Gesellschaft
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Lieber ein Gläubiger als Hunderte?

Luther hat uns mit der Abschaffung des Ablasshandels ganz schön was eingebrockt. Eine Glosse.

Hätte Luther nicht die 95 Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche verfasst, würde es uns heute wunderbar gehen. Das war doch ein tolles Konzept: Mit ruhigem Gewissen stahl man die Gewänder eines Schneiders oder schlug dem Idioten von nebenan den Kopf ein. Im Anschluss eilte man ins nächstgelegene Gotteshaus und kaufte einen Ablassbrief, der einen augenblicklich von aller Schuld erlöste. Dass die Kirchenväter mit dem Geld prunkvolle Glaubenstempel errichteten, war sogar noch ein positiver Nebeneffekt – so wurden die Städte schöner und die nächsten Generationen hatten auch noch etwas davon. Und was die prunkvollen Gewänder und den Messwein angeht: schließlich sollten die fleißigen und einsamen Gestalten, die für uns arme Sünder beteten und sich im stillen Kämmerlein einzig mit Maria vergnügen durften, auch etwas vom Geschäft haben.

Das schlechte Gewissen bleibt

Wäre Luther nicht gewesen, müssten wir uns heute nicht mit einer Vielzahl an Gläubigern herumschlagen, sondern hätten unser Schuldenkonto in aller Seelenruhe ausschließlich mit den Katholiken bereinigen können. Nun aber bedrängen uns Handaufhalter aus allen Richtungen. Dabei unterstütze ich doch schon Peta, Greenpeace und Verdi und erfülle damit meinen Soll gegen Tierquälerei, Umweltverschmutzung und Ausbeutung, werden sich viele denken. Doch egal, wie sehr sie sich auch bemühen, die neuen Gläubiger sind einfach unersättlich: Ständig stecken wieder Spendengesuche im Postkasten und andauernd versperren andere Unterschriftensammler den Weg zum nächsten Coffee to go – und machen unaufgefordert auf die Sündenfälle der Gesellschaft aufmerksam. Angesichts dieser Übergriffigkeit wünscht man sich fast in die „gute“ alte Zeit zurück, in der die Gewissensbisse mit dem Kauf eines Ablassbriefes erledigt waren… Denn ohne die Absolution aus göttlichen Kreisen ist das schlechte Gewissen überhaupt nicht mehr kleinzukriegen.

Foto: flickr.com / GörlitzPhotography

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