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Faszination Mars

Ein Gespräch mit Jürgen Herholz über Chancen und Möglichkeiten von Mars-Missionen.

Jürgen Herholz befasst sich seit 1969 mit der Raumfahrt und seit zwölf Jahren intensiv mit dem Mars. Ein Gespräch über Chancen und Möglichkeiten von Mars-Missionen.

Dieser und andere Beiträge erschienen als Kurztexte in der taz im Rahmen des Mentorenprojekts „Printjournalismus“.

Laura Meier: Herr Herholz, was bedeutet Ihnen der Mars?
Jürgen Herholz: Der Mars ist der Erde am nächsten von allen Planeten und ähnelt der Erde in vielerlei Hinsicht. Er ist mit den heute vorhandenen technischen Mitteln erreichbar und deshalb von besonderem Interesse für zahlreiche Forschungen.

Wie lange würde die Reise zum Mars dauern?
16 Monate müsste man sich für die Reise Zeit nehmen und dabei zwei Jahre auf dem Mars bleiben. Das ist so wegen der Konstellation der Planeten – die Hin- und Rückreise selbst würden jeweils nur etwa acht Monate in Anspruch nehmen. Eine Rückkehr vom Mars ist entweder innerhalb von ein paar Wochen oder erst nach zwei Jahren möglich. Eine Mars-Umrundung würde ebenfalls an die 16 Monate dauern. Der Aufwand der Umrundung wäre allerdings weniger groß als effektiv auf dem Mars zu landen und vor allem von da aus auch wieder zu starten.

Woher kommt die Vision, den Mars in näherer Zukunft besiedeln zu wollen?
Ob das ein Ziel der Menschheit sein sollte, muss jeder Einzelne aus ethischer und moralischer Sicht für sich selber entscheiden. Der gerne benutzte Vergleich mit der Besiedlung Amerikas geht davon aus, dass  Menschen zu neuen Ufern aufbrechen. Damals sind die Menschen allerdings vor Not und Verfolgung nach Amerika geflohen, wirklich vergleichen lassen sich die Vorhaben also nicht. Die Besiedlungsvision ist für mich trotzdem typisch amerikanisch. Das muss nichts Schlechtes sein: Die großen Visionen und Gefühle treiben das Interesse am Mars und der Raumfahrt generell an. Elon Musk zum Beispiel will selbst unbedingt noch zum Mars fliegen. Aber daraus die Idee von der Besiedlung des Mars zu machen, das ist nochmal ein anderes Paar Schuhe.

Was sind das für Menschen, denen man eine Reise zum Mars zutrauen kann?
Grundsätzlich braucht es Menschen mit Entdeckerlust, Unerschrockenheit und Risikobereitschaft. Menschen mit umfangreichem technischen und wissenschaftlichen Wissen und robuster Gesundheit. Für einen Aufenthalt auf der ISS (Internationale Raumstation) sind diese Eigenschaften schon gefragt. Es gibt  Missionsdauern von bis zu einem Jahr, bei denen man im Hinblick auf menschliche Reaktionen Erfahrung hat sammeln können. Was man aber nicht vergessen darf, ist, dass sich die Wissenschaftler auf der ISS immer noch in Erdnähe befinden. Sie können innerhalb von wenigen Stunden zurück zur Erde. Auf dem Mars würde diese Gewissheit wegfallen! Was das, auch für noch so entschlossene Wissenschaftler, in punkto Belastung bedeutet, ist nicht ganz einfach vorherzusagen.

 

Jürgen Herholz in Berlin.

Jürgen Herholz ist studierter Nachrichten- und Hochfrequenz-Ingenieur (im Ruhestand). Er war in wechselnden Funktionen im Vorstand der Mars Society Deutschland und vertritt sie seit 2013 im internationalen Lenkungsausschuss der Organisation.  Bis 2002 hat er freiberuflich an ESA-Projekten (European Space Agency) mitgearbeitet und ist im selben Jahr über das Projekt der Marssonde ARCHIMEDES zur Mars Society Deutschland gestoßen – ein Mitglied der internationalen Mars Society. Die Organisation hat die Erforschung und Besiedlung des Mars zum Ziel.

Was bedeutet es für Menschen körperlich, sich für so lange Zeit in die Atmosphäre des Mars zu begeben?
Ich bin Ingenieur, sehe das Ganze deshalb sehr technisch und weniger emotional als andere. Da ist das Problem mit der Schwerkraft: es gibt Folgen für die menschliche Gesundheit, wenn sich die Schwerkraft verändert. Wenn Astronauten lange im All waren, dann können sie nicht mehr selbst auf den Beinen stehen. Es ist also nicht zu erwarten, dass die Landung auf dem Mars problemlos vonstatten gehen würde. Eine große Herausforderung ist dann auch die Landung zurück auf der Erde. Hinzu kommt noch der Einfluss der Weltraumstrahlung. Das ist aber – finde ich – nicht das größte Problem. Es würden ja nicht allzu junge Leute zum Mars geschickt.

Zum Mars geforscht wird auf der ganzen Welt. Welches Land hat im Moment die besten Chancen, Menschen tatsächlich zum Mars zu schicken? Wer wird Erster?
(lacht) In den USA ist es so, dass die NASA unheimlich ums Budget kämpfen muss – und zwar ständig. Was heute im jährlichen Budget der NASA, also vom Staat finanziert wird, ist eine Mond-Umrundung. Was es aber braucht, um Menschen zum Mars zu schicken,  ist eine ganz andere Größenordnung. Immerhin steht es aber in den Erklärungen von Barack Obama, dass es ein langfristiges Ziel der Vereinigten Staaten sei, Menschen zum Mars zu schicken. Im besten Fall wird das nach Plänen der NASA etwa 2048 möglich.
Wenn jemand aber wirklich sehr bald zum Mars fliegen könnte, dann wären es wahrscheinlich die Chinesen. Sie haben nicht die gleichen Budgetprobleme wie wir hier im Westen. Bei uns Europäern ist es dabei zum Glück nicht ganz so schlimm wie in den USA. Wir können immerhin 10-Jahrespläne machen. Die NASA muss jedes Jahr wieder damit rechnen, dass mit einer neuen Regierung alles für die Katz ist.

Die Popularität der NASA-Astronautenklassen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen, es bewerben sich Tausende für ein paar Plätze. Bekommt die Mars Society auch etwas von diesem Enthusiasmus mit?
Leider macht sich dieser Mars-Enthusiasmus für die europäische Mars Society bisher weniger bemerkbar. Die amerikanische MS hat ungefähr 2000 Mitglieder – in Europa haben wir alle konstant ziemlich wenige Mitglieder. Dass der Mars in den letzten Jahren populärer geworden ist, hat uns bisher nicht wirklich geholfen. 

Was ist die Mars Society eigentlich?
Die MS besteht weltweit aus mehr als fünfzig voneinander unabhängigen nationalen Organisationen. Sie hat sich der Erforschung des Mars verschrieben, weil der Mars möglicherweise Auskunft darüber geben kann, wie Leben entsteht – beziehungsweise entstanden ist, auch auf der Erde. Dafür betreibt die MS eigene Projekte und Simulationsstationen in den USA, in Kanada, in Australien und in Polen. Dort wird unter möglichst marsähnlichen Bedingungen das Leben auf dem Mars simuliert. 

Was gibt es denn bisher für Versuche dazu, wie der Mensch auf das Szenario Mars-Mission reagiert? Das Eingeschlossen sein über mehrere Monate und dann ausharren müssen – und das Alles ohne Gewissheit ob man die Erde je wieder aus der Nähe sieht?
Sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, macht den Hauptforschungs- und Tätigkeitsbereich der internationalen Mars Society aus. In den USA zum Beispiel gibt es zwei Versuchsstationen, die jeweils wie ein Mars Habitat aufgebaut und eingerichtet sind. Dabei werden verschiedene mögliche Lebensbedingungen simuliert. Eine Versuchsstation gibt es in der Wüste in Utah und eine zweite im Norden von Kanada am Polarkreis, wobei auf der Letzteren die kalten Perioden auf dem Mars simuliert werden. In Utah geht es um Tätigkeiten, die die Forschenden auf dem Mars  ausüben würden: wissenschaftliche Experimente, Bodenuntersuchungen und Ähnliches.

Welche Akteure sind wichtig, was die Simulation von Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Mars angeht?
Da gibt es verschiedene wichtige Akteure. Richtige Langzeituntersuchungen gibt es von europäischer Seite bisher überwiegend von der ESA, der European Space Agency, von den Russen (Roskosmos), und von amerikanischer Seite von der NASA. Ein ziemlich prominentes Projekt wurde  in Russland umgesetzt, die Mission Mars500. Dabei war eine Mannschaft 500 Tage lang eingeschlossen und es ging im Wesentlichen um die Frage, was passiert, wenn Menschen auf so engem Raum zusammenleben und funktionieren müssen. Dabei gab es durchaus Probleme. Es muss im Vorfeld einer Mission auf jeden Fall unbedingt viel Zeit und Beobachtung darauf verwendet werden, die geeigneten Menschen zu finden. Und zwar nicht nur als Einzelpersonen sondern in der Gruppenkonstellation.

Wie sind Sie selbst zur Raumfahrt gekommen?
Nach dem Ende meines Diplomstudiums der Nachrichten- und Hochfrequenztechnik an der TU Berlin 1964 und einigen Jahren Arbeit im Flugzeugbereich interessierte ich mich sehr bald für die Raumfahrt als technisches Neuland. Aber natürlich auch als Traum der Erforschung des Weltraums.

Was waren die ersten Schritte auf dem Weg zu einer Reise ins All?
Das Projekt der Sonnensonde Helios bot 1967 eine erste Gelegenheit. Beruflich kam ich dadurch immer stärker in Kontakt mit den Vorbereitungen zur Mondlandung in den USA. Die Mondlandung 1969 war es dann, die bei mir – wie bei vielen Raumfahrtbegeisterten – erste Träume nach einer bemannten Marsmission weckte! Zuerst war das Ziel der bemannten Raumfahrt aber die Erkundung des erdnahen Weltraums mit einer bemannten Raumstation in der Erdumlaufbahn. Ab 1972 wurde mit dem Spacelab Programm in Europa unter deutscher Federführung ein bemanntes Raumlabor entwickelt. 1980 wurden erstmals Forschungsmissionen unter Schwerelosigkeit unternommen. Von 1985 bis 1998 wurde in Europa dann der Raumtransporter Hermes entwickelt, der zur Versorgung der ISS mit Astronauten und Material beitragen sollte. Dieses Projekt wurde aber in der Folge des politischen Umschwungs 1989 und der darauf folgenden finanziellen Einschränkungen trotz weit fortgeschrittenen Entwicklungsstands 1992 eingestellt. Ich war an allen diesen Programmen beteiligt: von 1971 bis 1986 zum Beispiel als Mitglied des Spacelab Entwicklungsteams. Seit 1998 bin ich im Ruhestand, habe aber noch bis 2002 freiberuflich an ESA Projekten mitgearbeitet. 2002 bin ich über das Projekt Archimedes der Mars Society Deutschland zu dieser Organisation gestoßen.

Sind wir dem Ziel Marslandung inzwischen näher gekommen?
In den letzten Jahren ist der Mars in der Öffentlichkeit populärer geworden, auch aufgrund der Forschungsergebnisse über Satelliten und Rover auf dem Mars. Die Erfahrungen mit der ISS haben gezeigt, dass der Mensch im Weltall leben kann und den Nachweis erbracht, dass Technologien existieren, wie sie für bemannte Missionen zum Mars benötigt werden. Insofern ja – es tut sich Einiges.

Der NASA ist das ständige Weiter-Entwickeln wichtig. Was macht die ESA anders?
Der Kritikpunkt an der NASA-Philosophie ist, dass eine bemannte Marsmission zu einem großen Teil mit den bereits verfügbaren Technologien realisierbar wäre. Langwierige und teure Neuentwicklungen sind deshalb nicht unbedingt erforderlich. Um von A nach B zu kommen, braucht man nicht unbedingt einen Mercedes, ein Fiat tut es auch. (lacht)

Das holländische Mars One Projekt hat sich eine Besiedlung des Mars durch Freiwillige in wenigen Jahren zum Ziel gesetzt. Wie schätzen Sie die Realisierbarkeit dieses Vorhabens ein?  Und was sagen Sie zu Elon Musk und seiner privaten Raumfahrtfirma SpaceX, die Menschen in großer Zahl zum Mars bringen will.
Die Projektbasis und angegebenen Kosten der Mars One-Mission sind technischer Unsinn und zeugen von Unkenntnis raumfahrttechnischer Zusammenhänge und Anforderungen. Elon Musk kenne ich persönlich und schätze ihn sehr. Mit dem Szenario von riesigen Raumschiffen, die in großen Zahlen auf dem Mars landen, ist Musk aber weit von der Realität abgekommen. Allein schon, weil das Konzept darauf beruht, dass Leute für 100’000 Dollar zum Mars fliegen können. Aktuell würde eine Reise zum Mars bei 4 Personen etwa 2 Milliarden Dollar kosten. Vorausgesetzt, dass die – bis zu mehr als Hundert Milliarden Dollar teure – Infrastruktur dazu, auf der Erde und auf dem Mars bereits existierte. 

Ihr Fazit – was macht die Raumfahrt und den Mars spannend?
Die Erkundung des Universums über Raumfahrtmissionen – ob durch unbemannte Forschungsmissionen, interplanetare Sonden oder bemannte Missionen –  ist  wahnsinnig interessant,  aufgrund der besonderen Bedingungen im Weltraum und der Anforderungen an die erforderliche Zuverlässigkeit der Technik. Wer Herausforderungen sucht, ist da an der richtigen Stelle!

Das private US-amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX (Space Exploration Technologies Corporation) taucht immer mal wieder in bekannten Medien auf. Mit dem Ziel gegründet, den Mars zu kolonisieren, entwickelt das Unternehmen unermüdlich neue Technologien. Der Mars soll nach ihrer Zielsetzung nicht nur erforscht, sondern gleich kolonisiert werden. SpaceX will – kurz gesagt – dass wir Menschen zu einer Multi-Planetaren Spezies werden. Nach anfänglichen Fehlschlägen wurde SpaceX zu einem bedeutenden Versorger der Internationalen Raumstation (ISS) und hat sich eine respektierte Position im internationalen Raumfahrtwettkampf erarbeitet. SpaceX wurde 2002 vom Unternehmer Elon Musk gegründet – Milliardär und Visionär. Kennen tut man ihn auch von PayPal und Tesla.

Das niederländische Projekt Mars One hat sich sehr ehrgeizige Ziele gesteckt und wird von Kritikern als wenig glaubwürdig rezipiert. Mars One ist eine private Stiftung deren Ziel es ist, bis zum Jahr 2032 Menschen auf dem Mars landen zu lassen und dort eine dauerhaft bewohnbare Siedlung zu errichten. Das Ganze ist wie eine Spielshow konzipiert und wird vom niederländischen Unternehmer Bas Lansdorp vermarktet. Das Missionskonzept basiert auf der Voraussetzung, dass die teilnehmenden Astronauten nicht zur Erde zurückkehren. Schon mehrmals wurde der Mars One-Zeitplan verschoben. Im Jahr 2016 sollte nach ursprünglichem Plan eine unbemannte Sonde zum Mars und 2023 die ersten Menschen zum Mars fliegen. Davon mussten die Visionäre inzwischen abrücken.

Die Mars Society Deutschland ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die sich für die Erforschung und Besiedlung des Planeten Mars einsetzt. Sie wurde 1998 von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Raumfahrtfans aus aller Welt gegründet. Präsident ist seitdem der US-amerikanische Raumfahrtingenieur, Publizist und Befürworter des bemannten Marsflugs, Dr. Robert Zubrin. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben ihm auch prominente Gesichter wie ehemalige Apollo-Astronauten oder der Regisseur James Cameron. In zahlreichen Ländern bestehen inzwischen regionale Organisationen der Mars Society International (MSI). Sie betreiben Informationsarbeit und setzen technisch-wissenschaftliche Projekte um.

Der MARS auf der Leinwand Im November 2016 wurde auf dem National Geographic Channel die mehrteilige Serie „Mars“ ausgestrahlt. Vor rund 300 geladenen Gästen wurde die Serie im Zeiss-Großplanetarium, hier in Berlin gezeigt. Der Film spiegelt auch die unterschiedlichen Images die die Marsforschung heute prägen: wissenschaftlich-rational versus emotional-dramatisch. Die Serie erzählt die Geschichte der ersten bemannten Mission zum Mars. Für 2033 ist das Abenteuer angesetzt. Robert Zubrin ergreift im Film nicht selten das Wort. Eine selbstversorgende Zivilisation auf den Mars zu bringen, so betont auch Elon Musk im Film, sei das grösste Abenteuer der gesamten Menschheitsgeschichte. Aus Nischenforschung mache dramatisches Filmmaterial – wer weiss, vielleicht wird der Mars damit ja noch viel populärer als er es ohnehin schon ist!

Beitragsbilder: Rocket Launch, NASA, Pixabay unter [pixabay.com] & Jürgen Herholz privat

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