Gesellschaft
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Privé ade

Der Stuhlgang soll dank Unisex-Toiletten gemeinschaftlicher werden. Warum wir uns möglicherweise bald genderübergreifend erleichtern dürfen.

Auf dem Pott will Mensch am liebsten allein sein. Unbeobachtet und sicher möchte man sich fühlen, ungehemmt und in seiner Natur akzeptiert. Frei nach Berkeley existiert ein Pups nur, wenn jemand anders ihn wahrnimmt und das gilt es in der Regel zu vermeiden.

Um dieses Gefühl auch in öffentlichen Gebäuden zu vermitteln, gibt es verschiedene Ansätze, die die Anwesenheit anderer Verdauer zu vertuschen suchen. In Italien verfügen die Toiletten meistens über ein spezielles Gebläse, das ungewollte Gerüche beseitigen soll und auch Japan hat für die traditionelle Furcht der Frau vor unziemlichen Tönen eine kreative Lösung gefunden: Benannt nach der mythologischen Wasserprinzessin Otohime sind die einzelnen Kabinen mit einem kleinen Lautsprecher ausgestattet, der auf Knopfdruck ein lautes Spülgeräusch von sich gibt. Vorher drückten die Damen nämlich oft kontinuierlich die tatsächliche Klospülung, bis sie mit ihrem Geschäft fertig waren. Mithilfe der Otohime werden nun schätzungsweise 20 Liter Wasser pro Toilettengang gespart.

Bei all diesen Sorgen möge man sich nun ausmalen, dass in der Nachbarkabine nicht GeschlechtsgenossInnen am Werk sind, sondern gar ein potentielles Objekt der Begierde! Unvorstellbar. Der Gesichtsverlust ist vorprogrammiert, die zarte Liebesgeschichte zum Scheitern verurteilt, noch bevor sie beginnen konnte. Homosexuelle müssen sich mit diesem Dilemma seit Erfindung der Toilette herumschlagen und niemand vermag zu sagen, welche Persönlichkeits- oder Beziehungsstörungen das nach sich zieht.

Manche Länder scheinen für derartige Vorbehalte kein Verständnis zu haben. Polen gefällt sich mit seinen Unisex-Toiletten, wo Kolleginnen erstmal an ihren Kollegen samt deren Penissen an den Pissoirs vorbeischleichen müssen, um in die sichere Kabine zu gelangen. Auch dort sind sie allerdings auf die eigene Diskretion und gesunde Ernährung angewiesen, denn es gibt weder Gebläse noch Lärmschutz. Die Mär der rosigen Ausscheidung ist Geschichte. Was versprechen die Polen sich davon? Enthemmung? Gleichmacherei? Kommunismus?

Auch in Berlin ist dieser Wahnsinn jetzt kurz davor, Überhand zu nehmen. Angetragen von den Piraten, die damals noch existierten, wurde die gleichgeschlechtliche Toilette schon Anfang 2013 für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen. Anderthalb Jahre dauerten die Pläne für die aufwendige Durchführung (neue Schilder an den Türen) – dann kam glücklicherweise die Haushaltssperre dazwischen. Ausgerechnet in Mitte ist das Konzept dann aber im September 2014 Realität geworden. In drei Rathäusern können jetzt, zusätzlich zu den normalen getrennten Toiletten, Freiweillige sich auch genderübergreifend erleichtern.

Wieso will man uns den Gang auf das stille Örtchen noch schwerer machen? Uns systematisch entwürdigen? Auch das Privateste politisieren? Etwa um Grenzen zu überwinden, niemanden auszuschließen, gestrige Komfortzonen zu verlassen und alte Gewohnheiten neu zu hinterfragen? Klingt eigentlich einleuchtend. Aber das wusste Luis Buñuel schon 1974…

Titelbild: Sigismund von Domschütz/AnonMoos unter CC BY-SA 3.0

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