Gesellschaft
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Bist du Mönch?

Ein reformatorischer Kerngedanke Luthers war, die Kommerzialisierung der Religionen zu beenden. Neben Ablassbriefen wurde der Prunk aus den Religionen verbannt. 500 Jahre später ist die Männermode zwar unprätentiös geworden, mit der Religion wird trotzdem wieder sehr viel Geld verdient

Fürstentum und Justin Bieber

Religionen polarisieren, auch außerhalb von Kriegsgebieten und Krisenregionen: Ob es um den Bau von Minaretten geht oder die Verzierung der Kuppel des Berliner Stadtschlosses, Verbote vom Schwimmunterricht oder Streit um das Kruzifix in deutschen Klassenzimmern. Oft sind es die Symbole, die wegen ihrer Strahlkraft zu Konflikten führen. Spannenderweise ist eine Branche von diesen Konflikten ausgenommen: die der Künstler und Kreativen. In der Popkultur gibt es unzählige Beispiele, dass bekannteste ist wohl die Queen of Pop, Madonna, die seit Jahren mit Symbolen der Weltreligionen spielt. Der Rapper Kanye West betitelt sich seit Jahren selbst als Yeezus und hat eine passende Modelinie auf den Markt gebracht. Genauso sein Kollege Drake, der also Logo zwar keine christliche Symbolik nutzt, allerdings Dürers „Betende Hände“ auf Plattencover und Tourshirts so vermarktet, dass diese inzwischen auch als „Drake-Hände“ bekannt sind. Sampling war für die HipHop-Kultur eben schon immer ein Wesensmerkmal.

Natürlich waren die Rapper nicht die Trendsetter – schon die Fürsten im 16. Jahrhundert trugen christliche Symbole auf ihrer Kleidung. Als Ausdruck von Identifikation und Zugehörigkeit zog sie sich auch in der Mode weiter, bis David Beckham die Männermode revolutionierte und dem Rosenkranz zu unerwarteter Coolness verhalf. Es folgte Christian Audigier, der mit Ed Hardy, Kreuzen und sakraler Symbolik die Männermode der frühen 2000er Jahre dominierte. Und heute? Im anhaltenden Minimalismus-Trend sieht man Kreuze auf schwarzen Shirts, Dürer-Hände auf Basecaps, Jesus-Bilder auf Pullovern. Givenchys New York-Show 2016 ist ein einziges Beispiel für Mystik, Religion und Symbolik: Die Models liefen mit Kreuzen wie Priester über den Laufsteg. Doch auch abseits der Laufstege beweisen die Symbole ihre Strahlkraft: in Kreuzberg produziert das in einer Kirche ansässige Modemagazin „032c“ Pullover mit den Dürer-Händen und dem Angebot eines „Religious Service“ und der Streetwear-Gigant Supreme kollaborierten mit der Black Metal Band Black Sabbath – um, genau, Kreuze abzudrucken. So gehört auch die Anti-Haltung zum Christentum, die Typografie der Metallband-Logos und die Ästhetik ebenjener T-Shirts ist allgegenwärtig, wie das Label Vetements eindrucksvoll beweist. Selbst Pop-Sternchen und Anti-Metaller Justin Bieber richtete sein Tour-Merchandise nach dem Trend.

In der Mode vereint

Neben dem klassischen „Gut Aussehen“ ist die identifikatorische Funktion von Mode nie zu unterschätzen. Insbesondere in der Streetwear wird durch Marken-Namen und -Logos ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer gleichdenkenden Gruppe kommuniziert. Das extremste Beispiel ist der Turnschuh, der seit den 1980ern nicht mehr aus dem Straßenbild wegzudenken ist und Kindern und Erwachsenen vermittelt, dass man – je nach Exotik-Level des Sneakers – Bescheid weiß. Träger und Betrachter verstehen sich: Gemeinschaft unterm Nike-Swoosh. Dies haben die Modehäuser seit langem verstanden und verdienen mit dem Gemeinschaftsgefühl sehr viel Geld. Den Ausverkauf von (Sub-)Kulturen nehmen sie dabei problemlos in Kauf, bis der letzte Metalhead sein geliebtes Amon Armath-Tourshirt genervt im Schrank hängen lässt. So folgen Kreuz- und Jesus-Prints letztlich dem gleichen Ausbeutungsmuster, nur dass das die Symbolik des Christentums für deutlich mehr steht als für kapitalistische Markenfetische. Beispielsweise für Kreuzzüge und Glaubenskriege oder den Ursprung westlicher Kultur. Den Trägern der Symbolik wird dies wahrscheinlich egal sein, außer sie sind – selbstredend – patriotische Spaziergänger aus dem Abendland – oder Mönch.

Wenn man nun die glänzende, leicht prollige und prunkvolle Männermode der 2000er Jahre à la Ed Hardy mit der Pracht der katholischen Kirche in Verbindung bringt und dann mit dem Trend der heutigen minimalistischen, meist schwarzen Männermode vergleicht, fällt auf, dass der Mode der Prunk ausgetrieben wurde. Statt Gold besticht diese heute mit mönchischer Strenge. Nur ein Reformator wie Luther lässt sich heute weit und breit nicht finden. Im Gegensatz zur 500 Jahre alten Reformation ist die absatzorientierte Modewelt auch viel schnelllebiger und Minimalismus vielleicht bald schon wieder von gestern: Der Prunk soll in großen Schritten wieder auf uns zukommen. Dem Gemeinschaftsgefühl durch christliche Symbolik tut das nichts, die wird auch auf güldenen T-Shirts, Jacken und Basecaps weiterleben, bis selbst der eucharistische Fisch sein unverhofftes Revival erlebt. Halleluja.

Bild: Yeezus Tour by Bravado. unter CC BY-NC-ND 2.0

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