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Zwischen Melodien und Geräuschen

Das Miranda Quartett nach dem Kammerkonzert in der Werkstatt des Schillertheaters (c) Roman Reeger (Staatsoper Berlin)

Virtuosität statt Klänge: Über das erste Kammerkonzert mit dem Miranda Quartett

Der Auftakt der Kammerkonzerte im Rahmen des INFEKTION-Festivals bescherte den Zuhörern das Miranda Quartett in der Werkstatt des Schiller Theaters. Die Zuschauertribüne war mit Kissen ausgestattet, es sollte ein gemütlicher Abend im kleinen Kreis werden.

Auf dem Programm standen: Der Langsame Satz für Streichquartett von Anton Webern und die »Sei Quartetti Brevi« des italienischen Komponisten Salvatore Sciarrino. Laut der Violinistin Olga Holdorff markiert das Stück von Webern den Einstieg in die Neue Musik. Sie und ihre Kollegin wechselten sich mit den Stimmen ab. Holdorff gab die 1. Violine beim Stück von Sciarrino an ihre Kollegin Daniela Gubatz ab. Der Auftakt war schöne, leichte Musik. Dem Quartett gelang es, die Phrasen abzurunden und die Themen voneinander ohne Bruch zu übernehmen. Besonders das harmonische Zusammenspiel von Leila Weber an der Bratsche und Martin John Smith am Cello überzeugte an dieser Stelle.

Nach dem melodiösen Stück wartete auf das Publikum eine Herausforderung im Zuhören. »Es geht nicht um Virtuosität, sondern um Klänge« sagte der Komponist Sciarrino einst selbst über die Stücke, die er über einen Zeitraum von 25 Jahren in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts komponierte.
Wahrlich suchte der Zuhörer vergeblich ein melodiöses Thema in den Stücken Sciarrinos. Es war ein Sammelsurium an Geräuschen, die mal an das Geheul von Hexen in Gruselfilmen, mal an landende Flugzeuge erinnerten. Die Geräusche wurden mit allerlei Technik der Musiker auf ihren Instrumenten hergestellt. Durch ein Krächzen des Bogens auf der Saite, durch Ponticello, also das Spielen nahe des dafür normalerweise nicht vorgesehenen Stegs. Eine weitere Technik war das sogenannte ‘col legno’, zu deutsch ‘mit dem Holz’. Dabei spielten die Instrumentalisten mit Holz ihres Bogens anstatt mit dem Haar. Heraus kamen pfeifende und hauchende Laute.

Das Ensemble hatte das Glück, im Vorfeld mit dem Komponisten selbst proben zu dürfen. Dieser legte den Musikern besonders einen Aspekt ans Herz: die Anfänge der Sätze sollten wie aus dem Nichts kommen. Dies gelang den Spielern so gut, dass der Zuhörer manchmal gar nicht unterscheiden konnte, ob das Antippen einer Saite schon zum Stück gehörte. Das Publikum reagierte unterschiedlich auf das Gehörte. Einige schlossen die Augen, um sich zu konzentrieren, um vielleicht auch Fixpunkte in der Musik zu finden, an denen sie sich orientieren konnten. Andere wurden beim vierten Satz von sechs unruhig.

An die Darbietung schlossen sich Erklärungen des Dramaturgen Roman Reeger zu den einzelnen Sätzen an. Die Musiker ergänzten die Ausführungen und spielten daraufhin jeden einzelnen Satz noch einmal. Die Zuschauer, die lieber ihren eigenen Eindruck bewahren wollten, verließen zwischen den Sätzen den Saal. Dafür kam eine kleine Maus auf die Bühne und beschnupperte Requisiten, die im hinteren Teil der Bühne für andere Inszenierungen aufgestellt waren.

Die Aufführung von zeitgenössischer klassischer Musik ist eine Anstrengung wert, auch wenn sie keine Melodien enthielt, die man auf dem Nachhauseweg vor sich hinsummen konnte, wie ein Thema eines Streichquartetts von Joseph Haydn. Allerdings ist die Schulung des Ohrs in neuen Klängen eine kostbare Erfahrung.

Foto: (c) Roman Reeger (Staatsoper Berlin)

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Kategorie: Bühne

In Hamburg aufgewachsen, in Hessen den Bachelor gemacht und nun in Berlin. Mag Netzkultur, Musik und Sprache.

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