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Das stumme Festival

Fred Kuhaupt leitet das U-Bahn Kurzfilmfestival Going Underground. Mit Schayan Riaz sprach er über seine Arbeit, die koreanische Kultur und vieles mehr.

 

Herr Kuhaupt, Sie sind der Festivalleiter vom U-Bahn Kurzfilmfestival Going Underground. Wie gehen sie mit der Gefahr um, dass Leute eventuell aussteigen müssen und dadurch einen Film nicht zu Ende gucken können?

Das kann jeder für sich entscheiden, in dem er nicht aussteigt! Es gibt super Geschichten darüber. Da kriegt man E-Mails wie „Ich hab den und den Film gesehen, der hat mir so gut gefallen, dass ich weitergefahren und nicht ausgestiegen bin.“ Das sind natürlich die Ausnahmen, die für tolle Geschichten sorgen. Mir ist klar, man fährt ja nicht explizit für Going Underground U-Bahn. Aber ich weiß, sehr viele Leute freuen sich, wenn Going Underground stattfindet und sie dann lieber in die U-Bahn gehen.

Was sind die größten Herausforderung bei der Auswahl von Filmen? Sie müssen einen ja in der kürzesten Zeit ergreifen.

Der Film darf nur stumm und nicht über 90 Sekunden lang sein. Dadurch muss der Film die Aufmerksamkeit des Fahrgastes in den ersten 10 Sekunden auf sich ziehen. Und die Kriterien dafür sind klar – es muss ein Film sein der eine Geschichte erzählt. Experimentelle Filme funktionieren in der U-Bahn nicht, also zumindest beim Publikum nicht; die muss man dann woanders zeigen. Aber in der U-Bahn muss der Film eine Geschichte erzählen, die die Zuschauer auch visuell anspricht. Dazu muss man nicht unbedingt eine aufwendige 3D-Animation machen.

Koordiniert sich die Programmierung der Filme mit den Fahrzeiten?

Nein, das nicht. Also die 90 Sekunden haben zwei Gründe: sie sind ultrakurz für die Filmemacher und zweitens ist das so ungefähr die zeitliche Distanz zwischen Bahnhof A und B. Also ungefähr. Wir freuen uns über jeden, der dann mal weiterfährt, aber auf der anderen Seite haben wir keinen Einfluss darauf.

Das Festival gibt es seit 2002, aber seit drei Jahren findet es auch in Seoul statt. Was war die Hauptidee von Going Underground als es noch ein reines „Berliner Ding“ war?

Das Berliner Fenster ist 2000 gestartet und ich bin von Anfang an dabei. Vor meiner Zeit beim Fahrgastfernsehen war ich Produktionsleiter für Film- und Fernsehproduktionen. Ich bin durch Zufall zum Berliner Fenster gekommen, weil die jemand für die Programmorganisation suchten. Einer meiner ersten Ideen, weil ich eben vorher freiberuflich im Film gearbeitet hatte, war Kurzfilme in die U-Bahn zu bringen. Ich habe damals Heinz Hermann angesprochen, einen Freund von mir, der mich da sehr unterstützt hat. Heinz Hermann ist derzeit Festivalleiter von interfilm, dem internationalen Kurzfilmfestival Berlins. Er macht ja schon seit über 30 Jahren Festivals und war damals einer der wenigen, die gesagt hatten „Du bist nicht verrückt, das ist eine gute Idee“, als ich ihn gefragt hatte, ob er sich das vorstellen kann. Der ist sofort drauf eingestiegen. So haben wir die Sache praktisch mit interfilm entwickelt und diese Idee weitergesponnen.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit Seoul vorstellen? 

Das Seoul International Short Image Film Festival hat mich mal als Jurymitglied eingeladen. Dort habe ich Going Underground auf einen Panel vorgestellt und im Zuge dessen ganz schnell die Seoul Metro und den Bezirksbürgermeister kennengelernt. Die waren alle sehr schnell begeistert und schon ein Jahr später hatten wir dann die Kooperation. Wir haben jetzt drei Festivals mit den Koreanern gemacht. Die Vorauswahl wurde diesmal von mir und meinem koreanischen Pendant gemacht. Die Filme kann man sich ja heutzutage online anschauen und da telefoniert man dann per Skype.

Kommt es aufgrund der kulturellen Unterschiede zu Diskrepanzen zwischen den zwei Festivalteams?

Ja, kommt es auch. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal eine Ausnahme gemacht und einen Film in Berlin gezeigt, der in Seoul nicht gezeigt werden durfte. Der hatte mir so gut gefallen, deswegen wollte ich den unbedingt in Berlin zeigen. Das ist ein Zeichentrickfilm, wo ganz kurz ein nackter Mann drin vorkommt. Persönlich habe ich kein Problem mit dem Festivalleiter in Seoul, aber der hat dann gesagt, dass die das nicht zeigen können. Also in Korea kann man mittlerweile in der U-Bahn auch keinen Film zeigen, wo jemand mit einer Zigarette vorkommt. Gut, kann man hier mittlerweile wahrscheinlich auch nicht mehr.

Sind das dann dieselben Filme die gewinnen, in Korea als auch in Berlin?

Ja es sind die selben Filme die gewinnen. Wir gucken also, wie stimmt Seoul ab, wie stimmt Berlin ab und am Ende werden alle Stimmen zusammengezählt. Es hat mich überrascht, dass die Leute in Seoul gar nicht so anders abstimmen als die Leute in Berlin. Es gibt schon paar Unterschiede, aber im Großen und Ganzen ist es ähnlich.

Können sich die Fahrgäste während oder nach dem Festival auf irgendeiner Plattform austauschen?

Also klassisch gibt es jetzt die Social Networks wie Facebook. Seit dem fünften Festival stellen wir die Filme auch ins Internet. Bei den ersten beiden Festivals gab es das Internet ja schon, aber kein Breitbandzugang. Da hatte es noch keinen Sinn gemacht. Beim dritten und vierten Festivals sind dann die ganzen Internet-Filmfestivals nach vorne gekommen und da dachte ich, dass wir da nicht mitmachen müssen. Das Besondere an Going Underground ist halt die U-Bahn. Aber die Zuschauer hatten das anders gesehen, weswegen wir die Filme jetzt auch online stellen. Wir kriegten viele E-Mails, sowas wie „Mensch, ich bin jetzt eine Woche lang U-Bahn gefahren und habe es nicht geschafft alle Filme zu sehen.“

Achten Sie bei den Einreichungen darauf, dass möglichst viele internationale Filme in die engere Auswahl kommen?

Ich achte natürlich drauf, dass es international ist. Aber im Prinzip ist die letzte Entscheidung dann immer wegen der Qualität des Films. Wir haben immer so zwischen 500 und 1000 Einreichungen pro Jahr und im Endeffekt ist es dann immer so, dass je nachdem wieviele Filme gezeigt werden, dass das die Filme sind, die wir auch zeigen wollen. Dieses Jahr haben wir 21 gezeigt, aber vielleicht sind es immer noch so zehn, die man auch hätte zeigen können. Wir haben aber im Prinzip kein Problem damit zu sagen, dass dieses Jahr unheimlich viele Einreichungen aus Korea dabei waren, und die sind qualitativ sehr gut.

Kriegen sie auch Einreichungen mit Ton, die sie einfach nicht mit ins Programm nehmen können?

Ja, wir bekommen auch Filme die 30 Minuten lang sind. In den Ausschreibungskriterien steht immer, dass der Film stumm funktionieren muss. Für Going Underground werden ungefähr 60% Filme eingereicht, die explizit für Going Underground gemacht werden und aus diesem Grund stumm produziert werden. Die anderen 40% sind dann Filme die mit Dialogen und Musik produziert werden, aber trotzdem stumm funktionieren. Und dann liegt es an uns zu sagen, ob der komplett stumm funktioniert oder ob wir Untertitel nutzen.

Gibt es auch Überlegungen, Filme über das ganze Jahr zu zeigen und nicht nur auf ein, zwei Wochen zu konzentrieren?

Solche Überlegungen gibt es, aber es ist halt immer die Geschichte, dass wir die Filme von den Filmemachern aus nur ein Jahr lang in Zusammenhang mit Going Underground zeigen können. Wir dürfen die Filme nicht als Werbung missbrauchen. Es steckt viel Organisation dahinter und man muss regelmäßig gute Filme bekommen, die man dann regelmäßig zeigen kann. Am 21.  Dezember ist zum Beispiel der Tag des Kurzfilms, eine Idee aus Frankreich. Dann zeigen wir in Berlin auch nochmal zwei Kurzfilme, die in Leipzig und Dresden in der U-Bahn gelaufen sind. Also das sind Filme, die nicht bei Going Underground gelaufen sind. In Leipzig und Dresden zeigen wir dann an dem Tag den Gewinnerfilm aus Berlin.

 

 

Das nächste Going Underground findet im September 2014 statt. 

Bisherige Kurzfilme unter http://www.youtube.com/user/MrGuadmin/videos 

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Kategorie: Film

In Berlin aufgewachsen, in London Film studiert. In beiden Städten zu Hause. Heute Filmjournalist, morgen Filmemacher.

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