Gesellschaft
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Ehe für keinen

Die Ehe für alle ist kein gesellschaftlicher Fortschritt, sondern geht in die falsche Richtung.

Ein Kommentar von Ina Hildebrandt

Es hat 16 Jahre gedauert. Der Gang zum Standesamt mündet für gleichgeschlechtliche Paare seit August 2001 in eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Doch dieses Jahr im Oktober soll an ihre Stelle jetzt die gesetzlich anerkannte Ehe treten, so haben es Bundestag und Bundesrat beschlossen. Nun geht es dem, trotz aller Liberalität, bisher staatlich verankerten heteronormativen Leitbild wirklich an den Kragen. In Politik und Gesellschaft wird heftig diskutiert mit großer Freude und massiver Ablehnung. Dabei – wieso schaffen wir in diesem Land die Ehe nicht einfach komplett ab?

Bevor die Ehe im 19. Jahrhundert romantisch werden durfte, war sie vor allem eine gesellschaftlich-ökonomische Einrichtung, die der Gemeinschaft, ob Stamm oder Staat, Struktur und Stabilität gab. Das Elternhaus verlassen, Sex haben, Kinder kriegen – dafür musste man heiraten. Von diesen Zwängen haben wir uns dankenswerterweise emanzipiert. Heute heiraten die meisten Menschen nicht, um der Enthaltsamkeit zu entkommen oder des Kinderwunsches wegen, sondern aus Liebe, wegen der Staatsbürgerschaft oder aus steuerlichen Vorteilen.

Wenn zwei Menschen sich lieben, füreinander Verantwortung übernehmen und sich das vor der Öffentlichkeit versprechen möchten, sollten sie das tun dürfen. Es geht ja nicht darum, dass wir uns von Romantik, Religion oder Tradition verabschieden. Nur die staatliche Institution der Ehe benötigen wir dafür nicht mehr. Wer gottgläubig ist, gibt vor dem Glaubensvertreter seiner Wahl das Liebesbekenntnis ab. Wer es nicht ist, lässt sich von weltlichen Rednern trauen. Das mindert die Ernsthaftigkeit dieser Verbindung keineswegs gegenüber dem Weg zum Standesamt. Auch wenn der Staat es mit seinen Gesetzen anders sehen mag – die Ehe ist Privatangelegenheit. Und wer sich rechtlich absichern will, sollte  dafür keinen Standesbeamten brauchen, sondern zu einem Notar gehen und einen Ehevertrag aufsetzten lassen.

Das Ehebündnis, das aus diesem Grund ursprünglich vom Staat subventioniert wurde, ist schon lange kein Garant mehr für Familie und Kinder. Warum sollten also Menschen, die zwar verheiratet sind, aber keine Kinder haben, weiterhin steuerliche Vorteile genießen? Sinnvoller wäre es, Lebensgemeinschaften zu unterstützen die Kinder großziehen und Verantwortung für diese übernehmen. Dafür ließe sich eine neue rechtliche Form finden.

Wenn wir die Ehe als staatliche Institution abschaffen, entledigen wir uns möglicher zukünftiger Streits und Debatten. Denn warum eine solche Verbindung nur für zwei Menschen gültig sein soll – egal ob diese hetero- oder homosexuell sind –  kann von Menschen in polygamen Beziehungen zu Recht in Frage gestellt werden. Die Idee von Ehepaaren geht auf das klassische Vater-Mutter-Kind Modell zurück, welches wiederum christliche Wurzeln hat. Wenn man aber bereits einen Großteil dieser Wurzeln über Bord wirft, kann man gleich konsequent sein.

Wozu also den Rahmen so weit ausdehnen, bis er alles und jeden umfasst, aber das ursprüngliche Bild schon längst untergegangen ist? Besser abhängen.

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