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Interview mit einem Ghostwriter

Fotocollage: Hendrik Allhoff-Cramer

Eine wissenschaftliche Arbeit von einer professionellen Ghostwriting-Agentur schreiben zu lassen, ist teuer.  Wie arbeitet ein privater Ghostwriter und wie bewertet er moralisch seine Arbeit? Im Interview erzählt Student Guido* von seinem Nebenjob.

Kulturschwarm: Wie bist du Ghostwriter geworden?
Guido*: Ich hatte schon immer Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten und dann hat sich irgendwann die Gelegenheit geboten bei Freunden auszuhelfen. Die kamen auf mich zu und haben gefragt, ob ich daran Interesse hätte. Am Anfang habe ich bei guten Freunden kein Geld dafür genommen oder nur sehr wenig. Mittlerweile sehe ich das aber als Nebentätigkeit an und möchte dafür auch Geld haben, da ich viel Zeit in diese Arbeiten investiere.

Wie viel müssen deine Kund*innen für eine Seite einer Arbeit zahlen?
Ich habe keinen Seitenpreis, ich habe einen Stundenpreis der momentan bei zwölf Euro liegt. Da kommt es dann darauf an, wie schnell ich Ergebnisse erziele. Ich nutze das aber nie aus.

Wie arbeitest du als Ghostwriter?
Tja, ich sitze die meiste Zeit vorm PC (lacht). Nein, also ich setze mir zu Beginn einen Zeitrahmen und plane das Projekt. Ich habe feste Termine, wann ich Rücksprache mit meinem Kunden halte, in denen ich ihnen die Zwischenergebnisse vorstelle. Dadurch ergeben sich dann etwaige Korrekturen, die ich dann erledige.

Inwiefern sind deine Kund*innen an der Arbeit beteiligt?
Manche Arbeiten sind gemeinschaftliche Prozesse. Ich kümmere mich um die Themenfindung, die theoretische Ausarbeitung und die Struktur der Arbeit. Aber ich gebe dem Kunden auch mal Aufgaben, die er erledigen kann, sodass ich Zeit spare und ihm auch weniger Kosten verursache. Er gibt mir dann die entsprechenden Ergebnisse, die ich weiterverarbeite. Die Konzeption der Arbeit und das Zeitmanagement bleiben aber mein Part.

Hast du moralische Gewissensbisse aufgrund des illegalen Ghostwritings? Durch deine Arbeit erhält jemand anderes einen akademischen Abschluss.
Nein, moralische Gewissensbisse habe ich keine. Ich sehe das eher so, dass ich diese Arbeiten für mich selbst mache, um meinen Wissenshorizont zu erweitern und mich weiterzubilden. Ich finde das einfach eine gute Nebentätigkeit. Ich selbst würde es jedoch nicht in Anspruch nehmen.

Ärgert es dich nicht, dass deine Kunden ohne Eigenaufwand eine gute Note einkassieren?
Nein, ich finde das ist jedem selbst überlassen, ob sie sich hinsetzen oder Geld für die Arbeit Anderer bezahlen. Ich habe da auch bisher gar nicht groß drüber nachgedacht. Wenn meine Kunden ein gutes Gewissen dabei haben ihre Arbeit auf andere auszulagern, dann ist das ihre Verantwortung. Sie haben dann keine Kontrolle mehr über das Ergebnis und müssen dem Ghostwriter komplett vertrauen ohne eine Garantie zu haben.

Gibst du dein Bestes bei dem Erstellen von fremden Arbeiten?
Ja, auf jeden Fall. Wobei ich da natürlich auch Rücksprache mit den Kunden halte. Bei meinem aktuellen Auftrag ist der Zeitrahmen sehr begrenzt, da geht es erstmal um Ergebnisse in kürzerer Zeit. Wenn ich hinterher noch etwas Puffer habe, mache ich noch Feinkorrekturen. Es ist aber auf keinen Fall so, dass ich einfach was zusammenschreibe, sondern ich mache das auf einem angemessenen Level.

Sicherst du dich in irgendeiner Art rechtlich ab?
Nein, bisher nicht. Ich mache das nach allgemeinem Verständnis illegal, habe da aber auch keine Bedenken. Der Kunde bekommt die fertige Arbeit von mir, setzt die eigne Unterschrift drunter und gibt sie ab. Ich habe bisher keine Dokumente angefertigt, wo ich mir unterzeichnen lasse, dass diese Arbeit mein geistiges Eigentum ist, wie es bei professionellen Ghostwriting-Agenturen der Fall ist.

WDR-Recherche zum professionellen Ghostwriting:

Bist du ein buchstäblicher Ghostwriter und bleibst bei deinem Nebenverdienst im schützenden Schatten oder plauderst du da auch drüber?
Mein Freundeskreis fragt hin und wieder nach, aber ich erzähle jetzt nicht offensiv Leuten davon. Wenn es sich aber ergibt, mach ich da kein großes Geheimnis raus. Ich bin aber auch nicht darauf aus dauernd neue Kunden zu gewinnen.

Gab es dir gegenüber auch schon kritische Reaktionen aufgrund des akademischen Ghostwritings?
Bis jetzt nicht, die meisten sind eher erstaunt, dass ich das freiwillig mache. Oft kommt auch die Reaktion „Cool, dann kannst du für mich ja auch mal eine Arbeit schreiben.” Und meine Kunden sind natürlich dankbar, dass ich für sie die Arbeiten schreibe.

Es gibt immer wieder Kritik an der Massenware Hausarbeiten, die oft nicht zum wissenschaftlichen Diskurs beitragen würden, sondern nur reproduzieren. Wie siehst du das?
Ich finde wissenschaftliches Arbeiten wichtig. Je nach Thema und Umfang der Arbeit muss man sich neues Wissen aneignen und man lernt viel über Argumentationsaufbau. Wenn man sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzt, hat das meiner Einschätzung nach wenigstens einen großen Mehrwert für einen selbst.

Kennst du bei dem Anfertigen der Arbeiten auch Zeitdruck? Hast du einen Tipp für „auf-den-letzten-Drücker“-Menschen?
Ich habe selten Zeitdruck verspürt, trotz Arbeit und Studium neben dem Ghostwriting. Ich arbeite mit klassischem Zeitmanagement über das es auch etliche Bücher gibt. Ich kategorisiere mir Aufgaben nach A, B, C, also Wichtigkeit und Umfang und verplane nicht jede Minute meiner Zeit. Wenn ich viele verschiedene Tätigkeiten hab, reduziere ich die auf kleinere Arbeitspakete. Unter C-Aufgaben fallen beispielsweise Dinge, die ich auch mal in der Bahn oder im Bus erledigen kann. Für Auftragsarbeiten setze ich mir im Vorfeld einen genauen Zeitrahmen.

Was kosten akademische Arbeiten bei professionellen Ghostwriting-Agenturen?
Nach meinen Infos kosten Bachelorarbeiten zwischen 1.000 und 2.000 Euro, Diplom-Arbeiten können aber auch mal 15.000 Euro kosten. Ich kenne auch ein paar Leute, die das hauptberuflich machen und damit ein Gewerbe angemeldet haben, die lassen sich das gut bezahlen. Oft kommt es dabei nicht nur auf die Seitenzahl an, sondern auch welche Noten die Kunden erzielen möchten.

Sprichst du mit deinen Kund*innen über die Note? Weißt du im Voraus, welche Note du mit einer Arbeit erzielst?
Noten spielen eine große Rolle, klar. Ich kann den unteren Notenbereich ziemlich sicher ausklammern, es wird also meisten eine Eins vor dem Komma, mindestens aber eine Zwei. Aber ich gebe nie eine Garantie. Vom Vorteil ist es, wenn ich den jeweiligen Dozenten selbst kenne. Dann kann ich die Ansprüche deutlich leichter kalkulieren.

Stichwort Plagiat. Wenn du selbst eine Ghostwriter-Arbeit abgeben würdest: Wie groß wäre deine Angst vor nicht wissenschaftlich gekennzeichneten Quellen?
Ich würde keinen Ghostwriter in Anspruch nehmen. Ich hätte da definitiv Angst, da man nie weiß, woher diese Person seine Quellen bezieht. Ich denke, wenn man längerfristig als Ghostwriter arbeitet, kann man sich systematisch eine Art Literaturarchiv aufbauen und so sehr schnell Arbeiten zusammenstellen. Da kann bestimmt schneller Mal ein Plagiat entstehen. Da kommt es aber auch darauf an, ob man den Ghostwriter persönlich kennt.

Würdest du deinen Freunden vom Ghostwriting abraten?
Ich würde differenzieren zwischen vollständig eine Arbeit anfertigen lassen oder gemeinschaftlich mit einem Ghostwriter zu arbeiten. Viele haben Schwierigkeiten bei der Struktur einer wissenschaftlichen Arbeit und können mit Hilfe auf gute eigene Ideen kommen. Ich persönlich finde es blöd die Bachelor-Thesis von jemand anderem schreiben zu lassen und dann anschließend noch einen Masterstudiengang zu machen. Diese Leute fallen dort auf die Schnauze, da sie nie gelernt haben eigenständig wissenschaftlich zu arbeiten.

Wirst du langfristig weiter als Ghostwriter arbeiten?
Wenn ich genug Zeit dafür habe, auf jeden Fall. Es ist ganz lukrativ und angenehm von Zuhause aus zu arbeiten.

*Aus Anonymitätsgründen wird ein Pseudonym verwendet.

Fotocollage: Linda Gerner

Das Interview erschien zuvor unter www.akduell.de

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