deren Arbeiten richtig gut sind.

Beckers: Die Werke sollen an Orte kommen, wo sie die Öffentlichkeit sehen kann. So wie bei der Malerin Lotte Laserstein. 2002 haben wir sie in einer großen Retrospektive präsentiert – im Ephraim-Palais in Mitte. Die Werke gingen nach der Ausstellung wieder zurück, aber Lotte Laserstein ist in den Köpfen geblieben. Als sich dann vor etwa drei Jahren ein Privatbesitzer von ihrem vielleicht wichtigsten Werk „Abend über Potsdam“ getrennt hat, konnte es für die Neue Nationalgalerie Berlin erworben werden. Wenn Arbeiten in die großen Museen kommen, ist das etwas Besonderes.

Foto: Anna Strumillo

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