Gesellschaft
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Am Boden

London-Gatwick, grauer Betonboden, raunzendes Bodenpersonal. Wie unsere Autorin Daria Hufnagel vor einer Übernachtung am Flughafen bewahrt wurde.

Daria Hufnagel erteile dem
 Betonboden in Windeseile 
eine Absage (Foto: Elisa Beldowski)

Wenn man sich am Flughafen London-Gatwick einmal umsieht, dann findet
 man dort wenig Tröstliches. Die Abfertigungshalle besteht aus nicht 
viel mehr als gleichförmigen Schalterständen, Neonlicht strahlt unsympathisch 
aus Röhren von der Decke und grauer Beton blitzt einen noch 
ungastlicher von unten an. Dazwischen schlängelt sich orangefarbenes 
Absperrband durch einer Reihe von Aufstellern. Diese sollen dem 
vollgepackten und 
eiligen Passagier den Weg zur Gepäckaufgabe anzeigen. Normalerweise.

Am Check-In-Schalter

Doch bereits fünf Minuten nach Ende der offiziellen Check-In-Zeit will 
mir dort heute niemand mehr den Weg weisen. „Sorry, kommen Sie morgen wieder. 
Den Flug hier haben Sie verpasst“, raunzt mich die Dame vom 
Bodenpersonal gleichgültig 
an. Was? Einfach so? Entsetzt über ihre fehlende Anteilnahme starre 
ich sie an. Ihr 
Kostüm hat die gleiche Farbe wie das Absperrband. Ihr kann das 
schließlich egal sein,
 denke ich. Sie wird sich gleich auf den Weg in ihre warme Wohnung machen, sich 
irgendwann in ihr gemütliches Bett legen. Mit dem grauen Boden in der 
Flughafenhalle 
hat sie dann schon lange nichts mehr zutun.

Den Kopf gebettet auf Plastiktüten

Ich dagegen schon. Noch nicht mal eine Sitzgruppe ist hier in Sichtweite. 
Bleibt wohl wirklich nur der kalte Beton. Verzweifelt lasse ich 
den Blick durch die Halle schweifen. In einiger Entfernung leuchtet mich ein 
Informationsstand an. Neon wieder.

„Geht diese Nacht noch irgendwo ein Flug nach Deutschland?“. Vor
 meinem geistigen
 Auge sehe ich mich bereits ein Kopfkissen aus Tesco-Plastiktüten
 zusammenbasteln. Ich
 würde nun fast alles zahlen. Minuten vergehen. Telefonate werden gemacht. „Nach 
Stansted, schnell. Da geht noch einer.“ Und so erteile ich dem
 Betonboden in Windeseile 
eine Absage. Wird wohl doch nichts mehr aus uns beiden heute Nacht.

 

Daria Hufnagel war Textredakteurin für die taz-Beilage “Happy End” – eine Sonderbeilage des Masterstudiengangs Kulturjournalismus an der UdK. Kontakt: daria.hufnagel[at]udk-berlin.de

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