Gesellschaft

Nostalgie in der virtuellen Welt

„Berlin ist die spannendste Stadt Deutschlands, gar eine der spannendsten Europas“, sagt Andreas Lange, Kurator und Direktor des Computerspielemuseums in Friedrichshain. In Berlin hat der 43-Jährige sein Glück gefunden – nicht nur privat, sondern auch beruflich. Denn mit dem neu eröffneten Museum konnte sich Lange einen lang gehegten Traum erfüllen. Ein Porträt über einen Nostalgiker der virtuellen Welt.

Andreas Lange. Foto: Gesell

Mittlerweile lebt der gebürtige Hesse, der in der Rhön bei Fulda aufgewachsen ist, schon 22 Jahre in Berlin. Ende der Achtziger nahm er an der Freien Universität Berlin sein Studium der Religions- und Theaterwissenschaften auf. Auf den ersten Blick scheint das nicht viel mit Computerspielen zu tun zu haben. „Auf den zweiten Blick aber schon“, erklärt Andreas Lange. „Denn die meisten Computerspiele sind Rollenspiele – wie im Theater eben.“ Im Falle der Religionswissenschaft müsse man schon um zwei Ecken denken, um eine Verbindung herzustellen. „Vor allem bei Online-Spielen wird der Zusammenhang deutlich. Beim Spielen erlebt man ein gesellschaftliches Miteinander. Es ist sehr interessant, wie die Gesellschaft in Computerspielen definiert ist“, sagt Lange. „Games sind eine kulturelle technische Revolution.“

Gamer und Familienmensch

Auch Lange selbst sitzt gerne vor dem PC oder einer Konsole. „Eigentlich spiele ich viel zu selten, ich habe noch viel aufzuholen“, sagt der 43-Jährige. Als Kind hat er einfache Tennisspiele gespielt, seine derzeitigen Lieblingsspiele sind Red Dead Redemption und Heavy Rain. Schauplatz von Red Dead Redemption ist der amerikanische Wilde Westen, bei Heavy Rain geht es darum, eine Mordserie aufzuklären. Auch wenn ihm das Spielen Spaß mache, dürfe die Familie nicht zu kurz kommen. Lange ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren. Seine Kinder spielen auch ab und zu. „Klar machen wir Vorschläge, welches Spiel geeignet ist und welches nicht, aber richtig verboten haben wir noch keines“, sagt Lange.
Dennoch halte er nichts von Spielen, die außer Gewalt nichts zu bieten haben. „Ich habe eine hohe Toleranz, aber es gibt auch eine Menge schlechter Spiele“, sagt Lange. „Aufgrund meines akademischen Hintergrunds sehe ich Computerspiele mit anderen Augen.“ Auch über das Suchtpotenzial ist sich der Museumsdirektor bewusst: „Es ist nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung, nicht in die Abhängigkeit abzurutschen.“ Man müsse die richtige Balance zwischen physisch-realer und virtueller Welt finden, was in den komplexen sozialen Gefügen in den Computerspielen oft nicht einfach sei.

Keine Auswahl-Kriterien

Andreas Lange vor dem Museum. Foto: Gesell

Schon während seines Studiums beschäftigte sich Lange mit Computerspielen, auch seine Abschlussarbeit handelt davon. Anschließend arbeitete er als unabhängiger Gutachter der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Der Träger der USK, der Förderverein für Jugend und Sozialarbeit, war es auch, der ihn fragte, ob er bereit wäre, ein Computerspielemuseum zu eröffnen. Das endgültige „Ja“ fiel vor 14 Jahren und Lange machte sich auf die Suche nach Exponaten. Bereits 1997 organisierte er eine Dauerausstellung in Berlin. Das Museum musste allerdings nach vier Jahren schließen, da die Räume für die zahlreichen Exponate schnell zu klein wurden. In den Folgejahren stellte Lange Wanderausstellungen im In- und Ausland auf die Beine. Nach langem Hin und Her konnte am 21. Januar 2010 nun endlich die Dauerausstellung in der Karl-Marx-Allee eröffnet werden. Die Besucher können hier verschiedene Games selbst testen, erfahren aber auch viel über die Geschichte und Entwicklung von Computerspielen.
Mittlerweile finden sich 16.000 Spiele, 2.300 Hardware-Teile und rund 10.000 Zeitschriften in Langes Sammlung. Kriterien, nach welchen er Exponate auswählt, gebe es nicht. „Es ist Quatsch zu sagen: ‚Das ist wertvoll aufzuheben und das nicht‘“, sagt Lange.

So konnte Andreas Lange endlich seinem Interesse an Computerspielen nachgehen und das auch noch in einer Stadt, die er schnell zu lieben gelernt hat. „Berlin ist eine familienfreundliche und offene Stadt, Zugereiste fühlen sich von Anfang an willkommen. Ich habe nie bereut, hierher gekommen zu sein“, sagt Lange. Außerdem biete die Hauptstadt ein großes Besucherpotenzial; auch viele Touristen würden das Museum aufsuchen. In den kommenden Jahren will Andreas Lange die Sammlung erweitern, damit Gamer weiterhin in Nostalgie schwelgen und auch Nicht-Gamer für ein paar Stunden in die Spielewelt eintauchen können.

Weitere Infos: www.computerspielemuseum.de

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Kategorie: Gesellschaft