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“Der deutsche Film hat noch keine eigene Identität”

„Wir in Deutschland haben Theater und klassische Musik, wir können Bohrmaschinen und Autos bauen und dann muss man nicht auch noch unbedingt Mode und Film ganz toll können. Aber dazu sollte man auch einfach mal stehen und nicht immer so tun als ob.“ Ganz schön ehrliche Worte, die Schauspielerin Marie Bäumer während eines Podiumsgesprächs im Rahmen der 64. Berlinale fand. Aber vielleicht wirken sie auch nur deshalb ungewohnt, weil wir uns die Realität so gerne schön reden? Dass der Alltag von Schauspielern nicht immer dem entspricht, was uns die Fotos vom roten Teppich vermitteln wollen, dürfte den meisten Menschen klar sein. Wie er aber tatsächlich aussieht, verriet Marie Bäumer im Interview.

Kulturschawrm: In den Medien ist die Berlinale wie jedes Jahr sehr präsent, aber bekommen auch Schauspieler in Deutschland die Anerkennung, die sie verdient haben?

Marie Bäumer:
 Nein. Es ist sehr schwierig, in Deutschland Schauspieler zu sein –  vor allem wenn man frei arbeitet. Es gibt viele Unsicherheiten, vor allem was die finanzielle Absicherung betrifft. Es ist absurd, dass man als freier Schauspieler eine bestimmte Anzahl an zusammenhängenden Drehtagen im Jahr braucht, an denen man gearbeitet haben muss. Sonst bekommt man kein Arbeitslosengeld, wenn mal keine Angebote hereinkommen. Daran scheitert es aber schon meistens. Es gibt zwar die Künstler-Sozialkasse und langsam entwickelt sich so etwas wie eine Gewerkschaft, aber auch das ist schwierig.

Wie würden Sie die Haltung der Gesellschaft gegenüber Schauspielern beschreiben?

Die Grundhaltung der Deutschen gegenüber Schauspielern ist sehr skeptisch. Es wird immer behauptet, dass das in anderen europäischen Ländern genauso ist, doch ich habe das Gefühl, dass zum Beispiel Dänemark, Österreich oder auch Frankreich ihre Schauspieler einfach mehr lieben und schätzen. Aber vielleicht hat einfach jeder das Gefühl, in seinem Land benachteiligt zu sein.

Wie oft hat man als Schauspieler die Chance, einen Film zu machen, der einem auch wirklich gefällt und hinter dem man stehen kann?

Meine Agentin hat vor knapp zwanzig Jahren mal zu mir gesagt: Wenn man es schafft, im gesamten Berufsleben drei Projekte zu machen, mit denen man komplett glücklich und zufrieden ist, dann hat man sehr, sehr viel geschafft. Das fand ich damals kompletten Wahnsinn, aber heute verstehe ich den Satz sehr gut. Es gibt aber immer eine Brücke zwischen Kunst und Kommerz. Der Film von Denis Dercourt, mit dem ich insgesamt vier Mal gedreht habe, war zum Beispiel der, bei dem ich am wenigsten verdient habe. Aber trotzdem war mir absolut klar, dass ich ihn machen will.

Werden Schauspieler, gerade Newcomer, in Deutschland genug gefördert?

Ich glaube nicht. Es fängt schon damit an, dass Schauspieler die Reisen zu den Castings selbst bezahlen müssen. Wie soll ein junger Student das schaffen? Ständig von München nach Hamburg zu fahren und dann die Hotelkosten komplett selbst übernehmen? Es bleibt eine Tatsache, dass wir in unserem Land viel zu viele Schauspieler für zu wenig Arbeit haben. Viel Geld wird hierzulande einfach in banale Unterhaltungsformate hineingesteckt, anstatt den jungen, innovativen Filmemachern mehr Unterstützung zukommen zu lassen.

Gehört Filmkunst demnach nicht zu den Künsten, durch die sich Deutschland auszeichnet?

Das ist noch mal ein ganz anderes Thema. Es ist sehr wichtig, Brücken in andere europäische Länder zu schlagen. Koproduktionen zu machen und ausländische Schauspieler mit in das Projekt zu nehmen. Dann kann man den Film schon mal in zwei Ländern zeigen und er bekommt mehr Aufmerksamkeit. Der deutsche Film hat noch keine wirklich eigene Identität. Und solange das so ist, muss man sich auch mit anderen Ländern beschäftigen. Es gab ja mal eine Phase in Deutschland, die Fassbinder-Ära, in der interessante Dinge passiert sind. Danach fällt mir – was das Charisma, das Können und die Vision angeht – aber nur noch Bernd Eichinger ein.

Bildquelle: Manfred WernerWikimedia unter CC BY 3.0

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Kategorie: Film

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