Kunst
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Dreimal drei Euro

Eine Potsdamer Agentur vertreibt Kunst in ehemaligen Zigarettenautomaten. Wer sammeln will, braucht Münzen. Ein Selbstversuch

Zigaretten kann man am Automaten kaufen. Und was ist mit Kunst? Funktioniert das auch? Einen Versuch ist es wert. Ich tausche einen Geldschein in Zwei-Euro-Münzen. Vorbereitung ist alles, schließlich sagte mir Lars Kaiser von der Potsdamer Agentur Kunsttick, dass ein Werk an Berliner Automaten zwei Euro koste. Herr Kaiser muss es wissen, seine Agentur vertreibt schon seit 2001 Automatenkunst.

Auch Kunstautomaten haben Gefühle

Über zwanzig dieser Automaten gibt es in Berlin. Eine Standortübersicht gibt es nicht. Das Internet verzeichnet lediglich: Samariterstraße, Weserstraße und Rykestraße. Mit der Sonne im Nacken mache ich mich auf in die Samariterstraße. Google Earth weiß, an der gelben Hauswand von Nummer 23 muss mein Objekt der Begierde in Kastenform hängen. Direkt vor dem Designladen von Sandra Thomä. Leider hängt hier nichts und auch der Designladen steht leer. Ein Mailaustausch mit Lars Kaiser offenbart, der Automat ist mit Thomä umgezogen, und zwar in die Bänschstraße vor die Bar Bänsch. Auch Kunstautomaten haben Gefühle.

Nächster Tag, gleiche Stadt, gleiche Sonne. Neukölln, Weserstraße. Und da, plötzlich, hängt einer: ein bunter, schmaler Kunstautomat. Irgendwie unscheinbar. Ich stelle fest, dass er nur dreimal eine Ein-Euro-Münze schluckt. Kunst wird immer teurer. Mit einer alten Dame tausche ich Münzen. Ich halte ihre Krücke, sie wühlt in ihrem Portemonnaie. Mit Erfolg. Ich bedanke mich, und sie zeigt mit zitternder Hand auf den bunten Automaten: „Tun Sie das nicht! Diesen Dingern kann man nicht trauen!“ Ich tue es doch. Allerdings mit einem flauen Gefühl im Magen.

“Diese Kunst kann verwirren, erhellen, aufregen und süchtig machen”

Der Kunstautomat hat zwei Fächer für den Münzeinwurf und zwei für die heraus purzelnden Päckchen. Er ist nicht nur zur Hälfte mit Tags beschmiert, sondern auch nur zur Hälfte funktionstüchtig: Ich werfe meine Münzen ein. Dreimal hintereinander dreimal. Warten, ziehen, entnehmen. Und dann halte ich Kunst aus der Zigarettenschachtel in der Hand. Die Aufschrift warnt: „Diese Kunst kann verwirren, erhellen, aufregen und süchtig machen!“ Die erste Packung enthält ein Frauenportrait von Mikos Meininger. Es ist mit wilden Linien skizziert, in Rosa und Schwarz gehalten. Auf dem beiliegenden Zettel finde ich die Biographie des Künstlers mit Foto, E-Mail-Adresse und Website. Ein weiterer Zettel teilt mir mit, dass ich einen Kunstraum in Päckchenform erworben habe. Ich öffne die nächste Schachtel und sehe ein einfaches, buntes Bild einer Mühle. Der Künstler heißt Menno Veldhuis. Er ist Niederländer. Menno verrät weder seine E-Mail-Adresse noch seine Website. Menno, ich will mehr! Bleibt die letzte Verpackung. Wieder ein Portrait von Mikos Meininger, erneut in Rosa und Schwarz, dafür in männlicher Ausgabe.

Mein Fazit: Ich habe stupide Münztauschaktionen hinter mir, bin durch halb Berlin gelaufen und wusste nie, was mich erwartet. Aber ich habe für dreimal drei Euro Kunst bekommen. Die ist zwar klein, aber originell. Versuch erfolgreich.

Foto: Julia Neubüser

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