Der französische Autor Marcel Proust hat ein literarisches Spiel erfunden, das geht so: Suche dir eine Person aus und die anderen Teilnehmer müssen deine Wahl erraten, indem sie Fragen stellen, wie zum Beispiel: „Wenn die Person ein Tier wäre, was für eins würde sie sein?“ Das Spiel kann man jedoch nicht nur auf Menschen anwenden: Um einen frischen Blick auf die Berliner Bezirke zu werfen, haben wir Bewohner gefragt ihren Stadtteil mit diesem Assoziations-Spiel zu beschreiben. Gute oder schlechte Antworten gibt es nicht. Nur eine Vielzahl an persönlichen Beziehungen mit dem eigenen Kiez.
PRENZLAUER BERG
Anni, 25, Studentin an der HU
Ein Künstler: Ai Wei Wei, den man oft am Samstag auf unserem Frischemarkt antrifft.
Eine Farbe: Hellblau, der Himmel an dem Tag an dem ich eingezogen bin.
Ein Geschmack: Koriander, da ich hier ganz oft vietnamesisch esse.
Ein Song: “Boy” von Silver Streets
Ein Ton: Das Geräusch der Tram, direkt vor meiner Tür.
Ein Getränk: Cappuccino
Ein Ort: Der Vietnamese Akemi, dort gibt es die beste Pho.
Ein Geruch: Der vom Döner Laden unter mir.
Ein Film: Tauscherglocke und Schmetterling von Julian Schnabel.
MOABIT
Jonas, 21, Student (Ingenieur: Energie- & Prozesstechnik)
Ein Farbe: Grau, das ist nicht unbedingt negativ gemeint, aber es passt einfach zum Feeling hier in Moabit.
Ein Film: “Rocky” von John G. Avildsen, manchmal muss man sich zum Guten durchboxen.
Ein Geschmack: Börek, harte Schale aber weicher Kern.
Ein Künstler: Kollegah, das hört man hier beim Training.
Ein Song: “Dickes B” von Seed, das trifft’s einfach!
Ein Ton: Straßenverkehr und Hunde.
Ein Geruch: Spree, manchmal ein bisschen muffig.
Ein Getränk: Schwarzer Tee, belebend bitter.
Ein Ort: Spreeufer, ruhig und lebendig zugleich, wie der Fluss selbst.
NEUKÖLLN
Elena, 29, Studentin und Mutter
Eine Farbe: Was auch immer unter dieser weißen Raufsertapete zum Vorschein kommt.
Ein Künstler: Jackson Pollock
Ein Geschmack: Bitter-süß
Ein Song: “Fusionbändchen” von Audio88
Ein Sprichwort: “Besser Späti als nie.”
Ein Film: Gangsterläufer, Dokumentarfilm von Christian Stahl
Ein Ton: Schnelle Autos auf Pflasterstein.
Ein Ort: Hermannplatz
Ein Geruch: Hundescheiße & Lindenblüten.
Ein Getränk: Bier
MITTE
Belinda 21, arbeitet bei Vaterfall
Eine Farbe: Wenn ich Mitte mit einer Farbe assoziieren soll, dann schwirren mir so viele im Kopf herum. Grün für die Parks, Grau für das Regierungsviertel, Gelb für Beach-Bars, Blau für das Wasser der Spree… Mitte ist so vielfältig, es kann keiner bestimmten Farbe gerecht werden.
Ein Getränk: Café Latte mit Vanille-Sirup von Dunkin & Donuts.
Ein Ton: Das Signal der Schiffe auf der Spree.
Ein Ort: Der Mauerpark weil da so viele gut gelaunte Menschen aus allen Ecken Berlins zusammen kommen.
Ein Geschmack: Eine Black Devil Zigarette auf der Wiese mit Freunde oder alleine wenn die ganzen Touristen weg sind.
Ein Künstler: Definitiv Banksy, auch wenn viele Originalkunstwerke des Street Art Künstlers für andere Platz machen mussten wird sein Stil an verschiedensten Strassenkulissen und Hauswänden kopiert.
Ein Geruch: Zimt – Geruch aus der Bäckerei bei mir in der Strasse.
Ein Song: “Genau So” von Cro. Auch wenn er in dem Lied eine Frau beschreibt, muss ich immer an meinen besonders außergewöhnlichen und schönen Bezirk denken.
Ein Schprichwort: “Der Schlaf ist ein Dieb, der uns die Hälfte unseres Lebens stiehlt”. Ich hoffe jeder der hier wohnt, kann verstehen, warum ich dieses Zitat ausgesucht habe!
KREUZBERG
Fabio, 29, Regisseur
Ein Künstler: Edward Munch, weil er wie so viele andere Künstler nicht in Berlin geboren wurde, aber Berlin trotzdem zu seiner Basis für intensive, experimentelle Arbeit gemacht hat, die den deutschen Expressionismus mit eingeleitet hat. Dieses Interesse an der dunklen Seite des Menschen ist auch im Berlin der Gegenwart noch hochaktuell.
Eine Farbe: Rot, weil Kreuzberg in vielerlei Hinsicht ein Multi-Kulti Ort ist. In der Vergangenheit war der Kotti ein Schlachtfeld für zivilen Ungehorsam und Protest, wo viel Blut für die Freiheit geflossen ist. Heutzutage ist es das Zentrum von Kunst und persönlichen Ausdruck. Rot für Leidenschaft und Blut.
Ein Geschmack: Baklava, Pickles und Kräuter Sauce.
Ein Song: “Heroes” von David Bowie, weil es eine Hymne an die Freiheit und Veränderung ist, die die Gedanken einer ganzen Generation wiedergegeben hat, die genug von Segregation und Hass hatte. Es repräsentiert auch meine Ankunft in Berlin im Sommer 2011 und wie die ganze Welt so groß und frei erschien.
Ein Film: “Lola Rennt” von Tom Tykwer, weil es wahrscheinlich der erste deutsche Film war, den ich je gesehen habe und es war mein erster Eindruck von Berlin. Sein schneller Rhythmus und das experimentelle Format macht ihn zum wage mutigsten und spannendsten Film meiner Jugend.
Ein Ton: Das Geräusch der U-Bahn und das von dem Krankenwagen. Das erste weil es etwas sehr bekanntes ist, ich fühle mich dann zuhause und das andere weil es das nervigste Geräusch überhaupt ist.
Ein Getränk: Natüüüüürlich Club Mate!
Ein Geruch: Kebab, Gras und Obdachlose.
Ein Sprichwort: Verpiss dich, du Arsch!!!
Ein Ort: Café Kotti! Sehr lange war das mein Kotti-Treffpunkt und ich finde, dass es vieles kombiniert, was Kreuzberg definiert. Es ist ein Türkisch-Europäisches Café, wo man mitten in einer Rauchwolke Tee oder Wein trinken kann, junge internationale Intellektuelle und Künstler diskutieren wichtige Fragen, organisieren Demos entspannen sich einfach nur.
WEDDING
Jens, 28, Politikberater
Eine Farbe: Braun, weil es eine ehrliche Farbe ist, die weder flashig noch blendend ist und dennoch ist sie wunderschön.
Ein Film: „Thank you for smoking“ von Jason Reitman. Gibt es eigentlich noch Bars in denen nicht geraucht wird? Im Wedding eher nicht.
Ein Geschmack: Knoblauchsoße. Eine Rucolapizza mit Knoblauchsoße von Pizza Deluxe am Leo. Nach einem langen Arbeitstag kann es nichts Besseres geben.
Ein Künstler: Jerome Boateng. Zwar schießt Boateng weniger Tore als Messi, Ronaldo & Co (Kreuzberg, Friedrichshain, Neukölln?), aber scheiß drauf. Boateng ist Weltmeister, grätscht Leute um und kriegt dafür Millionen. Das ist Kunst im Weddinger Sinn.
Ein Song: “Black and Yellow” von Wiz Khalifa. Die inoffizielle Hymne des besten Fitnessstudios des Stadtteils. Dort gibt es keine Kurse, kein Spinning und kaum Frauen. Dafür gibt es kaputte Laufbänder und eine Menge Gewichte – Wedding pur.
Ein Ton: Rumpeln. Wenn die Nachbarskinder über mir die Wohnung in einen Zirkus verwandeln.
Ein Geruch: Kaltes Bier, auf kaltem Stein, irgendwo am Leopoldplatz verschüttet.
Ein Getränk: Pils. Ein ganz gewöhnliches Bier das weder ein cooles Microbrew ist, noch einen ausgefallenen Namen hat. Einfach ein ehrliches Pils vom Fass, oftmals mit leichten Spülmittelresten im Glas.
Ein Ort: Sprengelkiez. Wenn jemand sagt „Wedding kommt“ dann meint er alles zwischen Leopoldplatz und Moabit. Hier gibt es sie, die friedliche Koexistenz von Altherrenkneipe und hipper Bar sowie teurem Brunch und Döner für 2,30€ bei Mieten zwischen 5 und 15 € pro qm. Doch das wird so nicht bleiben, denn auch 2016 heißt es wieder “Wedding kommt”. Dieses mal ist man sich noch sicherer als in den letzten Jahren.
FRIEDRICHSHAIN
Neves, 26, Designerin & Stilistin
Eine Farbe: Taubenblau
Ein Kunstler: Blu
Ein Geschmack: Grüne Säure Haribo Schlangen & Süßkartoffel Pommes.
Ein Song: “I’m Ill” von Jay-Z/Fabulous & Red Café
Ein Film: “Good Bye Lenin !” von Wolfgang Becker
Ein Ton: Berghain: Stimmen, Bass, Scherben die auf dem Boden fallen…
Ein Sprichwort: „Die dunkelste Stunde ist die vor dem Sonnenaufgang“ Paul Coelho, Der Alchimist
Ein Geruch: Hundekacke!
Ein Ort: Märchenbrunnen
Ein Getränk: Sojalatte
CHARLOTTENBURG
Felix, 24, arbeitet in einer Galerie
Eine Farbe: Gold
Ein Geschmack: Asiatisch in der Kantstrasse.
Ein Film: “Der Himmel über Berlin” von Wim Wenders
Ein Geräusch: Glocken klingen
Ein Getränk: Rotwein
Ein Geruch: Weniger Edel als ihr denkt!
Ein Sprichwort:” Get rich or die tryin’”
Ein Ort: Galander, da es ein bestimmtes Bild von Charlottenburg bestätigt.