Gesellschaft
Schreibe einen Kommentar

Die Glosse: Mata Hari und Ich

Bild: Privat
Bild: Privat

Bild: Privat

Ich habe sie am Flohmarkt entdeckt. Zwischen Landser-Heftchen und Roten Adlerorden lag sie auf einem blauen Samtkissen.

Sie hat einen kühlen Griff, schmiegt sich schwer in die Handfläche und passt genau in das hintere Fach meiner Handtasche: Ich habe mir eine Mauser C96 gekauft und sie „Mata Hari“ getauft. Pistolen sind Zeichen von Eleganz, Stärke und Unabhängigkeit.

Mata und ich müssen zunächst Schießen üben. In meinem Hinterhof in Berlin Friedenau habe ich vor dem Yoga-Studio „Karma“ eine Reihe Blechbüchsen aufgestellt. Ich hole die Musikanlage ans Fenster und drehe Jon Lajoie, den weißen Gangster-Rapper auf: „Guns don’t kill people. Uh-Uh. I kill people with guns. “ Nach fünf Minuten kommt Yoga-Meisterin Margot in den Hof geschwebt und meint, sie könne mich gut verstehen und dass sie selbst davon träume, mal richtig schießen zu gehen, seitdem ihr Chef Günter Swami Sivananda sie unnötig oft berührt. Allerdings hätte sich ihre Schülerin beim „Herabschauenden Hund“ vor Schreck den Rücken verrenkt und darum soll ich mir eine neue Übungsstätte suchen.

Ich räume die Büchsen weg, ohne zu murren, denn es gibt viele tolle Trainings-Ideen: Ein Schauspieler mit weißem Turban, Bart und brauner Farbe im Gesicht rennt als Osama Bin Laden verkleidet davon, man muss ihn aufspüren und zur Strecke bringen. Ein ehemaliger Navy-Seal bietet dieses Spiel für 100 Euro in seinem Garten an und gibt nützliche Tipps im Umgang mit Gewehren. Seitdem die Internet-Gutscheinseite Groupon sich von Waffen distanziert, gibt es darauf und aufs Üben am Schießplatz nur leider keine 40 Prozent Rabatt mehr. Dabei ist ein Zusammenhang zwischen Waffen und Gewalttaten wirklich an den Haaren herbeigezogen. Der Besitzer der „Central Texas Gun Works“ hat deshalb bereits zum Boykott von Groupon aufgerufen. Er geht wie auch die Aktivistengruppe „Newton Truthers“ davon aus, dass Amokläufe von der Regierung inszeniert sind, um die Waffengesetze zu verschärfen und der Lobby zu schaden. Dabei würde die Welt viel sicherer, wenn sich jeder selbst verteidigen könnte. Wenn jeder eine Waffe hat, gibt es eine klassische Patt-Situation, in der niemand mehr Gewalt über jemanden hat.

So bin ich nochmal zurück zum Flohmarkt und habe den gesamten Waffen-Privatbesitz des Händlers aufgekauft. Und einen Roten Adlerorden, den ich mir ans Revers gesteckt habe. So stehe ich nun mit Mata im Hosenbund an der S-Bahn-Station Friedenau und drücke jedem, der vorbeikommt, eine Waffe in die Hand: eine Uzi für die Netto-Kassiererin, eine Bergmann MP18 für den Antiquitätenhändler und für Margot vom Karma-Yoga eine Mauser C96, wie Mata Hari. Nach zehn Minuten stehen lauter Polizisten mit schwarzen Westen und Helmen vor dem S-Bahnhof. Ich soll Mata auf den Boden legen und die Hände hinter den Kopf heben. Ich rufe „hebt selbst die Hände hinter den Kopf“ und versuche, ihnen meine Theorie der klassischen Patt-Situation zu erklären. Sobald sie sie verstanden haben, rüsten wir Deutschland auf: Mata Hari und ich.

FacebooktwitterFacebooktwitter
Kategorie: Gesellschaft

Maja Hoock will keine prätentiösen Kultur-Texte lesen. Falls sie welche schreibt, darf sie keinen Nachtisch haben. Gut findet sie die Feuilletonisten, die flanieren können. Tucholsky, Hessel, ihr habt gut hingesehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert